Welche Gründe sprechen gegen Ihre Zustimmung für die Schaffung der europäischen Ethikbehörde?
Sie und die deutsche Unionsfraktion in der EVP haben ja komplett dagegen gestimmt
Sehr geehrter Herr Musch,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich den Initiativbericht zur Schaffung einer neuen Ethikbehörde nicht abgelehnt habe, sondern mich meiner Stimme enthalten habe. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Gruppe haben wir uns zur Enthaltung entschlossen, da wir die Initiative, die Transparenz politischer Prozesse zu erhöhen, klar unterstützen, allerdings die Art und Weise, wie der Berichterstatter dies tun möchte, ebenso klar ablehnen.
Gerne erläutere ich, warum wir den Vorschlag so kritisch sehen: Die Ethik-Behörde in der vorgeschlagenen Form verletzt essentielle Prinzipien der Gewaltenteilung und wäre damit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht in einem. Die Ethik-Behörde soll gleichzeitig ermitteln, einen Vorwurf feststellen, über Empfehlungen für Sanktionen entscheiden und diese Empfehlungen veröffentlichen. Dazu werden weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten gefordert, die in einem Rechtsstaat eines richterlichen Beschlusses bedürfen, hier allerdings ohne weitere Hürde vorgesehen wären. Das Europäische Parlament kann nicht einerseits Polen und Ungarn aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit maßregeln und gleichzeitig selbst das Prinzip der Gewaltenteilung in den EU-Institutionen missachten.
Das Europäische Parlament verfügt bereits heute über weltweit ausgezeichnete Transparenzregeln. Wir Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe stehen jeder weiteren Optimierung offen gegenüber. Wir bedauern jedoch, dass der Berichterstatter im vorliegenden Bericht und in seinen öffentlichen Stellungnahmen durch irreführende oder falsche Behauptungen und durch fehlleitende Aneinanderreihung von Umständen ein realitätsfernes Zerrbild der tatsächlichen Gegebenheiten und des notwendigen Handlungsbedarfs erzeugt. Er beschädigt damit das Vertrauen in die Institution, das er erhöhen zu wollen vorgibt.
Mit dem Bericht wird das freie Mandat stigmatisiert und damit das Ansehen des Parlaments und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die repräsentative Demokratie beschädigt. Zudem wird ein historisch erkämpftes Recht des Parlaments, nämlich die politische Kontrolle und die Hoheit über den Prozess der Einsetzung der Kommissarsanwärter, aufgegeben. Dies kann weder im Interesse des Parlamentarismus noch im Sinne der Unionsbürgerinnen und -bürger sein. Wir werden uns weiterhin allen Versuchen widersetzen, Regeln zu etablieren, die das freie Mandat beeinträchtigen und unabhängigen Parlamentarismus gefährden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP