Frage an Markus Ferber von Stefan U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo, Herr Ferber!
Als Mitglied Ihres Fachausschusses "Europapolitik" möchte ich Sie heute um Ihre Meinung zu folgenden Punkten/Fragen bitten:
1. Am 11.09.07 wurde eine von friedlichen europäischen Bürgern geplante Demonstration "gegen die Islamisierung Europas" in Brüssel verboten bzw. gewaltsam aufgelöst (Abschlussbericht hierzu unter www.politicallyincorrect.de einsehbar). Welches europäische Recht erlaubte dem sozialistischen Bürgermeister von Brüssel eine derartige Einschränkung der gesetzlich garantierten Meinungsfreiheit bzw. ein gewaltsames Vorgehen gegen friedlich demonstrierende und zum Teil GEWÄHLTE EU-Parlamentarierer? Und weshalb schweigt das Europäische Parlament bis heute zu diesen skandalösen Vorgängen?
2. Gestern war im Rundfunk zu hören, die EU-Kommission plane online-Durchsuchungen bei ALLEN Internet-Rezipienten, welche Schlagworte wie "Bombe", "Terrorismus" und "Völkermord" virtuell aufsuchen. Wie ist dies mit europäischer Rechtslage (Datenschutz) vereinbar, zumal KAUM Jihadisten diese Begriffe aufsuchen werden, wenn sie einen Anschlag planen, sondern vielmehr Islam-KRITIKER, die sich informieren möchten? Handelt es sich hier nicht eher um ein Überwachen und "Aussortieren" von "Islamophoben"?
Wie ist Ihre persönliche Position zu diesen Vorhaben?
Mit freundlichen Grüßen,
S. Ullrich
Sehr geehrter Herr Ullrich,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir über Abgeordnetenwatch übermittelt worden ist.
Frage 1: Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Demonstrationsrecht richten sich nach dem Ordnungsrecht jedes einzelnen Mitgliedslandes. Gesonderte europarechtliche Vorgaben für das ordnungsrechtliche Vorgehen der Behörden oder der Polizei gibt es nicht. Die Einschätzung darüber, ob ein Handeln einer Behörde in einem Mitgliedsstaat rechtmäßig ist, obliegt allein den Gerichten.
Die von Ihnen angesprochene Demonstration war eine nicht genehmigte Kundgebung. Das durch die Stadt Brüssel ausgesprochene Verbot ist von den Organisatoren mit rechtsstaatlichen Mitteln auf gerichtlichem Wege überprüft worden.
Das Verbot wurde damit begründet, dass massive Ausschreitungen befürchtet worden sind, die auch von Demonstrationsgegnern angekündigt worden sind.
Frage 2: Auf europ. Ebene gibt es einen Rahmenbeschluss zum Datenschutz, der sich auf alle Fragen der 1. Säule bezieht.
Einer der Hauptkritikpunkte des Europäischen Parlamentes war immer, dass es auch und gerade für Maßnahmen in der 3. Säule (dort laufen z.B. und u.a. die europ. Antiterrormaßnahmen) entsprechende datenschutzrechtliche Bestimmungen geben muss. Die Vertreter der Mitgliedstaaten haben im Rat bisher immer auf die nachgelagerten mitgliedstaatlichen Datenschutzregelungen verwiesen, die bisher auf Maßnahmen der 3. Säule Anwendung gefunden haben. Ein datenschutzrechtlicher Rahmen war also stets gegeben; die Maßnahmen standen also nie im datenschutzrechtlich rechtsfreien Raum.
Unter deutscher Ratspräsidentschaft ist es in diesem Jahr gelungen, einen "Rahmenbeschluss zum Datenschutz für Maßnahmen in der 3. Säule" auf den Weg zu bringen, so dass zukünftig datenschutzrechtlich in diesem Bereich neben den mitgliedstaatlichen Vorkehrungen auch ein europ. Schutzrahmen besteht.
Was nun die Frattini-Vorschläge zu Online-Durchsuchungen anbelangt, so bestehen meiner Ansicht nach keine ernsthaften Zweifel daran, dass Online-Durchsuchungen im Antiterrorkampf notwendig und erfolgreich sind. Vizepräsident Frattini geht es bei seinen aktuellen Vorschlägen in Antiterrorkampf diesbezüglich vor allem darum, mit Hilfe der Online-Durchsuchungen Internet Seiten ausfindig zu machen,
1) die konkrete Anleitungen zum Bau von Bomben und Sprengsätzen enthalten, die sich mit herkömmlichen, überall erhältlichen Chemikalien herstellen lassen;
2) die in rechtswidriger Weise zu Hass und Gewalt aufrufen
3) diese Seiten sollen entweder (nach mitgliedstaatlichem Recht) "blockiert" oder aber zumindest "ge-highlighted" werden.
Auf eben die Frage, die Sie stellen, hat Vizepräsident Frattini am 25.09. anläßlich eines Treffens mit dem Innenausschusses des Europäischen Parlaments geantwortet, dass er seine Internet-Vorschläge bezüglich dem Antiterrorkampf in Sinn verstanden wissen möchte, wie die entsprechenden europäische Maßnahmen, die es im Internet gegen Kinderschänder und Kinderpornographie gibt. Keinesfalls sollen herkömmliche Seiten (die z.B. über Bomben allgemein, im historischen Sinn oder technisch-vergleichend informieren) von etwaigen Maßnahmen betroffen sein. Die Vermutung, mit den Maßnahmen sollen Islamkritiker ausfindig gemacht werden, wäre eine gefährliche Verdrehung ins Gegenteil dessen, was tatsächlich geplant und auch tatsächlich notwendig, geeignet und verhältnismäßig ist.
Grundsätzlich begrüsse ich das von Vizepräsident Frattini vorgelegte Antiterrorpaket, welches neben den Internetvorschlägen noch
1) eine "best practice" Analyse der einzelnen mitgliedstaatlichen Antiterrormaßnahmen,
2) ein Bericht zur Radikalisierung in und außerhalb Europas,
3) einen Aktionsplan zur Erfassung geklauter bzw. verschwundener Sprengstoffe enthält.
Es versteht sich dabei von selbst, dass unsere oberste Priorität auch im Antiterrorkampf auf der Achtung der Grundrechte und -freiheiten sowie auf der Subsidiarität (soweit einschlägig) liegt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüssen
Markus Ferber, MdEP