Frage an Marina Schuster von Reiner N. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Schuster,
Wie kann der Bundestag über etwas entscheiden, über das er nicht annähernd informiert wurde. Es ist unmöglich einen Inhalt von 300 Seiten innerhalb eines Tages durchzulesen um anschließend kurzfristig darüber zu entscheiden. Mit dieser Taktik, die gegen geltende Gesetze verstößt, wird der Bundestag zur Marionette.
Bei uns gibt es Tafeln, die Kinderarmut steigt, wo sind da die Milliarden-Hilfen?
Die Renten reichen oft nicht zum Leben und die Niedrigverdiener müssen zum Amt wegen Aufstockung, geschweige denn von den Hartz IV Beziehern, es reicht nicht zum Leben und ist zu viel um Sterben.
Es ist schon Merkwürdig das man mit Krediten Schulden abbauen will, wo doch jeder weiß das zum Kredit auch noch Kreditzinsen anfallen. Wer schenkt einem Normalbürger bei einem Kredit Geld, keiner im Gegenteil bei nicht Zahlung werden noch Verzugszinsen und Mahngebühren fällig. Ich verstehe nicht wieso man an dem Pleitestaat Griechenland festhält ?
Mit freundlichen Grüßen
Reiner Necke
Sehr geehrter Herr Necke,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Nachrichten über das europäische Engagement für unseren Nachbarn Griechenland mit gehöriger Skepsis aufgenommen werden. Die Summen, um die es geht, sind tatsächlich enorm. Und es ist wichtig, dass uns allen klar ist, was mit den Hilfen genau passiert - und um welche Hilfen es sich handelt.
Zunächst kann ich Ihnen versichern, dass wir die Inhalte der jeweiligen Gesetzesvorlagen zur Unterstützung Griechenland kennen und diskutieren- dies war auch bei den Ende November beschlossenen Änderungen des bestehenden Programms der Fall.
Sie dürfen nicht übersehen: Wir diskutieren ja nicht das erste Mal über geeignete Maßnahmen für Griechenland. Im Gegenteil: bereits seit etwa zwei Jahren wird der Deutsche Bundestag in überaus regelmäßigen Abständen umfassend über die Lage informiert. Wir haben zahlreiche Sondersitzungen der Ausschüsse, der Fraktionen, Regierungserklärungen und Debatten im Plenum - kein Bereich bestimmt die Agenda in dieser Legislatur so wie die Eurostabilisierung. Und ich möchte auch daran erinnern: Den Maßnahmen haben bisher die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der GRÜNEN zugestimmt - eine sehr breite Mehrheit im Parlament.
Im Folgenden möchte ich Ihnen jedoch gerne darlegen, weshalb es für uns unabdingbar ist, als europäische Partner auch in Krisen zusammenzuhalten. Außerdem ist es mir wichtig klarzustellen, dass Deutschland alle Unterstützungsleistungen an konkrete Gegenleistungen gebunden hat.
Mit der weiteren Unterstützung Griechenlands bei seinen Reformbemühungen hat die schwarz-gelbe Koalition ein ganz wichtiges Ziel: nämlich die Sicherung unserer Gemeinschaftswährung und den konsequenten Umbau Europas zur Stabilitätsunion.
Das Fundament dieser neuen Stabilitätsarchitektur ist mit dem Fiskalvertrag, der im Gegensatz zu dem seinerzeit von SPD und Grünen aufgeweichten Stabilitätspakt verbindliche Defizitgrenzen aufzeigt, bereits erfolgreich gelegt worden.
Jedoch müssen zur Vermeidung einer gefährlichen Kettenreaktion auch akute Überschuldungsfälle behandelt werden. Griechenland ist fraglos ein solcher Fall. Jahrzehntelange Misswirtschaft, fehlende ordnungspolitische Rahmensetzung und mangelnde Haushaltsdisziplin haben Griechenland in diese schwierige Lage gebracht.
Zwar ist es im Nachhinein immer müßig, solche Feststellungen zu treffen, jedoch gehört es zur Wahrheit, dass die Entscheidung von Rot-Grün, Griechenland entgegen seiner bereits damals erkennbar fehlenden Beitrittsfähigkeit in die Eurozone aufzunehmen, erst die Ursache dieser Gefahr für die Gemeinschaftswährung begründet hat.
Es handelt sich bei den nun beschlossenen Veränderungen um Anpassungen am bestehenden Programm. Die Änderungen sind nach Auffassung der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) insbesondere aus zwei Gründen notwendig geworden. Zum einen hat sich die Konjunktur erheblich ungünstiger entwickelt als im Programm ursprünglich angenommen. Zum anderen kam es nicht zuletzt aufgrund der Neuwahlen in Griechenland zu Verzögerungen in der Umsetzung der zugesagten Maßnahmen.
Die Troika hat trotz dieser nicht vorhersehbaren Entwicklungen in ihrem einvernehmlichen Bericht bestätigt, dass Griechenland sein Reformprogramm, den Haushalt für 2013 und eine ambitionierte mittelfristige Haushaltsstrategie bis 2016 in zufriedenstellender Weise auf den Weg gebracht hat. Es ist auch nicht so, dass Griechenland "nichts" getan hat - sondern es gibt durchaus erste Erfolge, die man auch anerkennen sollte: So wurden zum Beispiel die Staatsausgaben von 2009 bis 2012 um 20 Prozent reduziert.
Um nur einige Erfolge bei den Sanierungsbemühungen Griechenlands zu nennen, verweise ich auf die jüngste Reduzierung des Haushaltsdefizits seit 2009 um 9 Punkte von 16 auf 7 Prozent.
Die harten Verhandlungen der Troika in den vergangenen Monaten haben dazu geführt, dass Griechenland bei seinen Reformbemühungen nochmals nachgelegt hat. So hat Griechenland weitere wichtige Strukturreformen, wie etwa in der Finanzverwaltung beschlossen.
Auch wurde im November ein zusätzliches Sparpaket im griechischen Parlament mit einem Volumen von beachtlichen 13,5 Mrd. Euro verabschiedet.
Aufgrund der verschlechterten Rahmenbedingungen hat die Troika nun sinnvollerweise vorgeschlagen, die haushaltspolitischen Zielvorgaben des Hilfsprogramms an die neue Lage anzupassen. Das Ziel eines Primärüberschusses soll von 2013 auf 2014 verschoben werden und das Erreichen eines Staatsdefizits unterhalb der Maastricht-Zielmarke von 3 Prozent des BIP von 2014 auf 2016. Nicht zuletzt muss die Schuldentragfähigkeit neu geprüft werden, da das ursprüngliche Ziel eines Schuldenstands von 120 Prozent des BIP im Jahr 2020 absehbar wohl nicht mehr erreicht werden kann.
Wir werden Griechenland auf seinem beschwerlichen Weg weiter begleiten, sofern die strengen Sanierungsauflagen weiterhin eingehalten werden.
Zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit führt Griechenland einen Schuldenrückkauf durch. Die Finanzierung in Höhe von bis zu 10,2 Mrd. Euro erfolgt aus Programmmitteln, d.h. ohne Aufstockung des Programmvolumens.
Bei den EFSF-Darlehen wird von der bisher erhobenen Garantiegebühr zukünftig abgesehen. Die Laufzeit sowohl der bilateralen Kredite unter dem Griechenland I-Programm als auch der EFSF-Kredite wird um 15 Jahre verlängert. Mit dieser Maßnahme sollen die Tilgungsverpflichtungen Griechenlands nach 2020 besser auf die nachfolgenden zehn Jahre verteilt werden.
Für den Bundeshaushalt führt dies bei den Zinsen zu Mindereinnahmen im Umfang von rund 130 Mio. Euro jährlich, da dieses Programm über die bundeseigene KfW abgewickelt wird. Die Zinsen auf die EFSF-Darlehen werden für zehn Jahre gestundet. Die Mitgliedstaaten der Eurozone erklären sich des Weiteren bereit, einen Betrag in der Höhe der Zentralbankgewinne, die auf die im Rahmen geldpolitischer Operationen angekaufter griechischen Staatsanleihen zurückzuführen sind, an Griechenland abzuführen.
Sozialausgaben hierzulande sind von den Maßnahmen der Eurostabilisierung nicht betroffen, also auch nicht der von Ihnen genannten Bereich der Renten- und Arbeitsmarktpolitik. (Übrigens muss ich Ihnen beim Punkt der steigenden Kinderarmut widersprechen: das Risiko für Kleinkinder, in Armut aufzuwachsen, ist laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Oktober im vergangenen Jahr in Bayern sogar weiter gesunken; die Studie finden Sie hier: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_113850.htm ).
Und dass Sozialausgaben gekürzt worden wären, stimmt so nicht. Es war die FDP im Bayerischen Landtag, die dafür sorgt, dass das dritte Kindergartenjahr kostenfrei wird.
Im Bundestag haben wir die Hartz-IV-Regelsätze für rund 6,1 Millionen Erwachsene und Kinder erhöht.
Außerdem haben dafür wir gesorgt, dass die Leistungen für Kinder in Hartz-IV-Familien nun bedarfsgerecht ermittelt werden - denn Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene, sondern haben eigene Bedürfnisse. Wir haben das Bildungs- und Teilhabepaket auf den Weg gebracht - damit können Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringen Einkommen z.B. bei Ausflügen und Ferienfreizeiten mitfahren sowie Sport- und Musikangebote nutzen.
Die zuletzt im Juli 2012 erreichten Rentensteigerungen zeigen, dass auch die Rentner am Aufschwung beteiligt werden. Die außerdem durchgesetzte Senkung des Rentenbeitrags auf 18,9 Prozentpunkte ist ein großer Entlastungsschritt in einer Größenordnung von sechs Milliarden Euro. Aktuell ist für uns die Hinzuverdienstgrenze für Rentner ein zentrales Thema. Wir möchten, dass man bis zur Höhe des letzten Bruttogehalts etwas hinzu verdienen kann - bisher ist es nur bis 450 Euro möglich. Davon könnten ein paar hunderttausend Rentnerinnen und Rentner Gebrauch machen. Deshalb wollen wir das auf den Weg bringen.
Ich hoffe, ich konnte Sie von Folgendem überzeugen: Stabilität in der Eurozone lässt sich leider nicht mit dem einen großen Paukenschlag wiederherstellen, es sind viele Einzelschritte notwendig. Davon ist die Anpassung des Hilfsprogramms für Griechenland einer. Griechenland ist und bleibt in der Pflicht. Schritt für Schritt in gegenseitiger Solidarität, nur so kann es weitergehen. Und wir arbeiten weiterhin dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland profitieren können.
Zum Abschluss noch ein wichtiger Punkt: Für eine so niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Bayern mit 2,4 Prozent (Dezember 2012) können wir auch dankbar sein (ohne dass wir uns darauf ausruhen). In Spanien beispielsweise ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos - fast 50 Prozent.
Mit freundlichen Grüßen
Marina Schuster