Frage an Markus Ferber von Jochen R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ferber,
wie ich der Internetseiten "LobbyPlag" und "netzpolitik.org", sowie dem "gutjahrs blog" entnommen habe, wird zur Zeit im Europäischen Parlament an einer sogenannte Datenschutzreform gearbeitet: "General Data Protection Regulation (GDPR)".
Wie ich den oben genannten Quellen entnommen habe, nehmen scheinbar verschiedene Unternehmen und Interessenverbände dabei großen Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetzestexte. Genauer, Textvorlagen werden von MitarbeiterInnen dieser Unternehmen und Interessenverbänden verfasst und scheinbar in unterschiedlichem Umfang von einigen Abgeordneten in deren Gesetzestextvorschläge übernommen. Schließlich werden die Vorschläge dann zur Abstimmung im Parlament eingereicht.
In diesem Zusammenhang habe ich folgende Fragen an Sie:
1. Wie stehen Sie zum Thema "Einflussnahme auf die Politik durch LobbyvertretterInnen"?
2. Wie ist Ihre Position bzgl. der oben genannten Datenschutzreform?
Vielen Dank für Ihre Mühe.
Mit freundlichen Grüßen,
Jochen Raidl
Sehr geehrter Herr Raidl,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 12. Februar zum Lobbying im Bereich des Datenschutzrechtes.
Grundsätzlich halte ich es nicht für verwerflich, sich im Zuge des Gesetzgebungsprozesses mit Interessenvertretern auszutauschen, um einen Einblick in unterschiedliche Problemlagen zu erhalten. Schließlich bringt es nichts, Gesetze zu machen, ohne zumindest die Meinung derjenigen anzuhören, die davon betroffen sind. Dies gilt umso mehr, wenn man Berichterstatter des Europäischen Parlaments für ein bestimmtes Thema ist und damit die Parlamentsmeinung maßgeblich mitbestimmt. Ganz klar ist aber auch, dass die Entscheidungskompetenz darüber, was im Bericht steht, am Ende beim Berichterstatter liegen muss und nicht bei einem Lobbyverband. Darauf gilt es stets zu achten und ich bin froh, dass es eine kritische Öffentlichkeit gibt, die genau dies tut.
Darüber hinaus halte ich es für entscheidend, dass der Einfluss von Interessenvertretern gerade nicht einseitig ist. Ich lege stets großen Wert darauf, mich möglichst breit zu informieren und nicht etwa nur das Gespräch mit Industrieverbänden zu suchen, sondern auch die Ansichten von NGOs, Verbraucher- und Datenschützern etc. zu berücksichtigen. Als Berichterstatter für die MiFID-Richtlinie (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) habe ich deshalb einen umfangreichen Fragebogen an alle betroffenen Organisationen geschickt und habe hunderte Antworten erhalten. Die Spannweite ging dabei vom Bankenverband bis hin zu Oxfam. Diese Vorgehensweise war zwar sehr aufwendig, hat sich meines Erachtens aber bewährt, da ich so einen sehr guten Einblick in die verschiedenen Problemfelder erlangen konnte. Ich halte es daher für eine richtige und wichtige Vorgehensweise, sich ein möglichst breites Meinungsspektrum einzuholen.
Zur Datenschutzgrundverordnung: Die derzeit gültigen EU-Datenschutzvorschriften stammen größtenteils noch aus dem Jahr 1995. Damals war das Internet ein Randphänomen, an Online-Shops und soziale Netzwerke war kaum zu denken. Ferner wurde die alte Richtlinie von den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt, sodass in Europa kein einheitliches Schutzniveau herrscht, was in einem integrierten Binnenmarkt zu Wettbewerbsverzerrungen führt.
Angesichts des enormen technischen Fortschrittes und der sehr unterschiedlichen Umsetzung der Richtlinie in vielen Mitgliedsstaaten gibt es also guten Grund, die überholten Regelungen an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Die Kommission hat dem Europäischen Parlament am 25.1.2012 dazu einen Vorschlag unterbreitet.
Dabei gilt es einen schwierigen Kompromiss zwischen dem berechtigen Wunsch vieler Verbraucher nach einem wirkungsvollen Datenschutz und den Anliegen der Wirtschaft zu finden, die ebenfalls ein Interesse daran hat, Daten zu gewinnen und zu verarbeiten. Dies ist in vielen Fällen auch im Interesse der Verbraucher. Gerade viele Internet-Dienste, die unser tägliches Leben erleichtern, basieren darauf, dass deren Anbieter Daten der Nutzer erheben und verarbeiten können. Dies darf aber selbstverständlich nicht im Geheimen geschehen und muss streng reguliert sein. Schließlich gilt es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung möglichst wirksam zu schützen.
Zentral ist in diesem Zusammenhang für mich, dass Nutzer auf einfache Weise verstehen können, wann und wo welche Daten an wen weitergegeben werden und was damit geschieht. Leicht verständlichen Datenschutzerklärungen sind dafür essentiell. Ich halte es außerdem für wichtig, auch Regelungen zu finden, die zwischen den die Persönlichkeitsrechte weniger und stärker gefährdenden Datenverarbeitungen differenzieren. Es macht schließlich schon einen Unterschied, ob ein kleiner Handwerksbetrieb eine Kundenkartei führt oder ob globale Konzerne in Sozialen Netzwerken riesige Datenberge akkumulieren.
Sie können sich sicher sein, dass ich mich im Fortgang der Verhandlungen für eine praxisnahe und umsetzbare Lösung einsetzen werde, die dem legitimen Wunsch nach dem Schutz personenbezogener Daten gerecht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber