Warum sollte das mit fossilen Brennstoffen verbundene Stranding-Risiko Ihrer Meinung nach nicht genauso behandelt werden wie andere hohe Risiken unter Solvency II?
Der Eins-zu-Eins-Vorschlag führt nicht zu einer Verringerung des Kapitals für grüne Investitionen und ist risikobasiert. Er basiert auf der Tatsache, dass bei der Umsetzung der Klimaziele der EU die Gefahr besteht, dass Investitionen in fossile Brennstoffe an Wert verlieren, ”stranden” werden. EIOPA, die EZB, die Europäische Kommission und die IAIS sind sich einig, dass das Klima Risiko und das Stranding-Risiko wesentliche finanzielle Risiken darstellen. Warum sollte das mit fossilen Brennstoffen verbundene Stranding-Risiko Ihrer Meinung nach nicht genauso behandelt werden wie andere hohe Risiken unter Solvency II?
Sehr geehrte Frau C.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur Idee einer hundertprozentigen Eigenkapitalunterlegung von Investitionen in fossile Brennstoffe („One-for-One-Rule“) für Versicherungsunternehmen.
Zunächst seit vorausgeschickt, dass ein solcher Vorschlag nicht zur Abstimmung steht. Weder die Europäische Kommission noch die Europäische Versicherungsaufsicht haben einen solchen Ansatz vorgeschlagen oder befürwortet.
Die Idee einer hundertprozentigen Eigenkapitalunterlegung von Investitionen in fossile Brennstoffe geht von der Prämisse aus, dass bereits jetzt die Ausfallwahrscheinlichkeit dieser Investitionen enorm ist. Angesichts der Tatsache, dass unsere selbstgesteckten Klimaziele erst eine Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 vorsehen, ist diese Prämisse zu pauschal. Im Jahr 2049 ein neues Kohlekraftwerk zu finanzieren, wäre sicherlich keine gute Idee (wobei der Bauherr dafür sicherlich auch keine Lizenz mehr bekommen würde). Das gleiche gilt aber nicht für den Betreiber eines Gaskraftwerkes, der heute seine Infrastruktur modernisieren möchte, um in Zukunft auch Wasserstoff verbrennen zu können. Man muss schon ein wenig genauer auf die Laufzeiten eines Investments und die Details des jeweiligen Projekts schauen. Insgesamt müssen wir hier deutlich differenzierter vorgehen, als es die „One-for-One-Rule“ suggeriert. Ich glaube, dass die derzeitigen Risikomodelle von Versicherungsunternehmen in dieser Hinsicht bereits hinreichend risikosensitiv sind.
Nichtsdestoweniger schaut sich die europäische Versicherungsaufsicht derzeit an, ob in diesem Zusammenhang noch weitere Maßnahmen angebracht wären (s. hier: https://www.eiopa.europa.eu/eiopa-outlines-approaches-assess-prudential-treatment-insurers-sustainable-assets-and-activities-2022-12-05_en). Im Sinne evidenzbasierter Regelsetzung sollten wir den Ergebnissen dieser Analyse nicht vorweggreifen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP