Frage an Markus Ferber von Raimund G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ferber,
mit großem Interesse habe ich den Artikel http://gutjahr.biz/2013/02/lobbyplag/ von Richard Gutjahr gelesen. Die darin dargestellten Sachverhalte über den parlamentarischen Alltag sind sehr aufschlussreich. Diese Erkenntnisse verfestigen meine Angst vor und den Ärger über zunehmenden Gewerbe-/Industrie-Lobbyismus, welcher dazu führt, dass weitgehend nur noch die Interessen von Unternehmen und Gewerbe-/Industrieverbänden Gehör im Gesetzgebungsverfahren finden.
Ich denke, dass viele von „uns aus dem Volk“ die aktuelle Situation mit Besorgnis verfolgen und sich mittlerweile wünschen, dass neben den etablierten Parteien eine starke (alternative) Struktur der Interessensvertretung der Bürgerschaft auftritt, um Gesetze zum Schutz und zum Wohl der Bürger zu etablieren. Dies würde dem sozialen Frieden in unserem Land und unserem Kontinent zugute kommen. Ich bin gespannt, welche Kräfte hierbei aus der zunehmenden Vernetzung durch das Internet erwachsen...
Es wurde hier schon Einiges zum Thema diskutiert. Dennoch würde ich mich freuen, wenn Sie noch ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema Lobbyismus preisgeben würden. Welche Konsequenzen hat die Erkenntnis, dass („weite“) Teile der Bevölkerung sich durch die etablierte Politik nicht mehr ausreichend vertreten fühlt? Sollten Volksvertreter deutlicher und öffentlichkeitswirksamer darlegen (und belegen!), welche Meinung sie zu einzelnen Sachthemen vertreten, auf welchen Quellen ihre Meinungsfindung basiert und warum dies den Bürgern nützt? Welche Möglichkeiten hat die Bürgerschaft, um neben den mächtigen Gewerbe- und Industrieverbänden genügend Gehör im Rahmen der Gesetzgebung zu finden (nicht nur periodisch vor/nach Legislaturperioden)? Strukturen zur effektiven Information und Beteiligung der Bevölkerung ließen sich im WWW sicherlich etablieren. Erste erfreuliche Schritte, wie „Lobbyplag“, sind bereits zu erkennen.
Es grüßt Sie freundlich
und gespannt auf eine Antwort
Raimund Gunzelmann
Sehr geehrter Herr Gunzelmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 15. Februar zur Datenschutzgrundverordnung.
Als Abgeordneter im Europäischen Parlament ist man mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Themen konfrontiert, die man zunächst durchdringen muss. Wenn man sich in neue Themen einarbeitet, ist es durchaus hilfreich, sich mit verschiedenen Akteuren zu unterhalten, um einen Einblick in unterschiedliche Problemlagen zu erhalten. Dies gilt umso mehr, wenn man Berichterstatter des Europäischen Parlaments für ein bestimmtes Thema ist. Ganz klar ist aber auch, dass die Entscheidungskompetenz darüber, was im Bericht steht, am Ende beim Berichterstatter liegen muss und nicht bei einem Lobbyverband. Darauf gilt es stets zu achten und ich bin froh, dass es eine kritische Öffentlichkeit gibt, die dies tut.
In der derzeitigen Diskussion über Einflussnahme auf die Datenschutzgrundverordnung kommt mir manchmal etwas zu kurz, dass es nicht nur Industrieverbände sind, die Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nehmen, sondern auch viele zivilgesellschaftliche Akteure. So hat der Berichterstatter der Grünen für die Datenschutzgrundverordnung Änderungswünsche von Bürgerrechtsorganisationen wie Bits of Freedom oder dem Verein Digital Courage zum Teil wörtlich übernommen. Dies zeigt, dass auch zivilgesellschaftliche Akteure Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess haben und diesen wahrnehmen.
Darüber hinaus gibt es weitere Wege eine Rückkopplung zwischen Bürgern und Politik herzustellen. So bekomme ich viele Briefe und E-Mails von Bürgern zu den unterschiedlichsten Themen und nehme die Anliegen und Einwände auch für den Gesetzgebungsprozess gern auf. Plattformen wie etwa Abgeordnetenwatch stellen in diesem Zusammenhang auch eine gewisse Transparenz her. Dies begrüße ich sehr.
In der Hoffnung Ihnen hiermit eine Hilfe gewesen zu sein, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber