Frage an Markus Ferber von Friedrich S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ferber,
mit großem Interesse habe ich Ende letzten Jahres über die Beschneidung des ungarischen Paraments gelesen und ich bin schockiert.
Seit vielen Jahren sind wir jedes Jahr in Ungarn zu Gast (immer 4-6 Wochen). Wir haben dieses Land lieben gelernt und kennen viele Menschen, welche unter dem jetzigen ungarischen Regierungsregime bedrückt und auch unterdrückt sind. Es sind alles rechtschaffende Menschen, welche die Entwicklung in ihrem Land machtlos erleben müssen. Es ist deutlich erkennbar, daß Ungarn einer Diktatur zustrebt.
Als Jörg Haider zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt wurde, hat die EU “Sanktionen” über Österreich verhängt. Es bleibt völlig um Dunklen, was die EU unternimmt, um die Entwicklung in Ungarn zu stoppen. Es ist von Absichtserklärungen der EU zu lesen, aber in Wirklichkeit scheint nichts zu geschehen. In Ungarn werden Tatsachen geschaffen und alle schauen taten- und sprachlos zu.
Es wäre interessant zu erfahren, was die Hintergründe sind, weßhalb man dem ungarischen Regime gegenüber so unverständlich tolerant ist.
Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Schiller
Sehr geehrter Herr Schiller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 14. Januar zur politischen Situation in Ungarn.
Die Kritik, die im Frühjahr des vergangenen Jahres an der ungarischen Regierungsführung aufflammte, bezog sich vor allem auf die 4. Verfassungsnovelle. Diese sah unter anderem Eingriffe in die Gerichtsbarkeit, die Erhebung von gewissen Sondersteuern und das Verbot von Wahlwerbung im privaten Rundfunk vor. Diese Änderungen haben zurecht für einige Kritik gesorgt. Schließlich berühren solche Vorhaben die Grundwerte der Demokratie. Wenn die ungarische Regierung hier die Grenzen des Zulässigen austestet, halte ich dies durchaus für kritisch.
Aus diesem Grund haben die Europäische Kommission und auch das Europäische Parlament diese Vorgänge stets gleichermaßen aufmerksam wie kritisch begleitet. Ich glaube, dass dieser Dialog mit den europäischen Institutionen und der europäischen Öffentlichkeit schlussendlich auch Früchte getragen hat. In der folgenden Verfassungsnovelle aus dem September des vergangenen Jahres wurden viele der von den europäischen Institutionen genannten Punkte letztendlich aufgegriffen. Eine Übersicht über die Entwicklungen im Rahmen der 5. Verfassungsnovelle finden Sie unter folgendem Link auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung:
http://www.kas.de/ungarn/de/publications/35492/
Wir müssen bei aller berechtigten Kritik also auch berücksichtigen, dass die ungarische Regierung am Ende stets Lösungen gefunden hat, die mit den europäischen Verträgen vereinbaren waren. Dieser Aspekt geht in der öffentlichen Berichterstattung leider manchmal etwas unter. Gleichwohl muss ich einräumen, dass mir ein behutsameres Vorgehen der ungarischen Regierung in diesen sensiblen verfassungsrechtlichen Bereichen lieber wäre. Daher darf ich Ihnen auch versichern, dass ich auch die künftigen politischen Entwicklungen in Ungarn aufmerksam verfolgen werde.
In der Hoffnung, Ihnen damit eine Hilfe zu sein, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP