Frage an Markus Ferber von Zsolt S. bezüglich Finanzen
Im aktuellen Korruptionsindex von Transparency International steht Ungarn an drittletzter Stelle unter den EU-Mitgliedsstaaten. Profiteure sind insbesondere Personen mit engen Beziehungen zu Viktor Orbán. Die Zeche zahlen auch die europäische Steuerzahler – und finanzieren so dessen antidemokratische Herrschaft und antieuropäische Kampagnen mit.
In 2017 erhielt Ungarn 4,05 Mrd. Euro aus dem EU-Haushalt – etwa 3,4% des BIP. Ca. 60% der Finanzierung der öffentlichen Ausschreibungen kommen derzeit von der EU. Die meisten öffentlichen Investitionen wären ohne europäische Beteiligung nicht denkbar. Doch statt Ungarn wettbewerbsfähiger zu machen versickert das Geld in Orbáns Vetternwirtschaft und festigt somit die Übermacht der Fidesz-Partei.
Laut des Corruption Research Centers Budapest konnten Geschäftsleute, die Orbán nahestehen, zwischen 2010-16 etwa 13-mal so umfangreiche Staatsaufträge gewinnen, wie ihre Konkurrenz. Die EU-Korruptionsbehörde OLAF fand bei den Projekten, die 2011-15 von ungarischen Kommunen an Orbáns Schwiegersohn vergeben worden sind, in allen Fällen Unregelmäßigkeiten und Hinweise auf systematische Manipulation der Vergabekriterien. In Ungarn kein Einzelfall: Bei etwa einem Drittel der öffentlichen Aufträge gibt es nur einen Bieter. Die Angebote sind oft zu einem vielfachen der marktüblichen Preise kalkuliert. Die Europäische Kommission selbst stellte bei der Überprüfung von 29 Großprojekten, die in Ungarn zwischen 2015-17 mit EU-Mitteln finanziert worden sind, in 25 Fällen schwerwiegende Verstöße fest.
Soll die EU weiterhin die Herrschaft eines Regimes mitfinanzieren, das sich hartnäckig gegen europäische Werte stellt? Oder sollten bei Verstößen gegen rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien diesem Mitgliedstaat die EU-Fördermittel gekürzt werden? Wie ließe sich so ein Instrument umsetzen, ohne dass es zum Papiertiger verkommt? Ist es möglich damit die Regierung zu sanktionieren aber nicht gleichzeitig die Menschen in Ungarn mit zu strafen?
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 16. Mai zum Thema Korruption und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn.
Korruption und Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit schwächen das Vertrauen in staatliche Institutionen, hemmen die wirtschaftliche Entwicklung und führen zu einer Verschwendung öffentlicher Mittel. Wenn dies in einem EU-Mitgliedstaat passiert, wirft das darüber hinaus auch kein gutes Licht auf die Europäische Union selbst. Deswegen müssen der Schutz und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zentrale Ziele der Europäischen Union sein.
Leider haben wir in einigen EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen Monaten und Jahren erhebliche Rückschritte im Bereich Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit gesehen. Deswegen müssen wir meines Erachtens definitiv darüber nachdenken, wie wir diese beunruhigende Entwicklung umkehren können. Die derzeitigen Prozesse rund um Vertragsverletzungsverfahren und das Artikel-7-Verfahren haben sich in vielen Fällen als zu langwierig und zu politisiert herausgestellt, um kurzfristig Wirkung zu zeigen.
Wir müssen daher einen Mechanismus schaffen, der es der Europäischen Union erlaubt, bei systematischen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit künftig deutlich robuster vorzugehen. Wenn Mitgliedstaaten die Rechtsstaatlichkeit permanent missachten, muss das Stimmrecht entzogen werden und EU-Fördermittel müssen gestrichen werden. Das ist am Ende die einzige Sprache, die von den Regierungen in Ländern, die die Rechtstaatlichkeit unterminieren, verstanden wird. Um Blockademöglichkeiten zu vermeiden, dürfen Entscheidungen in solchen Verfahren nicht einstimmig gefällt werden. Stattdessen wäre eine Entscheidungsfindung mit qualifizierter Mehrheit angebracht.
Ich halte die Arbeiten an einem wirksamen und zielgerichteten Rechtstaatlichkeitsmechanismus für eine wichtige Priorität der kommenden Legislaturperiode und darf Ihnen versichern, dass ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten konstruktiv in diesen Prozess einbringen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP