Frage an Markus Ferber von Gerhard K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Die EU-Entscheidung der "Iren" zeigt uns anderen 26 EU-Staaten, das es nur in Irland eine "Bürgerdemokratie" gibt. Es ist gelinde gesagt eine Unverschämtheit uns EU-Bürger als unmündig hinzustellen und weitgehend im unklaren zu lassen worum es hier eigentlich geht,nur weil einige durchgeknallte Politiker meinen-"was in Europa geschieht bestimmen wir und nicht das Volk"-. Frage:Wie lange glauben Sie uns Bürger weiterhin von der Mitbestimmung in Europa ausschließen zu können?
Sehr geehrter Herr Klimpel,
für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch im Zusammenhang mit dem Referendum zum Vertrag von Lissabon in Irland danke ich Ihnen herzlich, da Sie damit ein hochaktuelles Thema ansprechen. Sehr gerne möchte ich hierzu Stellung nehmen.
Wir Europaabgeordneten verfolgen keineswegs das Ziel, den EU-Bürger, wie Sie es formulieren, als "unmündig" hinzustellen und von der Mitbestimmung in entscheidenden Fragen auszuschließen. Wie ich Ihnen bereits auf Ihre Frage vom 21. September 2007 deutlich gemacht habe, befürworte ich durchaus ein europaweites Referendum über das europäische Vertragswerk, da es nicht nur dessen Legitimität erhöhen, sondern gleichzeitig der derzeitigen Europaskepsis, die sich ja auch im negativen Referendum in Irland niederschlägt, entgegenwirken würde.
Allerdings sieht das europäische Recht kein europaweites Referendum vor. Der Vertrag von Lissabon muss nach den jeweiligen Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts ratifiziert werden (vgl. dazu Art. 48 EUV), womit folglich auch jeder Mitgliedstaat die Ratifizierung des Vertrags verweigern kann.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist dementsprechend für Angelegenheiten die Europäische Union betreffend (vgl. Art. 23 und 79 GG) kein Referendum vorgesehen. Über den EU-Grundlagenvertrag entscheiden vielmehr Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit über Annahme bzw. Ablehnung, wie es auch am 23. Mai 2008 der Fall war. In anderen EU-Mitgliedstaaten gestalten sich diese verfassungsrechtlichen Vorgaben anders und variieren teilweise sehr stark voneinander - so ist in Irland eine Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon verpflichtend vorgeschrieben gewesen. Die Vorgaben über den Ratifizierungsprozess sind folglich ausschließlich auf nationaler Ebene geregelt und von EU-Seite kann eine derartige Änderung bzw. Vereinheitlichung der nationalen Verfassungen nicht vorgegeben werden. Der Vertrag von Lissabon ist ein Vertrag souveräner Staaten, den sich diese auf die ihnen am besten erscheinende Art und Weise geben, sprich ratifizieren.
Den negativen Ausgang des irischen Referendums bedauere ich natürlich sehr, ich nehme ihn aber auch sehr ernst. Er muss uns zu denken geben, ist er doch ein deutliches Zeichen für die immer noch sehr weit verbreitete Europaskepsis und die Verunsicherung der Menschen gegenüber der Europäischen Union. Im Hinwirken auf ein positives Bild von der EU besteht von unserer Seite noch großer Handlungsbedarf, wobei meiner Ansicht nach zunächst die derzeitige Erweiterungspolitik gestoppt werden muss, da keine neuen Staaten aufgenommen werden können, so lange die Zukunft und der Zusammenhalt der EU-27 unklar ist. Wir müssen erst in uns stark und kohärent werden. Dennoch ist am Ziel einer demokratischeren, transparenteren und handlungsfähigeren Union absolut festzuhalten, weshalb ich den Vertrag von Lissabon nach wie vor uneingeschränkt unterstütze. Denn die Kooperation einiger EU-Staaten in einem kleinen Kerneuropa kann nicht in unserem Interesse sein.
Ich hoffe sehr, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP