Frage an Marion Zimmer von Helga M. bezüglich Recht
sehr geehrte Frau Zimmer,
Wie beurteilen Sie die Diskussionen um Privatisierungen im Gesundheitswesen, um private Altersvorsorge und den Trend Familien als Orte zu sehen, wo im Interesse der Bevölkerung Humanvermögen produziert wird (7. Familienbericht)?
Kann man als Politiker den Menschen unter diesem Hintergrund erklären, daß
1. die gesezliche Krankenversicherung noch sinnvoll ist ?,
2. die gesetzliche Rentenversicherung noch berechtigt ist ?,
3. Familien durch ihre Mehrfachfunktion als Erzeuger, Erzieher und Ernährer ihrer Kinder, Beitragszahler für das derzeitige Sozialsystem, finanzielle Quelle bei der intensiven Ausbildung ihrer Kinder mehr sind als Einrichtungen, die Gewinn bringen (Renate Schmidt und Liz Mohn)?
Was bedeutet für Sie das Grundgesetz?
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihr Interesse an diesen wichtigen Themen. Anbei dazu ausführlichere Informationen.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Zimmer
Zur Gesundheitspolitik
1. Botschaft, Inhalt, Fakten
Grüne Gesundheitspolitik setzt auf Prävention und auf eine patientenorientierte Integration der Gesundheitsdienstleistungen. Wir wollen ein solidarisches, effektives, wettbewerbsorientiertes Gesundheitssystem mit mehr Qualität und weniger Kosten.
Unsere Gesundheit ist uns teuer. Fast 240 Milliarden € geben wir in Deutschland jährlich für Gesundheitsleistungen aus. Davon alleine 140 Milliarden € über die gesetzliche Krankenversicherung.
Unsere Gesundheit ist uns wichtig darum darf sie auch etwas kosten. Aber das Geld fließt nicht immer dorthin, wo es wirklich gebraucht wird. Während chronisch Kranke häufig unzureichend versorgt werden, müssen andere Patienten aufwändige Doppeluntersuchungen, übertriebene Apparate-Diagnostik und überlange Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen. Über-, Unter- und Fehlversorgung liegen in unserem Gesundheitswesen dicht nebeneinander.
Wenn wir auch künftig eine hoch entwickelte Gesundheitsversorgung und bezahlbare Beitragssätze haben wollen, werden wir in unserem Gesundheitswesen also einiges ändern müssen: Unser Gesundheitswesen braucht mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit.
Bündnis 90/Die Grünen stehen für den notwendigen Strukturwandel. Durch modernere und patientengerechtere Versorgungsstrukturen wollen wir die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern und damit auch unnötige Kosten vermeiden. Durch mehr Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht nur zwischen den Kassen, sondern auch zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken und Pharma-Unternehmen, wollen wir zu mehr Patientenorientierung beitragen und die Wirtschaftlichkeitsreserven in unserem Gesundheitswesen erschließen.
2. Was haben wir erreicht?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren um die wichtigsten Schwachstellen unseres Gesundheitssystems gekümmert und angefangen, sie zu beseitigen:
a.. Wir haben mehr Zusammenarbeit im Gesundheitswesen möglich gemacht.
Seit der Gesundheitsreform 2004 stehen für die Kooperation von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen jährlich 680 Millionen € bereit. Die Krankenkassen wurden verpflichtet, flächendeckend Hausarztsysteme anzubieten, in denen qualifizierte Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten als persönliche Lotsen durch das Versorgungssystem begleiten. Die Gesundheitszentren, in denen Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten und andere Gesundheitsberufe unter einem Dach zusammenarbeiten, wurden zur Regelversorgung zugelassen.
b.. Wir haben die Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung stark gemacht. Wir haben alle Krankenhäuser, Arztpraxen und Rehabilitationseinrichtungen zu einem internen Qualitätsmanagement verpflichtet. Die Krankenhäuser müssen darüber hinaus regelmäßige Qualitätsberichte vorlegen. Qualität und Qualitätsdefizite werden damit sichtbar. Demselben Zweck wird das im Aufbau befindliche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen dienen. Das Institut wird Diagnosetechniken, medizinische Behandlungen, Operationsverfahren oder auch Arzneimittel auf ihren Nutzen für die Patientinnen und Patienten untersuchen und bewerten. Hier werden Patienten und Ärzte verständliche und verlässliche Informationen über den aktuellen Stand des medizinischen Wissens erhalten.
c.. Wir haben mit der Gesundheitsreform 2000 die Prävention die die Union und die FDP gestrichen hatten - wieder in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen. Zuletzt haben wir mit dem Präventionsgesetz endlich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Gesundheitsförderung und Prävention zu einer eigenständigen Säule unseres Gesundheitswesens werden. Umso ärgerlicher ist es, dass die unionsregierten Bundesländer dieses Gesetz, das sie im letzten Jahr selber mit ausgehandelt haben ausschließlich aus wahltaktischen Gründen im Bundesrat blockiert haben.
d.. Wir haben erreicht, dass sich die Arzneimittelforschung und -zulassung nicht mehr ausschließlich an Männern orientiert. Bei allen Zulassungsstudien müssen künftig Frauen angemessen berücksichtigt werden.
e.. Wir haben die Beteiligungsrechte von Patientinnen und Patienten deutlich gestärkt. Die Steuerung des Gesundheitswesens fand lange Zeit ohne die Betroffenen statt. Die wichtigsten Beschlüsse z.B. über Leistungskataloge und Qualitätsrichtlinien wurden ausschließlich von den Krankenkassen und den Organisationen der Ärzteschaft getroffen. Patientinnen und Patienten sowie Versicherte waren nicht beteiligt. Das haben wir geändert. Seit der letzten Gesundheitsreform sind die Patientenverbände und großen Selbsthilfezusammenschlüsse an allen wichtigen Gremien des Gesundheitswesens beteiligt. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass die Bundesregierung eine Patientenbeauftragte berufen hat, die dafür sorgen soll, dass die Belange der Patientinnen und Patienten dauerhaft auf der Tagesordnung stehen.
3. Was haben wir nicht erreicht?
Aber es gab auch Rückschläge. Im deutschen Gesundheitswesen überwiegen wettbewerbsfeindliche Strukturen. Im ambulanten Bereich schließen die Krankenkassen "einheitlich und gemeinsam" Kollektivverträge mit den in Kassenärztlichen Vereinigungen zusammengeschlossenen Ärztinnen und Ärzten ab, im Krankenhausbereich betreiben die Bundesländer öffentliche Planwirtschaft und im Arzneimittelhandel herrschen geradezu zunftartige Strukturen. Damit fehlt es sowohl auf Kassen- als auch auf Anbieterseite an Anreizen für einen starken Wettbewerb um mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit. Einige dieser Wettbewerbsblockaden wollten wir mit der Gesundheitsreform 2004 abbauen, darauf hatten wir uns auch mit der SPD geeinigt. Leider konnten wir wegen des Widerstands der CDU/CSU und der FDP diese Ziele nur teilweise realisieren. Insbesondere Reformen für mehr Preiswettbewerb zwischen den Pharma-Unternehmen und die Ablösung des wettbewerbsfeindlichen Kollektivvertragssystems in der ambulanten fachärztlichen Versorgung scheiterten an der Klientelpolitik der Opposition.
Vergeblich eingesetzt haben wir uns auch für eine bessere Berücksichtigung der Naturarzneimittel. Die mit der Gesundheitsreform beschlossene Ausgliederung rezeptfreier Arzneimittel aus der Leistungspflicht der Krankenkassen, trifft auch die anthroposophischen, homöopathischen und pflanzlichen Medikamente. Die von uns verlangten Ausnahmeregelungen waren leider mit den beiden großen Parteien nur teilweise umzusetzen.
4. Wie geht es weiter?
Um unser Krankenversicherungssystem solidarischer, gerechter und nachhaltiger zu machen, setzen wir uns für eine Bürgerversicherung ein (zur Bürgerversicherung gibt es eine eigene Argumentationshilfe).
Klar ist aber, dass auch eine Bürgerversicherung weitere Strukturreformen in unserem Gesundheitssystem nicht überflüssig macht. Deshalb werden wir an einigen wichtigen Reformbaustellen der letzten Jahre weiter arbeiten:
a.. Wir werden die mit der Gesundheitsreform 2004 geschaffenen besseren Rahmenbedingungen für mehr Zusammenarbeit in unserem Gesundheitswesen weiter vorantreiben. Durch die Integrationsversorgung, Hausarztmodelle und Gesundheitszentren wird die Behandlung der Patientinnen und Patienten besser und können gleichzeitig Kosten eingespart werden.
b.. Wir werden uns weiterhin für mehr Wettbewerb auch im Gesundheitswesen einsetzen. Wir wollen, dass Krankenkassen, Ärzte, Arzneimittelhersteller und andere Anbieter von Gesundheitsleistungen miteinander um mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit wetteifern. So kann die Gesundheitsversorgung besser gemacht werden, ohne dass der Staat ständig eingreifen muss. Außerdem lassen sich so vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen und damit die Belastungen der Versicherten und Patienten in einem sozialstaatlich akzeptablen Rahmen halten.
c.. Wir wollen die Rechte und die Wahlmöglichkeiten der Patientinnen und Patienten weiter stärken. Dazu wird auch gehören, dass die Transparenz der Qualität und der Kosten der Gesundheitsversorgung weiter verbessert wird. d.. Wir werden unser Ziel weiter verfolgen, die Prävention neben der Akutmedizin, der Rehabilitation und der Pflege zu einer eigenständigen Säule unseres Gesundheitswesens zu machen. Eine gute Gesundheitspolitik setzt ein, bevor Krankheiten beginnen. Das gilt gerade für Kinder, denn die Grundlagen für spätere Gesundheitsschäden werden im Kindesalter gelegt. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Prävention und Gesundheitsförderung endlich eine gesetzliche Grundlage erhalten.
e.. Darüber hinaus wollen wir die Zuzahlungen (Praxisgebühr, Verordnungsgebühr etc.) für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialgeld und Altersgrundsicherung abschaffen. Für diese Personengruppen stellen die Zuzahlungen eine besondere Härte dar und können die betroffenen Personen von notwendigen Arztbesuchen abhalten.
5. Was wollen die anderen?
CDU:
Zwischen den programmatischen Aussagen der CDU und ihrer tatsächlichen Gesundheitspolitik bestehen erhebliche Widersprüche. In ihren Reformkonzepten spricht sich die Partei für mehr Wettbewerb zwischen den Kassen und auch zwischen den Anbietern von Gesundheitsleistungen aus. Ausdrücklich zum Ziel erklärt sie die "weitgehende Liberalisierung des Vertragssystems". Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser sollten in ihrer Vertragsgestaltung freier sein als bisher. Als dringend reformbedürftig werden aufgrund der "starken Anbieterdominanz" auch die Marktmechanismen auf dem Arzneimittelmarkt und im Arzneimittelhandel benannt. Diese Positionen sind in der Sache völlig richtig. Wenn es aber ernst wird, tritt die CDU kräftig auf die Bremse. So hat die CDU bei der Gesundheitsreform mehr Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Fachärzten und auch zwischen den Apothekern verhindert. Darüber hinaus bekennt sich die CDU in Sonntagsreden gerne zur Prävention. Das hat die unionsregierten Bundesländer aber nicht davon abgehalten, aus wahltaktischen Gründen das von Rot-Grün beschlossene Präventionsgesetz im Bundesrat zu stoppen.
Widersprüchlichkeiten auch bei den Arzneimittelausgaben: Die für das Ressort Gesundheit gehandelte niedersächsische Sozialministerin von der Leyen macht sich für die Einführung einer Kost-Nutzen-Analyse stark, um die Arzneimittelausgaben zu beschränken. Dabei hatte die Union eine solche Analyse in den Verhandlungen mit Rot-Grün über die Gesundheitsreform stets abgelehnt.
FDP:
Die FDP verhält sich in Sachen Gesundheitspolitik vor allem als Lobby für einzelne Ärzte-Gruppen, Apotheker, private Krankenversicherungsunternehmen und die Arzneimittelindustrie. Auch deshalb ist sie der Ansicht, dass es auch im Gesundheitswesen der freie Markt richten sollte. Sie fordert eine Privatisierung der Krankenversicherung (Näheres dazu in unserer Argumentationshilfe zur Bürgerversicherung). Auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung will sie keinen weiteren Einfluss nehmen.
PDS:
Auch die PDS will eine Bürgerversicherung (siehe Argumentationshilfe zur Bürgerversicherung). Darüber hinaus fordert auch sie mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, ohne allerdings über ein umfassendes Konzept für Strukturreformen zu verfügen. Im Einzelnen fordert sie eine stärkere Integration von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung, die Einführung einer Positivliste für Arzneimittel und die Aufwertung der Prävention. Diese Einzelmaßnahmen halten auch wir für richtig, die Einführung einer Positivliste der verschreibungsfähigen Arzneimittel wurde im Jahr 2000 unter der grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer beschlossen, allerdings mit der Gesundheitsreform 2004 auf Druck der CDU wieder gestoppt. Ansonsten hätte die CDU der Gesundheitsreform nicht zugestimmt.
6. Was werfen uns die anderen vor?
"Die Gesundheitsreform belastet einseitig die Versicherten und Patienten."
Finanzielle Selbstbeteiligungen der Patientinnen und Patienten sind wichtig. Sie helfen, den steigenden Anforderungen an unser Gesundheitswesen durch eine älter werdende Bevölkerung und den medizinischen Fortschritt zu begegnen. Die Alternativen dazu wären entweder die Rationierung medizinisch notwendiger Gesundheitsleistungen oder ständig steigende Beitragssätze mit schädlichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Beides ist aber nicht akzeptabel. Zudem können Selbstbeteiligungen einen Anreiz bieten, mit den Ressourcen des Gesundheitswesens verantwortlich umzugehen.
Wichtig ist allerdings, dass sie mit sozialem Augenmaß erhoben werden. Diesen Grundsatz gegen die Union aufrechtzuerhalten, war in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform 2004 schwierig. Rot-Grün ist es allerdings damals gelungen, Belastungsobergrenzen durchzusezen: Versicherte, deren Zuzahlungen zusammengerechnet eine Höhe von 2% ihrer jährlichen Bruttoeinkünfte erreichen, werden für den Rest des Jahres von Zuzahlungen befreit. Für chronisch Kranke liegt diese Grenze bei 1%. Darüber hinaus wollen wir die Zuzahlungen für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialgeld und Altersgrundsicherung abschaffen. Wir befürchten, dass diese Personengruppen durch die Zuzahlungen von notwendigen Arztbesuchen abgehalten werden.
"Durch die Gesundheitsreform werden Naturheilmittel benachteiligt."
Seit der Gesundheitsreform werden verschreibungsfreie Arzneimittel nicht mehr durch die Krankenkassen erstattet. Davon sind auch sehr viele natürliche Arzneimittel betroffen, da für sie im Regelfall kein ärztliches Rezept erforderlich ist.
Wir haben uns deshalb für Ausnahmeregelungen stark gemacht: So werden von den Krankenkassen verschreibungsfreie Arzneimittel für Kinder bis 12 und für behinderte Jugendliche bis 18 erstattet. Außerdem werden auch solche rezeptfreien Arzneimittel bezahlt, die bei der Behandlung schwerer Krankheiten eingesetzt werden. Beide Ausnahmeregelungen gelten selbstverständlich auch für natürliche Arzneimittel. Zu weitergehenden Ausnahmen waren beide große Parteien nicht bereit.
"Es gibt zu viele Krankenkassen, damit entstehen unnötige Verwaltungskosten."
In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Krankenkassen von rund 1.200 auf rund 280 gesunken. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung hat die 1996 vorgenommene Einführung des Kassenwahlrechts für alle Versicherten geleistet. Seitdem sind die Versicherten nicht mehr verpflichtet, je nach ihrem Beruf und der Branche, in der sie tätig sind, einer ganz bestimmten Krankenkasse anzugehören, sondern haben das Recht, sich frei zwischen den verschiedenen Kassen zu entscheiden. Die gestiegenen Selbstbestimmungsrechte der Versicherte haben also zu einer erheblichen "Flurbereinigung" geführt.
Wir denken, dass wir auf diesem wettbewerblichen Weg weitergehen sollten. Indem wir den Kassen mehr Wettbewerbsspielräume einräumen, schaffen wir den Anreiz, unnötige Verwaltungsausgaben zu vermeiden, um in der Konkurrenz mit anderen Kassen bestehen zu können. Staatlich verordnete Zusammenlegungen von Kassen halten wir für nicht erforderlich.
7. AnsprechpartnerInnen in der Fraktion
Andreas Brandhorst
Referent für Gesundheitspolitik
T. 030-227-54804
andreas.bandhorst@gruene-fraktion.de
Annette Rausch
wissenschaftliche Mitarbeiterin von Biggi Bender MdB
T. 030-227-71668
biggi.bender.ma01@bundestag.de
Christian Hans
wissenschaftlicher Mitarbeiter von Petra Selg MdB
T. 030-227-72039
petra.selg.ma01@bundestag.de
Gudrun Köster
wissenschaftliche Mitarbeiterin von Petra Selg MdB
T. 030-227-72040
petra.selg@wk2.bundestdag.de
Zur Rentenpolitik
.. Botschaft, Inhalt, Fakten
Wir haben für einen fairen Ausgleich zwischen jung und alt gesorgt. Die Rente soll in Zukunft die Basis sichern. Darüber hinaus soll Jeder privat oder betrieblich vorsorgen können. Deshalb fördern wir die private Altersvorsorge, so dass auch BürgerInnen mit kleinen Einkommen und Familien für das Alter sparen können.Wir wollen außerdem die Vorschriften vereinfachen und ein individuelles Altersvorsorgekonto einführen.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass ihr Lebensunterhalt im Alter gesichert ist. Sie müssen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass die Altersvorsorge finanzierbar bleibt. Wir haben für einen fairen Ausgleich zwischen der jeweils jungen und der jeweils älteren Generation gesorgt. Wir haben die Rentenversicherung fit gemacht für die Zukunft. Die Rentenversicherung ist in der Anpassung an die langfristigen demographischen Veränderungen schon sehr weit vorangeschritten. Ohne die Reformen der Koalition läge der Beitragssatz heute schon über 22 Prozent.
a.. Wir haben dafür gesorgt, dass versicherungsfremde Leistungen korrekt über Steuern finanziert werden. Durch die Ökosteuer liegt der Beitragssatz zur Rentenversicherung um 1,7 Prozentpunkte niedriger.
b.. Die heute Jungen müssen privat vorsorgen, wenn sie ihren Lebensstandard halten wollen. In dem Umfang, in dem die junge Generation vorsorgen soll und vorsorgen muss, wird die Anpassung der Renten vermindert.
c.. Ein Nachhaltigkeitsfaktor stellt sicher, dass die Renten dann steigen können, wenn auch die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zur Anzahl der Rentner steigt. Die Renten steigen nicht, wenn die Anzahl der Beitragszahler im Verhältnis zur Anzahl der Rentner sinkt.
d.. Die Rentner zahlen den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung allein. e.. Wir haben Anreize zur Ausgliederung Älterer aus dem Arbeitsmarkt verringert, in dem wir die Altersgrenze für Rente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit angehoben haben.
f.. Gute Verdienste und ein geringeres Risiko der Arbeitslosigkeit: Davon profitieren Akademiker/innen in der Rentenversicherung. Darum werden die knappen Mittel des Bundes im Bildungsbereich nicht mehr für die Höherbewertung der akademischen Renten ausgegeben.
Die derzeitige konjunkturelle Lage zeigt deutlich: Die Finanzierung der sozialen Sicherung durch abhängig Beschäftigte verteuert den Faktor Arbeit und schadet der Beschäftigung. Sie macht die Finanzierung der sozialen Sicherung extrem abhängig von jeder Flaute. Das ist ein grundlegendes Problem, dass gelöst werden muss.
2. Was haben wir gemacht?
Das Vertrauen in die Rentenversicherung hängt davon ab, dass man keine Luftschlösser verspricht. Wir wollen den Bürgern kein Rentenniveau versprechen, dass sich nur mit sehr viel höheren Beiträgen finanzieren ließe. Wir haben die Altersvorsorge auf mehrere Beine gestellt. Die Gesetzliche Rentenversicherung wird in Zukunft für viele Versicherte eher den Charakter einer Basisabsicherung haben. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie zusätzlich vorsorgen müssen. Die Förderung der privaten Vorsorge (Riester-Rente) haben wir so angelegt, dass sie auch für die in Zukunft Älteren den Lebensstandard sichern kann, wenn sie fester Bestandteil von deren Vorsorge wird. Die Eigenvorsorge wird steuerlich stark begünstigt. Auch Bürger mit geringen Verdiensten und Familien können so für ihr Alter sparen.
Wir haben den sozialen Schutz von Eltern verbessert. Frauen, die wegen der Erziehung von Kindern lediglich unterdurchschnittliche Beiträge zur Rentenversicherung zahlen können, bekommen einen Zuschlag zu ihrer Rente. Frauen mit mehreren Kindern bekommen diesen Zuschlag auch dann, wenn sie nicht bezahlt arbeiten.
Wir bekämpfen verschämte Altersarmut. Wir haben die Hürde aus dem Weg geräumt, die ältere Bürgerinnen und Bürger vom Gang ins Amt abgehalten hat. Wir haben gegen den erbitterten Widerstand der Opposition eine Grundsicherung für Alte und bei Erwerbsminderung durchgesetzt. Da Kinder in der Regel nicht mehr zum Unterhalt gegenüber ihren Eltern verpflichtet sind, ist es für alte Leute heute viel leichter, Geld zu beantragen.
Wir sind der Meinung, dass Beamte die gleichen Rechte und Pflichten wie die Versicherten der Rentenversicherung haben sollten. Für eine grundlegende Reform der Versorgung von Beamten wäre es nötig, die Verfassung zu ändern. Wir sehen bislang keine Hinweise darauf, dass wir uns mit der Opposition auf solche Reformen verständigen könnten. Aber die Regierung hat die vorhandenen Spielräume genutzt. Alle Reformen der Rentenversicherung wurden auf die Beamtenversorgung übertragen.
3. Warum haben wir etwas nicht erreicht?
Die Riester-Rente hat nicht die Verbreitung gefunden, die sie haben müsste. Das liegt daran, dass die Bürgerinnen und Bürger noch immer ihre Ansprüche aus der Gesetzlichen Rentenversicherung stark überschätzen. Dem haben wir mit der von uns eingeführten Renteninformation Rechnung getragen. Das liegt auch daran, dass die Riester-Rente nicht einfach genug gehalten ist. Wir konnten bei der letzten Rentenreform gegenüber der SPD Vereinfachungen durchsetzen. Beim Abschluss eines Vertrages muss man aber immer noch zu viele Vorschriften beachten.
Wenn es nach uns gegangen wäre, würden wir in Zukunft weniger Geld für die Förderung der Ehe und mehr Geld für die Förderung der Kindererziehung ausgegeben. Das ist im Bundesrat am Widerstand von CDU und FDP gescheitert. Die Rentenreform 2001 sollte aber nicht an diesem Punkt scheitern. Inzwischen hat zumindest auch die Herzog-Kommission erkannt, dass es zu einem Problem unserer sozialen Sicherungssysteme geworden ist, dass sie nicht mehr zu den familiären Verhältnissen im Lande passen. Ehen scheitern. Kinder werden außerhalb von Ehen geboren. Viele Ehen bleiben zeitlebens kinderlos. Es ist nicht mehr zeitgemäß die soziale Sicherung an die Ehe zu binden.
4. Wie geht es weiter mit der Rente?
Die Gesetzliche Rentenversicherung kann in der bestehenden Form den Schutz vor Armut nicht für alle Bürgerinnen und Bürger zuverlässig gewährleisten. Für heutige Bürgerinnen und Bürger wird es selten, dass ihr Berufsleben einer vorgezeichneten Bahn folgt, welche sich schon beim Abschluss der Schule abzeichnet. Unstete Erwerbsverläufe mit Zeiten ohne Erwerbseinkommen nehmen zu. Abhängige Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit gehen ineinander über. Das gilt auch für die Frage, ob die Leute heiraten werden, ihre Ehe hält oder sie Kinder bekommen werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Rentenversicherung in einer Weise fortentwickelt wird, dass jeder individuell gegen Armut geschützt ist.
Auch in den großen Parteien ist das inzwischen ein Thema. Aber man darf sich nichts vormachen: Das Vorhaben wirft große fiskalische und verfassungsrechtliche Probleme auf. Die Diskussion darüber müssen wir vertiefen.
Wir wollen ein "Altersvorsorgekonto" einführen, auf dem die ergänzende Vorsorge gebündelt werden kann. Wir meinen, dass die Vorschriften für die Riester-Rente ganz gestrichen werden könnten, wenn im Gegenzug die Anbieter verpflichtet würden, ihre Produkte transparent darzustellen. Kosten etwa, die der Anbieter dem Kunden gegenüber nicht hinreichend offen legt, sollen von Kunden nicht bezahlt werden müssen.
5. Was wollen die anderen Parteien?
CDU
Die CDU befürwortet grundsätzlich die langfristige Dämpfung des Rentenniveaus und die Stärkung der ergänzenden Vorsorge. Zugleich kritisiert sie die Auswirkungen unserer Reformen auf die Einkommenssituation der Rentner und fordert ein höheres Rentenniveau.
Die Vorschläge der Union sind in sich vollkommen widersprüchlich und nicht zu bezahlen. Die Union hat keinen einzigen Hinweis gegeben, wie sie ihre - verschiedenen - Versprechen einlösen will.
Die Union will:
a.. Die Ökosteuer abschaffen (17 Milliarden €),
b.. Eine abschlagfreie Rente nach 45 Beitragsjahren einführen (5 Milliarden €)
c.. Verbesserungen für Beitragszahler mit Kindern einführen (12 Milliarden €)
34 Milliarden € bedeuten einen um 3,4 Prozentpunkte höheren Beitragssatz. Zugleich will die Union aber den Beitragssatz langfristig bei 20% statt bei 22% stabilisieren. Dafür bräuchte die Rentenversicherung zusätzliche Einnahmen von rund 20 Milliarden €. Insgesamt macht die Union also Vorschläge, die bei der Rentenversicherung zu einem Minus von rund 54 Milliarden € führen würden.
Manche Versicherten haben 45 Jahre Beiträge gezahlt, wenn sie das 60. Lebensjahr erreichen. Manche Versicherten haben 45 Jahre Beiträge gezahlt, wenn sie das 65. Lebensjahr erreichen. Könnte man nach 45 Beitragsjahren ohne Abschlag in Rente gehen, so könnten mithin die erst genannten Versicherten fünf Jahre länger Rente beziehen und würden gegenüber den zuletzt genannten Versicherten bevorzugt behandelt. Das ist absurd.
Die Union tritt für den flächendeckenden Ausbau der ergänzenden Vorsorge ein, gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen. Das halten auch wir für erforderlich. Auch wir sind der Meinung, dass es für die Riester-Renten zu viele Vorschriften gibt. Im Unterschied zur Union ist jedoch festzuhalten, dass die Riester-Renten gerade für Kleinverdiener und Familien besonders günstig ist.
FDP
Die FDP fordert einen fairen Interessenausgleich zwischen den Generationen. Sie will den Beitragssatz dauerhaft auf unter 18 Prozent senken und im Gegenzug die private Vorsorge schneller ausbauen. Derzeit müsste die Rentenversicherung auf einer solchen Basis rund 15 Milliarden € sparen. Die FDP will den Bundeszuschuss für Zeiten der Kindererziehung verwenden, um damit für Eltern eine durch Kapital gedeckte Kinderrente aufzubauen. Der Rentenversicherung würden dann zusätzlich rund 12 Milliarden € fehlen. 5 Milliarden € bräuchte man für die abschlagfreie Rente nach 45 Jahren, die auch die FDP fordert. Insgesamt also 32 Milliarden €. Dies entspräche einer Senkung der Renten um rund 16 Prozent. Für einen durchschnittlichen Rentner wären das 160 € im Monat.
Die FDP will die berufsständischen Privilegien, auch der Beamten, um jeden Preis beibehalten. Aus Sicht der FDP ist der Schutz vor Armut in der gesetzlichen Rentenversicherung vollkommen entbehrlich. Pauschal sollen die Bürger in Zukunft die Hälfte ihres Alterseinkommens aus privater Vorsorge und die andere Hälfte ihres Alterseinkommens aus der Gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Die FDP will zudem die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abschaffen.
Sie will die private Vorsorge stärken, alle Bürger in die private Vorsorge einbeziehen und die Anlagekriterien vereinfachen. Alle Anlageformen sollten im Steuer- und Beitragsrecht gleich behandelt, die Beratung verbessert werden. Das ist alles sinnvoll und wird auch von uns gefordert.
Die FDP tritt für eine konsequente Beendigung der Frühverrentung ein. Das ist ebenfalls sinnvoll und vordringlich. Dafür hat sich auch die grüne Fraktion eingesetzt. Für die FDP hat die Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters gegenüber der Erhöhung der Regelaltersgrenze Vorrang. Das kann die Rentenversicherung aber nicht dauerhaft entlasten. Die Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters kann die Rentenversicherung nicht dauerhaft entlasten. Die Rentenversicherung erhielte kurzfristig zusätzliche Beiträge. Gleichzeitig erhielten die Versicherten für diese Zeit neue Ansprüche. Auch fielen die Abschläge weg. Eine Erhöhung der gesetzlichen Altersgrenze könnte dagegen zu einer dauerhaften Senkung der Beitragssätze führen. Die Bundesregierung wird im Jahr 2008 einen Bericht vorlegen. Auf dieser Basis kann über die Rahmenbedingungen einer Anhebung der Altersgrenze diskutiert werden. Eine Erhöhung der Regelaltersgrenze ginge nicht zu Lasten der Zeit im Ruhestand. Derzeit ist es eher so: Die Zeit des Ruhestands dehnt sich immer stärker aus. Lagen die durchschnittlichen Rentenlaufzeiten 1960 noch bei rund 10 Jahren, so liegen sie inzwischen bei rund 16 Jahren.
PDS
Die PDS sieht keine reale Krise der Rentenversicherung. Die Rentenversicherung sei vor allen Dingen in einer politisch erzeugten Vertrauenskrise.
Sie hält am Prinzip der Lebensstandardsicherung in der Gesetzlichen Rentenversicherung fest. Die PDS will Einnahmen und Leistungen der Rentenversicherung verbessern. Die Rentenversicherung soll zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut und die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden.
Die Riester-Rente wird von der PDS abgelehnt. Ergänzende Vorsorge gilt der PDS als Privatisierung der großen Lebensrisiken. Zum Ersten: In die Riester-Rente fließen viele Steuern. Sie ist aus diesem Grund schwer zu schlagen, gerade für Geringverdiener und Familien. Zum Zweiten: Die PDS kümmert sich nicht darum, dass ihre Vorschläge kommende Generationen finanziell vollkommen überfordern würden. Sie behauptet, dass es keine wirklichen finanziellen Probleme gebe, dass das vorhandene Geld lediglich falsch verteilt würde. Sie merkt an, dass es 370.000 Einkommens-Millionäre im Land gebe. Sie übersieht und verschweigt geflissentlich, dass man die Rentenversicherung, wenn man alle diese Millionäre auf einen Schlag enteignen würde, derzeit gerade einmal 1 ½ Jahre finanzieren könnte.
6. Was werfen uns die anderen vor?
a.. Die Regierung rechnet sich "schön".
Union und FDP werfen Ulla Schmidt vor, dass sie seit ihrem Amtsantritt die Wähler vorsätzlich und systematisch über die Rentenfinanzen täusche, dass alle Reformen ins Leere gelaufen seien, weil die Regierung sich "schön" rechne. Die "Jahrhundertreform" 2001 sei 2003 schon Makulatur gewesen. Die Finanzen der Rentenversicherung hängen von sehr vielen Faktoren ab. In der Tat waren einige der Annahmen, welche der Rentenreform 2001 zugrunde lagen, im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse 2003 zu korrigieren. Das hat die Regierung getan. Derzeit brechen der Rentenversicherung wegen der schlechten Konjunktur die Einnahmen weg, nicht wegen mangelhafter Reformen.
a.. Rot-grün hat mit seinen Reformen die Altersarmut von morgen geschaffen.
Die Union kritisiert, dass rot-grün mit seinen Reformen die Altersarmut von morgen geschaffen habe. Es trifft zu, dass die Gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft nicht mehr alle sicher vor Armut schützen kann. Das gilt besonders für jene, die häufig oder für längere Zeit ohne bezahlten Job sind oder für jene mit geringen Verdiensten. Wir haben die Grundsicherung für Alte und bei Erwerbsminderung eingeführt, um darauf kurzfristig eine Antwort zugeben. Wir setzen uns dafür ein, die Gesetzliche Rentenversicherung in einer Weise fortzuentwickeln, dass Jeder und Jede individuell sicher vor Armut geschützt ist. Es war und ist aber trotzdem richtig, den Anstieg der Renten zu dämpfen. Es ist nicht richtig, auch hohe und höchste Renten ungebremst ansteigen zu lassen und die Kosten kommenden Generationen aufzubürden.
Es lässt sich aber nicht pauschal behaupten, dass Ältere in der Zukunft von Konsum und Teilhabe ausgeschlossen sein werden. Die Höhe der Versorgung aus der Gesetzlichen Rentenversicherung wird in Zukunft auch davon abhängen, ob es gelingt, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Jedes zusätzliche Beitragsjahr führt zu einer höheren Rente. Sollte es zu einer parlamentarischen Mehrheit für eine Anhebung der Regelaltersgrenze um 2 Jahre kommen, so könnte nach Berechnungen der Rürup-Kommission die Wirkung des "Nachhaltigkeitsfaktors" nahezu vollständig kompensiert werden. Der "Nachhaltigkeitsfaktor" wurde bei der letzten Rentenreform eingeführt, um Schritt für Schritt den Anstieg der Renten zu dämpfen. Die Chancen auf materielle Teilhabe älterer Bürgerinnen und Bürger werden zudem davon abhängen, wie gut es gelingt, die private und betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Die "Riester-Rente" ist so angelegt, dass sie auch für die in Zukunft Älteren den Lebensstandard sichern kann, wenn sie fest in deren Vorsorgeplan integriert wird. Die "Riester-Rente" wurde bei der Rentenreform 2001 eingeführt. Mit massiven Mitteln wird seither die private Vorsorge steuerlich gefördert.
a.. Geringverdiener werden bei der Vorsorge benachteiligt.
Alle Berechnungen haben gezeigt, dass die Riester-Rente schwer zu schlagen ist. Gerade für Bürger mit einem geringen Einkommen und Familien.
Die Ergebnisse von Musterrechnungen zeigen, dass die Riester-Rente in den meisten Fällen für die Sparer günstiger ist als alternative Anlagen: Dies gilt auch, wenn in den Berechnungen für die Riester-Rente eine deutlich niedrigere Rendite eingesetzt wird und wenn ein höherer Verwaltungsaufwand unterstellt wird. Das gilt auch für junge Versicherte, in deren Anlagen sich der Zinseszinseffekt stärker entfaltet. Das gilt besonders für Familien.
a.. Der "demographische Faktor" kann die Rentenversicherung besser schützen Der Nachhaltigkeitsfaktor, den die rot-grüne Koalition eingeführt hat, kann die Rentenversicherung besser schützen als der demographische Faktor, den die Union einführen wollte, da er neben der Entwicklung der Lebenserwartung auch die Entwicklung der Geburtenrate, der Zuwanderung und des Erwerbsverhaltens berücksichtigt. Die Zunahme der Beitragszahler führt zu höheren, die Zunahme der Rentner zu geringeren Anpassungen.
a.. Die Regierung hat die Sozialkassen geplündert.
Die Schwankungsreserve sichert unterjährig die Liquidität der Rentenversicherung (nicht die Einnahmen). Auch nach der Absenkung der Schwankungsreserve kann die Schwankungsreserve unregelmäßig fließende Einnahmen ausgleichen. Die Auszahlung der Renten ist zu jedem Zeitpunkt gesichert:
7. Ansprechpartnerinnen:
Eva Mädje
Referentin für Sozialpolitik
T. 030/227-51113
eva.maedje@gruene-fraktion.de
Annette Rausch
wiss. Mitarbeiterin Büro Biggi Bender MdB
T. 030 / 227-71668
birgitt.bender@bundestag.de
Zur Familienpolitik
.. Botschaft, Inhalt, Fakten
a.. Wir schaffen Chancengerechtigkeit und fördern jedes Kind individuell von Beginn an. Bildung beginnt in der Kita
b.. Wir schaffen gute und gesunde Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern.
c.. Wir schaffen qualitativ hochwertige, umfassende und verlässliche Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder.
d.. Wir schaffen Wahlfreiheit für Eltern und die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf.
e.. Wir schaffen eine starke Infrastruktur für Familien und Kinder.
f.. Wir verhindern Kinder- und Familienarmut.
2. Was haben wir gemacht?
Die Situation von Kindern und Familien hat sich im Laufe unserer Regierungszeit merklich verbessert. Der Familienlastenausgleich ist ausgebaut, Kinderrechte sind gestärkt sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind verbessert worden.
Zunächst haben wir die materielle Unterstützung von Kindern und Familien deutlich ausgebaut, nicht zuletzt in Reaktion auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Hier haben wir die unerledigten Hausaufgaben der Kohl-Regierung nachgeholt. Seit Beginn dieser Wahlperiode liegt nun der Schwerpunkt auf dem Ausbau einer hochwertigen Betreuungsinfrastruktur. Die Gründe für diese Weiterentwicklung sind überzeugend. In Deutschland existieren nunmehr relativ hohe Finanzleistungen für Kinder und Familien, sie werden auf insgesamt weit über 100 Mrd. € geschätzt. Alleine die Zahlung von Kindergeld und Freibetrag (ca. 35 Mrd. €), Erziehungsgeld, Kinderkomponente Eigenheimzulage, Rentenbeitragszahlungen des Bundes für Kindererziehungszeiten und die entgeltfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung schlagen mit rund 65 Mrd. € zu Buche. Demgegenüber stehen vergleichsweise niedrige Aufwendungen im Bereich der Kindertagesbetreuung (rund 10 Mrd. € macht der Anteil an den bundesweiten Kinder- und Jugendhilfekosten aus; nicht berücksichtigt sind dabei private Betreuungsarrangements). Im Gegensatz zur Schule werden bei den Kinderbetreuungskosten die Eltern finanziell hinzugezogen; bei bundesweit höchst Unterschiedlichen Beitragssätzen macht der durchschnittliche Eltern-Anteil etwa 15% der Kosten aus, Tendenz steigend.
Auf der anderen Seite existieren noch erhebliche Defizite beim Angebot (im Westen) und Qualität (bundesweit nur mäßig) von Kindertagesbetreuung und anderen unterstützenden Dienstleistungen für Kinder und Familien. Die Kita-Angebotsquoten verdeutlichen den großen Handlungsbedarf. Besonders für unter Dreijährige fehlt es an Plätzen (Versorgung im Westen bei nur 3%), aber auch bei der Schülerbetreuung und im Kindergarten haben im Westen mangelt es teilweise in erheblichen Umfang an Ganztagsplätzen oder zumindest an Halbtagsbetreuung samt Mittagessen. Außerdem werden erst langsam Kindertagesbetreuung und Qualitätsmanagement zusammen gedacht und die frühkindliche Bildung ernst genommen (siehe Pisa).
Genau hier haben wir bereits angesetzt, so z.B. beim Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG). Der verstärkte Ausbau der Kindertagesbetreuung findet breite gesellschaftliche Unterstützung. Von der Elternschaft, über Fach- und Wohlfahrtsverbänden, über Kirchen, Gewerkschaften, bis hin zu den Arbeitgebern werden Forderungen zum qualitätsorientierten Ausbau laut. Selbst im konservativen Lager wird Kindertagesbetreuung nicht mehr zum Schreckgespenst stilisiert, der Teil der Ausbaubefürworter wird größer.
Wir haben erreicht, dass sich Familienpolitik für die Familien auszahlt: Eine Familie mit zwei Kindern und einem Durchschnittseinkommen von rund 30.000 € hat 2005 rund 2.600 € mehr in der Familienkasse. Die finanziellen Auswirkungen familienpolitischer Maßnahmen von Bund und Ländern im engeren Sinne betrugen im Jahr 2004 insgesamt rd. 60 Milliarden €.
In mehreren Schritten haben wir Familien mit Kindern steuerlich entlastet.
Die Bilanz kann sich sehen lassen:
a.. Wir haben das Kindergeld für erste und zweite Kinder um rund 498 € oder um mehr als ein Drittel auf 1.848 € pro Jahr erhöht. Das entspricht über 300 DM Kindergeld pro Monat - und genau das hatten wir auch versprochen. Damit zahlt Deutschland nach Lexemburg europaweit das meiste Kindergeld.
b.. Wir haben den steuerfreien Grundbedarf eines Kindes, den Kinderfreibetrag, auf 3.648 € erhöht. Damit werden die Grundbedürfnisse Wohnen, Kleidung, Essen und Trinken steuerfrei gestellt.
c.. Wir haben einen zusätzlichen Freibetrag für Kinder von 2.160 € eingeführt. Damit werden der Erziehungs-, der Betreuungs- und der Ausbildungsbedarf eines Kindes steuerlich freigestellt.
d.. Damit haben wir die kindbezogenen Freibeträge für Kleidung, Wohnung, Nahrung, Betreuung, Erziehung und Ausbildung um rund 2.274 € oder um fast zwei Drittel auf insgesamt 5.808 Euro erhöht.
e.. Wir haben einen zusätzlichen Freibetrag von 924 € für Eltern eingeführt, deren Kind während der Ausbildung nicht mehr zu Hause wohnen kann. Damit unterstützen wir die Eltern, die in die Ausbildung ihrer Kinder investieren.
f.. Wir haben tatsächliche Betreuungskosten oberhalb von 1.548 € im Umfang von bis zu 1.500 € pro Kind steuerlich abzugsfähig gemacht. Damit können Berufstätigkeit und Familie besser miteinander vereinbart werden.
g.. Ab dem 1. Januar 2004 wurde außerdem für allein Erziehende ein Steuerentlastungsbetrag in Höhe von 1.308 € pro Jahr eingeführt.
h.. Ab dem 1. Januar 2005 wurde im Rahmen einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes ein Kinderzuschlag als neue familienpolitische Leistung in Höhe von monatlich bis zu 140 € je Kind eingeführt. Der Kinderzuschlag stärkt einkommensschwache Familien. Er soll verhindern, dass gering verdienende Eltern, die ihren eigenen Lebensbedarf, nicht aber den der Kinder (vollständig) decken können, von Alg II oder Sozialhilfe abhängig werden.
Die Elternzeit - früher Erziehungsurlaub - wurde flexibilisiert. Mütter und Väter können sie jetzt gleichzeitig in Anspruch nehmen. Parallel können sie bis zu 30 Wochenstunden arbeiten. Das Erziehungsgeld wurde ausgebaut, indem die Einkommensgrenzen erhöht und die Bezugsdauer flexibilisiert wurde. Im Übrigen wurde ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für alle ArbeitnehmerInnen eingeführt. Auch dies zielt auf eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. BaföG und Wohngeld wurden zur weiteren Entlastung von Familien reformiert. Die Neuregelung des Unterhaltsrechtes wurde im Sinne einer verbesserten Existenzsicherung des Kindes neu geregelt. Die Kindererziehungszeiten werden bei den Rentenanwartschaften schrittweise aufgewertet und auch bei der Pflegeversicherung Eltern besser gestellt. Bereits seit dem 1. Januar 2002 wird auch der Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge durch Zulagen und Steuerabzug gefördert. Für jedes Kind steht den Eltern nach Zahlung eines Mindesteigenbeitrages eine Kinderzulage von 46 € zu. Die Kinderzulage beträgt seit 2004 92 € und steigt gestaffelt bis zum Jahr 2008 auf 185 € je Kind an.
Wir haben mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) die Qualität in den Kindertagesstätten verbessert und den Ausbau der Betreuung für unter dreijährige Kinder befördert, indem wir Bedarfskriterien festgelegt haben. Ziel des TAG ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung zu einem bedarfsgerechten Angebot auf hohem Qualitätsniveau. Die Kernregelungen des TAG sehen eine deutliche Ausweitung des Angebotes für Kinder unter drei Jahren vor. Für diese Altersgruppe besteht der größte Handlungsbedarf. Die Qualitätsnormen im gesamten Elementarbereich werden angehoben.
Zur Finanzierung können die Kommunen jährlich 1,5 Mrd. Euro aus der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld einbehalten. Darüber hinaus hat der Bund vier Milliarden € bereitgestellt, um bis 2007 mehr Ganztagsschulen einzurichten oder auszubauen. Unser Ziel ist ein flächendeckendes Netz von Ganztagsangeboten. Ganztagsschulen bieten wichtige Freiräume abseits vom 45-Minuten-Takt. Sie ermöglichen offene Lernformen und individuelle Förderung wichtige Voraussetzungen, um das Lernen in der Wissensgesellschaft neu zu gestalten.
In den von der Bundesregierung initiierten Lokalen Bündnissen für Familien schließen sich Stadträte und Verwaltungen, Unternehmen, Kammern und Gewerkschaften, freie Träger, Einrichtungen, Kirchen, Vereine und Verbände zusammen, um ihre Stadt oder Gemeinde gemeinsam familienfreundlicher zu machen. Nach dem Motte ´Global denken, lokal handeln´ werden regionalspezifische Ansätze für mehr Familienfreundlichkeit entwickelt und umgesetzt. Erfolgsgeschichte des Regierungsprogramms: über 160 Bündnisse sind seit Anfang 2004 mit Hilfe eines Servicebüros des Familienministeriums gegründet worden. Unter dem Dach der von der Regierung angestoßenen "Allianz für die Familie" setzen sich starke Partner aus Wirtschaft, Verbänden und Politik öffentlich und beispielhaft für eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt ein. Kinder- und Familienpolitik kann nur erfolgreich sein, wenn verschiedene gesellschaftliche Akteure zusammenwirken. Die Politik kann Rahmenbedingungen schaffen und Debatten moderieren. Ein Umdenken kann aber nicht ´verordnet werden sondern muss sich entwickeln. Hier waren und bleiben die Grünen eine treibende Kraft.
Ein kinderrechtlicher Paradigmenwechsel wurde durch verschiedene Initiativen eingeleitet. Nach jahrzehntelangen Debatten haben Kinder nunmehr ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Sie werden endlich nicht mehr als zu schützendes Objekt betrachtet, sondern sind als Subjekte mit eigenständigen Rechten zu respektieren. Entsprechend wurde auch der Gewaltschutz gestaltet, indem jetzt nicht mehr das Opfer häuslicher Gewalt die Wohnung verlassen muss, sondern der Täter. Kinderrechte sind Bürgerrechte. Die Bundesregierung hat eine breit angelegte Partizipationskampagne für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Wir haben zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Kindern ergriffen, sei es für gesunde Ernährung oder gegen sexuelle Gewalt. Die Schaffung und Wahrung von kinderfreundlichen Verhältnissen ist eine fortwährende Herausforderung. Zum ersten Mal haben wir in Deutschland einen Nationalen Aktionsplan für eine kindergerechte Zukunft, in dem wir konkrete Maßnahmen und Prioritäten bis zum Jahr 2010 festgeschrieben haben.
3. Warum haben wir etwas nicht erreicht?
Rechtsanspruch Kita: Die Kommunen sind bereits seit 1991 gesetzlich verpflichtet, für unter Dreijährige (sowie für Schulkinder) für ein bedarfsgerechtes Angebot zu sorgen. Besonders im Bereich U3 sind sie dieser Verpflichtung (im Westen) nicht nachgekommen. Deshalb wurde im TAG ein Mindestbedarf durch die Schaffung von Bedarfskriterien konkretisiert. Es wäre wünschenswert gewesen, für die Familien, die diesen Bedarfskriterien entsprechen, einen rechtlichen Anspruch (sog. konditionierter Rechtsanspruch) ins Gesetz zu schreiben - analog zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Bündnis 90/Die Grünen hatten dies im Gesetzgebungsverfahren lange gefordert. Aufgrund des massiven Widerstandes seitens der Länder (bis in die SPD regierten Länder hinein) und der Kommunalverbände war diese Position jedoch nicht durchsetzbar. Als Kompromiss wurde die Berichtspflicht des Bundes ins Gesetz aufgenommen. Die Bundesregierung muss demnach jährlich dem Bundestag einen Bericht über das Voranschreiten des Ausbaus vorlegen.
Wir bestehen auf einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, weil wir der Überzeugung sind, nur so wird eine angemessene Infrastruktur aufgebaut werden. So steht es auch explizit im Wahlprogramm.
Wir haben uns zuletzt auch intensiv für die Abziehbarkeit erwerbsbedingter Betreuungskosten vom ersten Euro an eingesetzt. Wir wollten von Anfang an wir die Eintrittsschwelle von 1.548 € für Verheiratete und 774 € für allein Erziehende wenigstens noch weiter absenken. Wir konnten uns aber gegen den Widerstand der SPD und der Länder nicht durchsetzen. Auch die Streichung bzw. Abschmelzen des Ehegattensplittings haben wir gegen SPD und Union nicht durchsetzen können. Unsere Forderung nach Einführung eines Ehegattenrealsplittings halten wir aufrecht.
4. Wie geht es weiter?
Wir fordern im Wahlprogramm mit konkreten und konstruktiven Vorschlägen mehr und bessere Kindertagesbetreuung. Sie fördert und unterstützt Kinder in
vielerlei Hinsicht:
- Bildung und Wissensgesellschaft
Bildung als Schlüsselressource des Jahrhunderts und Fundament einer Wissensgesellschaft fängt bei den Kleinsten an
- Kindeswohl
Kitas - gute Qualität vorausgesetzt - fördern die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern
- Integrationspolitik
Der beste Integrationsansatz für Kinder mit Migrationshintergrund sind Maßnahmen im frühesten Alter, z.B. zum Spracherwerb
- Armutsprävention
Frühförderung und Bildung als entscheidendes Instrument zur Vermeidung von Armutskarrieren. Schaffung von Startchacen durch Lebenskompetenzen und
Bildung
- Immaterielle Armutsfolgen bekämpfen (Gesundheit, Ernährung, soziale und kulturelle Kompetenzen) Zahlreiche Folgen von Armut können nicht materiell bzw. verteilungspolitisch beseitigt werden (mehrdimensionaler Armutsbegriff)
- Vereinbarkeit Beruf und Familie
Kindertagesbetreuung als Vorraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Demografie und Familienfreundlichkeit
Infrastruktur für Kinder und Bildung schaffen familienfreundliche Bedingungen; das ist eine wichtige Voraussetzung für höhere Geburtenraten bzw. zur Realisierung von Kinderwünschen
a.. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen qualitativ hochwertigen Tagesbetreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr verankern.
b.. Wir brauchen eine Beteiligung des Bundes an der Kitafinanzierung. Die bestmögliche Förderung der Kinder erfordert größte gemeinsame Anstrengungen. Bei den Investitionen in die Zukunft unserer Kinder darf sich deshalb der Bund nicht entziehen.
c.. Wir wollen, dass Erzieherinnen wie in fast allen westeuropäischen Ländern auf (Fach)Hochschulniveau ausgebildet werden. Nur so können sie den heutigen komplexen Anforderungen von Betreuung und Bildung gerecht werden.
d.. Wir treten dafür ein, dass Angebote für Kinder und Jugendliche vor Ort im Stadtteil, in den Vereinen und Nachbarschaftsheimen, aber auch unmittelbar an den Schulen ausgebaut und allen zugänglich gemacht werden.
e.. Wir wollen den Kinderzuschlag für gering verdienende Eltern im Rahmen des Arbeitslosengeldes II in Umfang und Reichweite zu einer Kindergrundsicherung ausbauen, denn wir sind überzeugt, dass dies ein richtiges Instrument zur Förderung von Familien und zur Armutsprävention ist.
f.. Wichtig ist eine bessere Förderung von Spiel-, Bewegungs- und Gesundheitserziehung im Vorschulalter und im Schulsport. Darüber hinaus muss Bewegung im Alltag, zu Fuß und mit dem Rad sowie durch spiel- und bewegungsfreundliche Lebensbedingungen angeregt werden. Wir fordern die gute und gesunde Schule, die gute und gesunde Kita!
g.. Wir stärken die familienfreundliche Infrastruktur. Das heißt Schaffung bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger Beratungs- und Unterstützungsangebote für Mütter und Väter. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote der Elternbildung, und zwar dort, wo Eltern und Kinder sind. Eltern und Kitas und Schulen müssen enger zusammen arbeiten, bevor etwas schief geht.
h.. Wir brauchen ein Präventionsprogramm gewaltfreie Erziehung, das Eltern auch praktisch unterstützt und auf Familien in besonderen Lebenslagen zugeschnitten ist. Wir fordern die Ausbildung von Konfliktlotsen oder Streitschlichtern bundesweit zu fördern, denn dadurch kann ein gewaltfreies Miteinander an Schulen unterstützt werden.
i.. Wir setzen uns ein für die Verankerung der Kinderrechte in den schulischen Lehrplänen, um Kindern ihre Rechte im Sinne der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen - die Deutschland endlich vorbehaltlos unterstützen muss- bekannt zu machen.
5. Was wollen die anderen?
CDU
Mit Maria Böhmer (familienpolitische Sprecherin) oder Ursula von der Leyen (Familienministerin Niedersachsen) sollte noch vor kurzem ein Modernisierungskurs vorangetrieben werden, der eine deutliche Aufwertung von Kinderbetreuung und Vereinbarkeit Beruf und Familie vorsah. Im Wahlprogramm der CDU bleibt familienpolitisch konservativ und setzt rein auf materielle Familienförderung. Ihre beiden konkreten Forderungen sind die Erhöhung der Freibeträge (von heute rund 5.800 Euro)auf 8000 Euro pro Kind (Kosten ca. 4 Mrd. Euro) sowie die Einführung eines Kinderbonus in der Rente von 50 Euro im Monat. Der Kinderbonus kostet schätzungsweise pro Jahrgang 450 Mio. Euro und könnte sukzessive bis auf 6 Mrd. Euro steigen. Die steuerliche Freibetragserhöhung bevorteilt Bezieher mittlerer und höherer Einkommen. (Drohende) Kinderarmut wird auf diese Weise nicht bekämpft. Gleichzeitig dürfte die Mehrwertsteuer Familien, die per se eine hohe Konsumquote ausweisen, belasten - besonders natürlich diejenigen ohne Erwerbseinkommen, die also auch nicht durch Freibeträge entlastet werden.
Aus grüner Sicht wiegt jedoch noch schwerer, dass das Unionsprogramm an den Bedürfnissen vieler Eltern vorbei geht: Freibeträge schaffen keine Betreuungsplätze. Genau daran mangelt es jedoch in Deutschland - wir haben hohe Transfers und zu wenig Infrastruktur. Hier hat die rot-grüne Regierung mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz und Ganztagsschulprogramm einen Paradigmenwechsel eingeleitet.
Das Wahlprogramm der Union mit einem Schwerpunkt auf den finanziellen Transfers für mittlere Einkommen und Kinderbonus für die Rente entlastet Familien nicht in der Erziehungsphase. Er trägt auch nicht zur direkten Förderung von Kindern bei, stärkt jedoch, wie etwa das Ehegattensplitting, den Anreiz besonders bei Müttern, länger zu Hause zu bleiben. Dieses bestätigt die sehr traditionelle Haltung der Union, die Ehe und Familie zum primären Leitbild erhebt. Ein kindzentrierter Ansatz, wie ihn die Grünen verfolgen, ist nicht erkennbar.
Im Wahlprogramm der Union ist ersichtlich, dass Betreuung und Erziehung nach ihrer Auffassung schwerpunktmäßig in der Familie stattfinden sollte. Formal fordert die CDU hier zwar "die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werde künftig von den unionsgeführten Ländern durch den Ausbau der Kinderbetreuung forciert werden", doch in der Praxis der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass sie die Bemühungen um einen Ausbau der Kindertagesbetreuung blockiert. Die CDU ist hier einfach durch die Fakten wie niedrige Betreuungsquoten und mangelnde Qualität in der Betreuung widerlegbar.
FDP will statt des Kindergeldes für jedes Kind einen Grundfreibetrag von 7.700 € jährlich (vgl. Bewertung Freibeträge Union) Ganztagsbetreuung und Krippenplätze sollen ausgebaut, Halbtagskindergartenplätze kostenlos bereitgestellt werden. Wie sie die Abschaffung der Elternbeiträge in Höhe von rund 2 Mrd. Euro finanzieren will, sagt sie nicht. Sie ist zudem für einen Rechtsanspruch ab zwei Jahren. Finanziert würde das durch Einsparungen, die sich durch Geburtenrückgänge im Kindergartenalter bei den Kommunen einstellen. Als der Bund vergleichbar eine Teilfinanzierung beim TAG vorschlug, hatte die FDP dies als untauglich abgelehnt.
Auf der Bundesebene verspricht die FDP neuerdings viel zu Kinderbetreuung. Ihre Praxis in den Ländern - in schwarz-gelben Koalitionen - sieht diametral anders aus. In den Ländern, z.B. jüngst in Niedersachsen, ist sie für steigende Elternbeiträge und sinkende Betreuungsqualität verantwortlich stark. Auf Landesebene hatten die Liberalen eine Blockade gegen das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) schmieden wollen, dessen Finanzierung kritisiert und dem Bund schlichtweg die Kompetenzen abgesprochen. Im Bundestag hatten sich Union und FDP das Gesetz schlecht geredet und unisono über die Gegenfinanzierung mokiert.
SPD / PDS Berlin meinen es mit flächendeckender verlässlicher Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht wirklich ernst. Beispiel Berliner Kitagesetz: Die Kinder werden voraussichtlich weniger Zeit in den Kitas verbringen. Denn die Kriterien, nach denen die Bezirke die Stundenzahl genehmigen, die ein Kind in der Kita sein darf, werden verschärft. Arbeitslose haben nur noch einen Anspruch auf einen Halbtagesplatz. Einen Hortplatz in der fünften und sechsten Klasse sollen sie gar nicht mehr beanspruchen dürfen. Kita-Beiträge wurden für alle Familien erhöht. Das Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr wurde so weit erhöht, dass sich das selbst Sozialgeldempfänger nicht leisten können - darunter viele Familien.
SPD will ein lohnabhängiges Elterngeld nach skandinavischem Vorbild einführen, sowie eine Kinderkasse, die alle familienpolitischen Leistungen bündelt. Wir lehnen ein Elterngeld ab, zum einen, weil die wichtigste Voraussetzung für die Einführung eines Elterngeldes und die damit verbundene Verkürzung der Bezugszeiten auf ein Jahr die flächendeckende und hochwertige Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren ist. Bekanntermaßen ist die Betreuungssituation für Kinder unter drei Jahren äußerst schlecht, gleichzeitig existiert noch kein Rechtsanspruch für diese Altersgruppe. Kinderbetreuung und Rechtsanspruch sind daher Forderungen, die vorrangig erfüllt werden müssen (siehe grünes Wahlrpgramm). In der angespannten Haushaltslage sollte man die 1,2 Mrd. Euro jährlich besser in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Zum anderen wirft ein Elterngeld in dieser Form wichtige Fragen nach der Gerechtigkeit von Transferleistungen auf, eine Akademikerin mit hohem Einkommen bekommt danach deutlich mehr für ihr Kind als eine Verkäuferin. Darüber hinaus gefährdet es die Wahlfreiheit und zwingt Frauen in den Beruf, weil die Förderungsdauer von zwei auf 1 Jahr gekürzt wurde.
6. Was werfen uns die anderen vor?
Die Bundespolitik fordert einen massiven Ausbau der Kinderbetreuung, wobei die Finanzierung den ohnehin schon Not leidenden Ländern und Kommunen obliegt.
Das ist richtig. Aus diesem Grunde betonen wir immer wieder, dass der notwendige Ausbau eine politische Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen ist. Im Zuge der anstehenden Gemeindefinanzreform ist dieser Bereich deshalb mit zu beraten und für kommende Mehrbelastungen ein gerechter Ausgleich zu finden. Ferner ist eine direkte Finanzbeteiligung des Bundes zu prüfen und auch politisch zu klären. (Geldleistungsgesetz)
Der Ausbau der Ganztagsbetreuung führt dazu, dass Kinder abgestellt werden und sich von ihrer Familie entfernen.
Diese Auffassung ist so falsch, wie sie antiquiert ist. Externe Kinderbetreuung funktioniert nicht gegen, sondern in Ergänzung zur familiären Betreuung. Es ist erwiesen, dass auch eine ganztägige Betreuung in Einrichtungen - mit entsprechender Qualität - dem Kindeswohl entspricht. Unsere gesellschaftliche Entwicklung ist von zunehmend ausdifferenzierten Familienformen, erhöhten Mobilitätsanforderungen und der vielfachen Auflösung von Strukturen im sozialen Nahbereich gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Sozialisationsleistungen von Kitas, Kindergärten und Horten enorm an Bedeutung und stellen eine Bereicherung für das kindliche Aufwachsen dar. Hier finden Kinder zusätzliche Möglichkeiten, soziale und kognitive Kompetenzen zu erwerben. Nicht selten erfahren Kinder hier eine für ihre Entwicklung unerlässliche Kontinuität, die sie zuhause vielleicht nicht vorfinden. Es gibt immer mehr Einzelkinder. Für sie bietet oftmals nur die KiTa die einzige Chance, intensiv mit Gleichaltrigen zusammen zu sein.
Die Entscheidung für eine Kitabetreuung bzw. über Form und Umfang haben selbstredend die Eltern zu treffen. Der Staat kann und soll das nicht übernehmen. Er muss aber ein entsprechendes Angebot bereithalten und somit Wahlmöglichkeiten schaffen. Übrigens: wichtiger als die Frage, wie lange Kinder Zeit mit ihren Eltern verbringen, ist die, wie sie zusammen ihre Zeit gestalten. Der Ausbau von Ganztagsbetreuung bedeutet nicht - wie manchmal kritisch unterstellt wird - für alle Kinder den Zwang, ganztags in eine Einrichtung zu gehen. Vielmehr ist sie ein Angebot, das Wahlfreiheit ermöglichen soll.
Wir haben Familienleistungen gekürzt (Erziehungsgeld Beträge geglättet und Einkommensgrenzen abgesenkt)
Das ist falsch. Wir haben nachweislich die Summe der Leistungen für Familien erhöht. Lediglich beim Erziehungsgeld ist es zu vertretbaren Kürzungen gekommen, nachdem das Familienministerium auch seinen Beitrag zu einer ressortübergreifenden Konsolidierungsrunde hat leisten müssen. Für die ersten sechs Monate Erziehungsgeldbezug wurde die sehr großzügige Einkommensgrenze abgesenkt. Das war eine nicht erfreuliche, aber vertretbare Maßnahme.
Unter Rot-grün hat sich die Kinderarmut drastisch erhöht.1,1 Millionen Kinder lebten 2003 in der Sozialhilfe.
Familien in Deutschland verfügen überwiegend über sichere materielle Verhältnisse. Kinder sind also zunächst kein Armutsrisiko an sich. Besondere Lebenslagen von Familien können jedoch zu Armut samt den vielschichtigen Folgen führen. Die Hauptursache für Armut sind in erster Linie Arbeitslosigkeit eines oder beider Elternteile, Krisen wie Trennung und Scheidung (sowie in zahlreichen Fällen nicht geleistete Unterhaltszahlungen für Kinder) und auch Niedrigeinkommen, die nicht ausreichen, um auch die Bedarfe der Kinder abzudecken. Besonders stark betroffen sind dabei allein Erziehende und Familien mit Migrationshintergrund. In diesen Fällen entstehen oftmals Armutskarrieren, also dauerhafte Armut, die nicht selten sogar noch ´vererbt´ wird.
Die Bundesregierung hat erhebliche Anstrengungen unternommen, Kinder- und Familienarmut zu bekämpfen. Die Armutsrisikoquoten sind etwa durch erhebliche Aufstockungen beim Familienlastenausgleich gesenkt worden. Für Paare mit zwei Kindern ist ein Rückgang der Armutsquote zu verzeichnen. Damit konnten jedoch die durch anhaltend hohe Arbeitslosigkeit bedingten Armutsfolgen nicht ausreichend kompensiert werden. Weitere, zielgenaue Maßnahmen sind notwendig und zum Teil bereits auf den Weg gebracht. Alleinerziehenden, deren Armutsquote mit 30 Prozent konstant hoch, mangelt es vielfach an Möglichkeiten der Kinderbetreuung, ihnen ist damit bereits der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu eigenem Erwerbseinkommen verwehrt. Das wird sich mit dem Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung und dem Tagesbetreuungsausbaugesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung ändern. Außerdem erhalten im Rahmen des ALG II allein Erziehende einen zusätzlichen bzw. erhöhten Mehrbedarfszuschlag und viele Familien haben Anspruch auf unseren Kinderzuschlag zum ALG II. Ferner ist eine Reform des Unterhaltsrechtes nötig (und in Vorbereitung gewesen), die Kinder im Unterhaltsverfahren bevorzugt behandelt. Dieses Vorhaben wir durch das vorzeitige Ende der Legislatur nicht abgeschlossen werden.
Die materielle Versorgungslage ist jedoch nur eine Facette der Armutsproblematik. Von entscheidender Bedeutung wird es sein, gerade auch Kindern aus schwierigen Verhältnissen einen zukunftsträchtigen Bildungsweg zu gewährleisten. Das gilt auch und besonders für Kinder mit Migrationshintergrund. In kaum einem vergleichbaren Land sind die Bildungs- und damit die späteren Teilhabechancen so eng mit der sozialen Herkunft verknüpft wie in Deutschland. Ohne einen gerechten Zugang zur Schlüsselressource der Zukunft bleiben die Perspektiven von Kindern in Armut überaus problematisch. Sowohl ihre Lebenskompetenzen als auch formale Schulabschlüsse werden ohne adäquate Maßnahmen und Angebote weit hinter ihre Möglichen bleiben. Auch aus diesem Grund setzt die Bundesregierung ihre klare Priorität auf den Ausbau der Infrastrukturen für Kinder und Familien.
7. Ansprechpartner
Büro Ekin Deligöz, MdB
Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Platz der Republik 1
11011 Berlin
T. +49 (0)30-227-71506
F. +49 (0)30-227-76834
ekin.deligoez@bundestag.de
www.ekin.de
Juliana Schiwarov
Referentin für Kinder-, Jugend und Familienpolitik
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
11011 Berlin Jakob-Kaiser-Haus
T. 030-227 58968
F. 030-227 56035
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