Frage an Markus Ferber von Manfred H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ferber,
nachdem Irland nun mit Nein für den EU-Vertrag gestimmt hat, sagt das Gesetz, dass der EU-Vertrag nichtig ist. Jetzt höre und lese ich aber, dass einige Politiker in Deutschland und in anderen EU-Ländern sich einfach über dieses Gesetz hinwegsetzen wollen und den Vertrag auch ohne Irland ratifizieren wollen. Das gibt erstens ein schlechtes Vorbild, denn jeder muss sich an Gesetze halten und zweitens ist dieses Verhalten zutiefst undemokratisch. Für den einfachen Bürger sieht es so aus, als würden die Regierenden ihre Ziele um jeden Preis durchsetzen wollen und da wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen nicht einmal auf ein Referendum also auf Volkes Stimme. Da fragt sich der interessierte Bürger, so wie ich auch, welche Ziele sind so wichtig, dass sie mit aller Macht durchgeprügelt werden müssen? In der ARD gab es mal einen Beitrag (ich glaub es war in Panorama) da wurden einige Bundestagsabgeordnete nach dem Inhalt des EU-Vertrages gefragt, die Antworten waren für Menschen die über den EU-Vertrag abstimmen sollten nicht sehr Vertrauen erweckend. Und wie Sie wissen haben alle Bundestagsabgeordnete, ausser die der Linken, den EU-Vertrag durchgewinkt, ohne ihn zu kennen. Schon dieser Umstand hat mein Vertrauen in die Demokratie in den Grundfesten erschüttert. Jetzt wird auch noch Volkes Stimme, natürlich in den schönsten Sätzen, ignoriert und dass hat mit Demokratie rein gar nichts mehr zu tun. Wo doch unsere Kanzlerin so gerne über Demokratie spricht.
Daher meine Anfrage an Sie:
Welche wahren Ziele werden mit dem EU-Vertrag verfolgt?
Was kann ich tun, dass die Regierenden sich an geltende Gesetze halten?
Und bitte ergehen Sie sich nicht in Floskeln und leeren Worthülsen, davon habe ich schon mehr als genug gehört und gelesen. Es wird Zeit, dass die Regierung mal anfängt die Wahrheit auf den Tisch zu legen und Sie haben die allerbeste Gelegenheit hier und heute gleich damit anzufangen.
Manfred Hätzel
Sehr geehrter Herr Hätzel,
zu Ihrer Frage auf Abgeordnetenwatch zum Referendum in Irland nehme ich natürlich sehr gerne Stellung und danke Ihnen vielmals, da Sie damit ein hochaktuelles Thema ansprechen.
Das europäische Recht sieht vor (vgl. Art. 48 EUV), dass der europäische Grundlagenvertrag vor Inkrafttreten in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, gemäß den entsprechenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Wie Sie auch meiner Antwort an Herrn Klimpel entnehmen können, ist für Deutschland im Grundgesetz eine Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat vorgesehen. Folglich schreiben die Mitgliedstaaten die Ratifizierung vor und dementsprechend obliegt es auch Ihnen, für die entsprechende Öffentlichkeit und Aufklärung zu sorgen.
Der Ausgang des Referendums in Irland beunruhigt uns natürlich, ist er doch zum einen Zeichen einer europaskeptischen Haltung. Zum anderen hat die Debatte in Irland aber auch gezeigt, dass von vielen die Abstimmung nicht als Entscheidung über die Zukunft Europas angesehen wurde, sondern eher innenpolitische Gründe im Vordergrund standen. Daher bin auch ich der Meinung, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt werden muss, jedoch nicht unter Missachtung der irischen Entscheidung. Vielmehr muss ein für alle gangbarer Weg gefunden werden, das Ziel des Vertrags von Lissabon zu realisieren. Mit diesem Thema wird sich der Europäische Rat Ende dieser Woche auseinandersetzen.
Denn der Vertrag von Lissabon ist ein Vertrag souveräner Staaten, dessen Ziel keine Vereinheitlichung bestimmter Politikbereiche ist, sondern mit ihm soll es gelingen, die EU transparenter, effizienter und demokratischer zu machen. Es ist klar geregelt, auf welchen Politikfeldern die Europäische Union aktiv werden darf. Entscheidungen werden grundsätzlich nach dem Subsidiaritätsprinzip, und damit so nah an den Bürgern wie möglich, gefällt. Die Kompetenzerweiterung des Europäischen Parlaments, etwa im Bereich Agrarpolitik, sorgt zudem für mehr Vertrauen bei den Bürgern. Durch die Verkleinerung der Europäische Kommission sowie der Tatsache, dass im Ministerrat Entscheidungen künftig öfters mit qualifizierter Mehrheit fallen sollen, wird die Arbeit auch in den anderen europäischen Institutionen effizienter. Es geht nicht darum, neue Kompetenzen auf europäischer Ebene anzusiedeln, sondern darum, dass die EU mit ihren Institutionen in wichtigen Fragen auch nach der letzten Erweiterung handlungsfähig bleibt.
Das Projekt der Europäischen Union ist meiner Ansicht nach politisch und wirtschaftlich alternativlos, muss aber jetzt auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren und gleichzeitig die Nähe zu den Bürgern wahren. Daher kann eine Reduzierung der Mitgliedstaaten auf ein kleineres Kerneuropa, wie es derzeit häufiger diskutiert wird, nicht unser Anliegen sein. Hier stellt sich doch schon allein die Frage, wo die Grenzen zu ziehen sind - bei der jetzigen Eurozone?
Ich hoffe sehr, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP