Frage an Markus Ferber von Helmut H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Ferber,
seit Jahren führt die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank dazu, dass meine Ersparnisse langsam aber stetig an Wert verlieren. Dies nimmt die EZB nicht nur in Kauf, sondern befördert es sogar, indem sie ein Inflationsziel von 2 % ansteuert und gleichzeitig die Zinsen niedrig hält. Ich werde also vorsätzlich geschädigt. Meine durch Konsumverzicht mühsam erzielten Ersparniss zerrinnen mir förmlich unter den Fingern. Warum sollte ich also bei der Europawahl eine europafreundliche Partei wählen? Nur damit einige Länder der Eurozone weiterhin billig Schulden machen und das aufgenommene Geld konsumieren statt investieren können? Können Sie nachvollziehen, dass die Versuchung groß ist, meine Stimme einer europakritischen Partei zu geben, selbst wenn ich deren übrige Positionen nicht teile?
Mit freundlichen Grüßen
H. H.
Sehr geehrter Herr H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Ich teile Ihre kritische Einschätzung des geldpolitischen Kurses der Europäischen Zentralbank. Angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft in der Eurozone bereits seit einigen Quartalen in Folge wächst und mit der lockeren Geldpolitik der EZB beachtliche Nebenwirkungen einhergehen, ist eine Zinswende meines Erachtens längst überfällig.
Allerdings ist die EZB im Rahmen ihres Mandats hinsichtlich geldpolitischer Entscheidungen politisch unabhängig und nicht an Weisungen des Parlaments oder der Regierungen gebunden. Das war übrigens eine Forderung, für die sich insbesondere die deutsche Bundesregierung aus gutem Grund eingesetzt hat.
Deswegen ist es die beste Strategie, öffentlichen Druck auf die EZB aufzubauen und Rechenschaft hinsichtlich der geldpolitischen Entscheidungen einzufordern. Ich darf Ihnen versichern, dass ich dies im Rahmen des regelmäßigen geldpolitischen Dialogs, den der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments mit dem Präsidenten der EZB pflegt, tue.
Fakt ist, dass sich die wirtschaftlichen Probleme in der EU und in der Eurozone nicht über eine lockere Geldpolitik lösen lassen werden, sondern nur über mitunter harte und unbequeme Strukturreformen. Was Investitionen und Wirtschaftswachstum wirklich zurückhält, sind notleidende Krediten in den Bankensektoren vieler Mitgliedstaaten, Bürokratie und ein regulatorisches Umfeld, welches Investitionen erschwert statt erleichtert. Wirtschaftswachstum lässt sich am Ende nicht mittels Geldpolitik ankurbeln.
Wir müssen also beim Thema Strukturreformen ansetzen. Ich setze mich deshalb schon seit langem dafür ein, dass wir beispielsweise im Europäischen Semester zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu einem verbindlicheren Reformprozess kommen, der an den wirklich entscheidenden Stellen ansetzt und die Mitgliedstaaten einerseits auf verbindliche und wirkungsvolle Reformen verpflichtet und andererseits eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik durchsetzt. Wenn wir in der Eurozone zu einem robusten Wirtschaftswachstum und sinkenden Schuldenständen kommen, gibt es nämlich auch für die Europäische Zentralbank keinen Vorwand für eine ultralockere Geldpolitik mehr.
Ich darf Ihnen in jedem Fall versichern, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten die Geldpolitik der EZB weiterhin kritisch begleiten werde.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Markus Ferber, MdEP