Frage an Martin Häusling von Wolfgang R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Häusling,
in der ARD wurde am 3.9.12 die Sendung “ Exclusiv im Ersten: Wie billig kann Bio sein?“ ausgestrahlt.
Wenn die dort gezeigten Bilder von der Tierhaltung in der Bio-Produktion tatsächlich mit den EU-Normen im Einklang sind, bin ich und nicht nur ich, zu tiefst erschüttert und enttäuscht von der Politik. Ich war der Meinung, mit dem Kauf von Bio-Produkten, auch im Supermarkt, etwas Gutes für die Tiere zu tun. Dem Bericht zu Folge ist aber kein Unterschied zur traditionellen Tierhaltung zu erkennen, nur der Preis ist höher. Ich empfinde das als Verbrauchertäuschung. Wie sehen Sie das? Erkennen Sie dort eine Notwendigkeit die Vorschriften, die so etwas ermöglichen, zu ändern?
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Frage zur Sendung "Wie billig kann Bio sein?". Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie -wie viele andere Menschen auch- schockiert sind über die gezeigten Bilder. Um es ganz klar zu sagen: es handelt sich nicht um ordnungsgemäße Bio-Produktion. Leider gibt es überall wo Geld zu verdienen ist auch schwarze Schafe. In der Regel geht es Tieren in korrekt geführten Bio-Betrieben tatsächlich deutlich besser, als Tieren in konventioneller Haltung.
So hat zum Beispiel ein konventionell gehaltenes Schwein von bis zu 110 kg nur 0,75 m2 Platz im Stall. Damit hätten Sie in Ihrem Einzelbett mehr als zwei große Mastschweine liegen. Im Biobetrieb hat ein solches Schwein 1,30 m2 Platz, also deutlich mehr. Zudem ist so oft wie möglich Auslauf vorgeschrieben. Für ein Schwein bis 110 kg wird in der Öko-Verordnung hierfür noch mal ein Quadratmeter pro Tier veranschlagt. Auch, wenn der Auslauf je nach Wetterlage eingeschränkt werden kann, ist das doch unvergleichbar besser gegenüber Schweinen in konventionellen Betrieben, die niemals Auslauf oder Kontakt zur Außenwelt haben. Und während Schweine in konventionellen Betrieben auf nackten Spaltenböden stehen, ist für Biotiere trockene Einstreu und für Schweine Wühlmaterial vorgeschrieben. Das macht noch einmal deutlich, dass es sich bei der gezeigten Schweinehaltung nicht um ordnungsgemäße Biohaltung handelt.
Aber natürlich ist auch richtig, dass der Einstieg der großen Lebensmittelketten die Bio-Produktion geändert hat. Inzwischen gibt es viele Investoren die Bio produzieren, weil sich damit Geld machen lässt. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange die Bio-Standards eingehalten werden. Doch klar ist auch, solche Betriebe werden schneller mal eine Vorgabe der EU-Ökoverordnung dehnen oder umgehen als Biobauern, die aus tiefster Überzeugung ökologisch produzieren. Meist ist den Käufern auch nicht klar, dass es teilweise Unterschiede zwischen EU-Bio (mit dem sechseckigen Siegel bzw. dem grünen Blatt) und den Bio-Anbauverbänden wie Demeter oder Bioland gibt. So dürfen Betriebe die nach der EU-Ökoverordnung wirtschaften z.B. auch konventionelle Betriebsteile haben, bei den Anbauverbänden ist das nicht möglich.
Trotzdem gibt es ganz klar auch bei der Biohaltung tatsächlich Probleme die wir angehen müssen. Dazu gehört insbesondere die Größe von Ställen und Herden bei der Geflügelhaltung. So darf z.B. nach der EU-Ökoverordnung eine Legehennenherde bis zu 3000 Hennen umfassen - sehr viel für Tiere, die deutlich weniger Artgenossen erkennen und sich merken können. Das führt zu Stress im Hühnerstall. Hier muss nachgebessert werden. Um Zustände wie in den von der ARD gezeigten Schweineställen zu verhindern, muss ganz offenbar auch bei den Kontrollen nachgebessert werden, auch wenn Ökobetriebe bereits jetzt häufiger kontrolliert werden als konventionelle Betriebe.
Rechtliche Vorgaben auf EU-Ebene haben immer zwei Seiten: Zum einen bedeuten sie immer den kleinsten gemeinsamen Nenner auf den sich alle EU-Mitgliedstaaten einigen können, manchmal kann das enttäuschend sein. Auf der anderen Seite bedeuten sie auch eine Verbesserung der Standards in jenen Ländern, die eben noch nicht so weit sind. Wenn in zwei Jahren der Bericht der Kommission über die EU-Ökoverordnung fällig ist, gibt es eine reale Chance Verbesserungen einzubringen, das werden wir Grüne natürlich auch nach Kräften tun.
Von vielen Seiten wird nun ganz pauschal gegen Bio geschimpft. Das wird den allermeisten sehr engagierten Biobetrieben nicht gerecht, ich spreche hier auch als selbst als Biobauer. Daher möchte ich Sie ganz eindrücklich bitten, kaufen Sie weiterhin Bio- oder Neuland-Produkte, am besten aus der Region. Bio ist ganz klar nicht nur besser für die Tiere, sondern auch für Natur und Umwelt. Schauen Sie sich doch einfach bei sich in Ihrer Region um, viele Anbauverbände laden VerbraucherInnen ausdrücklich ein, sich ihre Bio-Betriebe und die Tierhaltung vor Ort anzusehen. Oder Sie können Produkte direkt dort im Hofladen kaufen und bei dieser Gelegenheit auch einen Blick auf die Tierhaltung werfen. Wer seinen Hof und Stall den BesucherInnen öffnet, hat mit Sicherheit auch nichts zu verbergen.
Herzliche Grüße,
Martin Häusling