Frage an Markus Ferber von Jan S.
Guten Tag,
wie stehen Sie dazu, dass die EU die ausgesprochen effektive [1] Operation Mare Nostrum eingestellt (oder zumindest nicht unterstützt) hat und infolge dessen auch in diesem Jahr wieder zahllose Menschen gestorben sind, die durch Mare Nostrum wahrscheinlich gerettet worden wären? Sind die Grenzsicherung durch Triton und Frontex und die wirtschaftlichen Bedenken, die damit einhergehen, in Ihren Augen mehr wert als die Leben dieser ertrunkenen Menschen? Plant die EU eine neue Operation zur Seenotrettung oder wird weiter auf eine allem Anschein nach ineffektive [2] und damit schlichtweg verantwortungslose und menschenverachtende Methode gesetzt? Warum?
Ist alternativ vielleicht geplant, sicherere Reisewege für Geflüchtete zu öffnen?
Von allgemeinen Diskussionen abgesehen interessiert mich auch Ihre persönliche Meinung sowie die der CSU.
Vielen Dank.
J. S.
[1] http://www.sos-europe-amnesty.eu/triton-is-no-substitute-for-life-saving-mare-nostrum-news/
[2] https://www.amnesty.org/en/articles/news/2015/04/mediterranean-crisis-50-fold-increase-in-deats-amid-european-inaction/
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 20. April anlässlich der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.
Ich glaube, dass die jüngsten Ereignisse im Mittelmeer einmal mehr verdeutlichen, wie groß das Problem illegaler Schlepperbanden ist, die in der Tat hilfsbedürftigen Menschen zu einer lebensgefährliche Reise nach Europa verleiten – auf diesem Umstand habe ich schon vor einem Jahr hingewiesen und dafür auch viel Kritik einstecken müssen. Die Ereignisse der vergangenen Tage zeigen leider nur zu deutlich, dass sich seitdem nichts getan hat, das Thema aber dringend angegangen werden muss.
Jedwede kurzfristige Maßnahme, von denen derzeit einige diskutiert werden, kann aber nur dann funktionieren, wenn sie von langfristigen Maßnahmen begleitet wird. Schließlich kann es uns nicht allein darum gehen, die Symptome zu heilen. Stattdessen müssen wir vor allem auch die Ursachen der Probleme in Angriff nehmen.
In den letzten Tagen wurden eine Reihe von Maßnahmen in die Debatte eingebracht, von denen jedoch leider viele am Kern des Problems vorbeigehen. So wird es nicht helfen, in Nordafrika Flüchtlingscamps aufzubauen, in denen Asylverfahren bereits auf afrikanischem Boden durchgeführt werden. Dies würde am Ende nur dazu führen, dass viele der abgelehnten Bewerber am Ende trotzdem den Weg über das Mittelmeer antreten würden.
Oft kommt es auch zu einer Vermischung der Themen Asylrecht und Zuwanderungsrecht. Es wird die Vermutung geäußert, dass Änderungen des Zuwanderungsrechts zu einer Lösung der Flüchtlingsproblematik führen würden. Dabei bleibt jedoch vollkommen unbeachtet, dass es sich hier um zwei vollkommen verschiedene Personengruppen mit verschiedenen Hintergründen handelt. Entsprechend braucht es hier auch unterschiedliche Lösungsansätze und eine Vermischung dieser beiden Rechtsbereiche trägt leider nicht zu einer zielgerichteten Lösung bei. Zudem gibt es bereits Instrumente für die legale Zuwanderung nach Europa (wie etwa die Blue Card). Hier kann zwar durchaus über Änderungen nachgedacht werden, nur wird sich damit das Flüchtlingsproblem nicht lösen lassen.
Stattdessen müssen wir uns um echte Lösungen bemühen und dies muss zwei Aspekte umfassen: Einerseits müssen die Probleme in den Herkunftsländern gelöst werden, andererseits zeigt sich mehr und mehr, dass wir Änderungen im europäischen Asylsystem benötigen.
Das heißt, dass man die Ursachen langfristig und direkt in den Herkunftsländern behandeln sollte. Politischer und wirtschaftlicher Missstand sind Hauptursachen für die Migrationsbewegung, die wir derzeit beobachten. Wenn man diese Auslöser effektiv bekämpft, wird der Druck auf das europäische Asylsystem automatisch abnehmen. Hier müssen Außen-, Sicherheits-, Handels- und Entwicklungspolitik im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes ineinandergreifen.
Zum anderen müssen wir uns über Änderungen und Verbesserungen im europäischen Asylrecht Gedanken machen. Der Vorschlag einer Quotenregelung, nach der Asylbewerber auf die jeweiligen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgeteilt werden, kann sicherlich ein Ansatzpunkt für eine Diskussion sein. Wobei es hier selbstverständlich auf die genaue Ausgestaltung des Verteilungsschlüssels ankommt.
Insofern sehe ich durchaus, dass wir uns grundsätzliche Gedanken machen müssen, wie wir die Flüchtlingsproblematik angehen. Mir ist aber wichtig, dass wir nicht allein bei kurzfristigen Maßnahmen wie einer Neuauflage des Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum stehen bleiben, sondern zu langfristigen Lösungen kommen. Dazu gehört einerseits der Kampf gegen das zynische Geschäftsmodell der Schlepperbanden, eine kluge und umsichtige Reform des europäischen Asylrechts und entsprechende außen- und entwicklungspolitische Maßnahmen. Für einen solchen umfassenden Ansatz werde ich auch weiterhin eintreten.
In der Hoffnung, Ihnen damit eine Hilfe zu sein, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP