Frage an Martin Rabanus von Norbert R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Mit Einführung der Master- und Bachelor- Studiengänge wird an den meisten Deutschen Hochschulen der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" nicht mehr vergeben. Lediglich im Mecklenburg-Vorpommern ist es nach einem neuen Landesgesetz den Hochschulen erlaubt, den Absolventen wahlweise den akademischen Grad Diplom-Ingenieur, Master oder Bachelor zu vergeben.
International genießt der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" weltweit hohe Anerkennung. Es wäre auch aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Industrie fahrlässig, wenn dieser Grad für deren zukünftige Firmenmitarbeiter verschwinden würde.
Halten Sie es für wünschenswert, wenn durch eine einheitliche Ländergesetzgebung der akademische Grad "Diplom-Ingenieur erhalten bleibt?
Lieber Norbert,
da wir beide Mitglieder der gleichen Partei sind, wähle ich das bei uns übliche Du in der Anrede. Ich hoffe, das ist so okay für Dich?
Ich danke Dir für Deine Frage auf Abgeordnetenwatch.de vom 14. Juli 2015. Im Folgenden möchte ich Dir gerne darauf antworten.
Wie Du bereits in Deiner Frage zum Ausdruck gebracht hast, ist die Gesetzgebung der für die Hochschulpolitik zuständigen Bundesländer entscheidend für die Vergabe von akademischen Abschlüssen. Das Kooperationsverbot im Grundgesetz schließt den Bund explizit von der Hochschulgesetzgebung aus und verortet diese explizit bei den Ländern. Dem Beschluss der Kultusministerkonferenz, dem Zusammenschluss aller zuständigen Landesvertreter für Bildungsfragen, von 2003 folgend, sollen akademische Abschlüsse im Zuge der Bologna-Reform auf europäischer und internationaler Ebene vergleichbarer werden. Dadurch soll die Anerkennung im Ausland erbrachte Studienleistungen an heimischen Universitäten und Fachhochschulen verbessert werden. Das deutsche Bildungssystem profitiert davon, dass immer mehr Studentinnen und Studenten aus Deutschland Teile ihres Studiums im Auslands ableisten. In einer zunehmend internationalisierten und vernetzten Arbeitswelt sind internationale Studienerfahrungen und interkulturelle Kompetenz ein großer Vorteil für Arbeitgeber und -nehmer in Deutschland. Die mangelnde Anerkennung der Studienleistungen sollte dem nicht entgegen stehen. Von der anderen Seite betrachtet, war es für ausländische Studierende durchaus mit Problemen verbunden, deutsche Hochschulabschlüsse wie den Diplom-Ingenieur in ihrer Heimat anerkannt zu bekommen. Ein weiterer Grund, warum sich die Kultus- und Wissenschaftsminister der Bundesländer für die Modernisierung des Diplomabschlusses entschlossen, waren die stark sinkenden Studierendenzahlen in den Ingenieurstudiengängen in den 1990er Jahren. Das Ansinnen die Attraktivität der entsprechenden Studiengänge gegenüber anderen Studiengängen zu steigern trug zum Reformentschluss bei.
Die Entscheidung Mecklenburg-Vorpommerns, die "alten" Abschlüsse gleichrangig zu Bachelor und Master zu vergeben, stieß nicht nur im Kreise der Länder auf Unverständnis. Auch die deutsche Wirtschaft zeigte sich skeptisch. Die Rückkehr zu verschiedenen, parallel existierenden Abschlüssen bewerteten sie als "Rückkehr zum Flickenteppich der Qualifikationen". Zudem muss in der kommenden Zeit bewertet werden, ob sich mehr Studienanfänger für einen Studiengang mit Diplomgrad oder für einen vergleichbaren Masterabschluss entscheiden. Den Zahlen des statistischen Landesamtes von Mecklenburg-Vorpommern ist zu entnehmen, dass die Zahl der Studienanfänger, die einen Diplomabschluss anstreben in den vergangenen drei Jahren abgenommen hat, während die Zahl der Studienanfänger, die einen Master anstreben zugenommen hat. Die weiteren Entwicklungen wird die Landesregierung entsprechend kritisch verfolgen.
Ich war und bin noch immer der Auffassung, dass weder der Diplomabschluss noch der BA/MA-Abschluss aus sich heraus besser oder schlechter ist. Es kommt auf die Qualität an. Die Umstellung zu BA/MA-Abschlüssen ist weder Qualitätsgewinn noch -verlust. Und die Rückkehr zur Abschlussbezeichnung Diplom auch nicht.
Wenn nun Hochschulen der Auffassung sind (und mindestens die TU9 sind es), dass sie den Diplomgrad im Zeugnis mit angeben wollen, dann sehe ich das ehrlich gesagt ziemlich leidenschaftslos. Wir werden künftig neben den schulischen Abschlüssen auch noch die DQR/EQR-Stufe auf den Zeugnissen vermerken - also ebenfalls einen nationale Abschlussbezeichnung und die den europäischen Regeln der Vergleichbarkeit entsprechende Kompetenzbezeichnung. Grundsätzlich sollte das auch bei Hochschulabschlüssen möglich sein.
Das ändert aber nichts daran, dass die Bologna-Reform mit dem System der europäischen Vergleichbarkeit und der gestuften Studienstruktur unzweifelhaft bleibt. Etwas anderes wollen auch die Technischen Universitäten nicht, die für "ihren" Diplom-Ingenieur kämpfen. Denn nach über 10 Jahren fällt die Bilanz der Reform ganz überwiegend positiv aus.
Soweit in aller gebotenen Kürze. Für weitere Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung - auch direkt über mein Büro.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Rabanus, MdB