Frage an Markus Ferber von Wolfgang M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ferber,
am 1. Juli diesen Jahres trat in Spanien ein sogenanntes "Gesetz zum Schutz der Bürger " in Kraft:
Die Teilnahme an einer spontanen Demonstration kosten bis zu 1000 Euro.
Der Aufruf zu einem solchem Protest via sozialen Netzwerk kostet ebenfalls bis zu 1000 Euro. Kommt es zu Ausschreitungen bei dieser Demonstration kostet dies bis zu 30.000 Euro. Wer sich nicht ausweisen will oder passiven Widerstand bei einer Räumung zeigt, dem kostet dies ebenfalls 30.000 Euro.
Das Demonstrieren in der Nähe der Regierungsgebäude kostet bis zu 600.000 Euro. Das Fotografieren - auch rechtswidriger Aktionen - von Polizisten ist bei Strafe verboten. Subjektiv Respektloses Behandeln von Polizisten kostet 600 Euro. Eine einfache Auflösung jeder friedlichen Demonstration ist durch die Polizei unkompliziert möglich. Das Verbreiten einer Demonstration via sozialem Netzwerk ist strafbar.
Ist in ihren Augen dieses Gesetz noch mit einem demokratischen Gemeinwesen vereinbar? (bitte ausführliche Begründung)
Wenn nein, welche Initiativen haben Sie oder ihre Kollegen der EVP aus Deutschland ergriffen, um ihre spanische Schwesterpartei davon abzuhalten bzw. dies zu revidieren?
Wenn ja, unter welchen Umständen würden Sie dieses Gesetz auch in Deutschland befürworten?
Mit freundlichen Grüßen
W. M.
Sehr geehrter Herr M.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen hinsichtlich des spanischen Gesetzes "Ley de Seguridad Ciudadana".
Das Gesetz wurde nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet und ersetzt das sogenannte "Corcuera Act"-Gesetz aus dem Jahr 1992. Ziel der Reform des Gesetzes ist der Schutz der öffentlichen Sicherheit in Spanien.
Im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes ist es in Spanien zu einer großen öffentlichen Diskussion über das Gesetz gekommen, besonders von extrem linksgerichteten Kräften ist Kritik an dem Vorhaben von Ministerpräsident Rajoy geübt worden.
Zuerst möchte ich klarstellen, dass das Recht auf Versammlung das Grundrecht eines jeden Bürgers ist, dies ist auch in der Europäischen Grundrechtecharta festgeschrieben. Dieses Grundrecht muss in der Europäischen Union gewährleistet sein, eine Einschränkung des Versammlungsrechts ist nur in Ausnahmefällen möglich, darüber ist sich auch die EVP-Fraktion einig.
In Folge der Krise ist es in Spanien zu einem deutlichen Anstieg öffentlichen Protests gekommen, die Menschen zeigen ihre Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Diese Unzufriedenheit kann ich nachvollziehen und ich spreche mich ausdrücklich dafür aus, dass die spanischen Bürger ihrem Unmut mit Demonstrationen Ausdruck verleihen. Jedoch ist mit den zunehmenden Demonstrationen auch das nötige Niveau an Sicherheit gestiegen. Aus diesem Grunde kann ich das Ziel des Gesetzes, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, durchaus nachvollziehen. Ob es jedoch notwendig ist, einen Verstoß gegen das Gesetz mit Summen in Höhe von bis zu 600.000 EUR zu ahnden, bezweifle ich.
Ich spreche mich im Falle Spaniens dafür aus, die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen. Aufgabe des spanischen Verfassungsgerichts ist es, zu jetzt zu überprüfen, ob die Reform des Gesetzes im Einklang mit der Verfassung steht.
Sie fragen mich des Weiteren, unter welchen Umständen ich dieses Gesetz auch in Deutschland befürworten würde. In Deutschland und Spanien herrschen andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Verhältnisse, man kann daher ein spanisches Gesetz nicht einfach mit einem deutschen Gesetz vergleichen. Das Recht eines jeden deutschen Bürgers auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit muss sichergestellt. Falls es in Deutschland aus Gründen der öffentlichen Sicherheit dennoch einmal nötig sein sollte, dieses Recht einzuschränken, ist es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, dies zu überprüfen. Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind das Grundprinzip unserer Demokratie, dafür werde ich mich auch weiterhin einsetzen.
In der Hoffnung, Ihnen damit eine Hilfe zu sein, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP