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Marianne Schieder
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Frage von Gerald P. •

Frage an Marianne Schieder von Gerald P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Guten Tag Frau Schieder,

daß ausgerechnet Politiker und Beamte, die keinen Cent in die Rentenkasse einzahlen, weiterhin nur bis 65 arbeiten müssen, ist wirklich eine bodenlose Frechheit. Eigentlich müsste es umgedreht sein: die nichts einzahlen, müssten länger arbeiten als die Einzahler. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man den Renteneinzahlern derart vor den Kopf stoßen kann. Dabei ist genau dieser Sachverhalt ein ganz entscheidender Grund, warum die Rentenkassen leer sind und die einzig logische Konsequenz wäre, ALLE zahlen in die Rentenkasse ein und ALLE gehen mit dem GLEICHEN Alter in Rente. Solange das nicht geschieht, sehe ich nicht ein, warum ich bis 67 arbeiten soll. Schon allein aus Gründen der Gerechtigkeit müssen die Politiker gleichziehen, alles andere wäre weder vorbildlich noch solidarisch. Wird das umgesetzt?
Zur demografischen Entwicklung: Man rechnet hier mit Lebenserwartungen, wie es das Wort schon sagt ist, es nur eine Erwartung und keine 100%ige Sicherheit. Wer weiß, was bis in 50 Jahren passiert? Bisher hat keine einzige Prognose für die demografische Entwicklung für einen Zeitraum von über 20 Jahren zugetroffen! (s. z.B. Die Zeit vom 16.5.07 S. 39-41, außerdem im Internet: Gerd Bosbach: Demografische Entwicklung - Kein Anlaß zur Dramatik, und viele mehr).
Was die körperlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen eines über 60 jährigen Menschen angeht, kann ich Sie nur fragen, glauben Sie wirklich, daß es in 20 Jahren anders sein wird als bisher, daß man mit spätestens 60 einfach nicht mehr so kann (Bremsalter!)?. Warum arbeiten denn die meisten heute nicht einmal bis 65? Die Vorstellung mit 65 noch 2 Jahre lang einen Fulltimejob erledigen zu müssen, finde ich höchst beängstigend. Man muß sich also in unserem tollen Sozialstaat kaputt arbeiten, um eine einigermassen vernünftige Rente zu bekommen. Das zeigt wieder einmal mehr, daß die Bedürfnisse und Ängste der Bürger Euch Politikern völlig egal sind.

Mit freundlichen Grüssen
Gerald Paschke

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Paschke,

vielen Dank für Ihre Mail zur Rente mit 67. Die Rente mit 67 wird auch auf Abgeordnete und Beamte (im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes) übertragen.

Der demographische Faktor ist, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, für die Entscheidung maßgeblich und deshalb möchte ich es nicht versäumen Ihnen die Hintergründe der Rentenpolitik der Großen Koalition ausführlich erläutern. Dies ist jedoch nicht hinreichend möglich, ohne auch auf die veränderten demographischen Grundbedingungen einzugehen. Das neue Renteneintrittsalter von 67 Jahren (das in 22 Jahren zum Tragen kommen wird!) trägt der gestiegenen Lebenserwartung und damit dem längeren Rentenbezug Rechnung.

Nachfolgend nenne ich Ihnen einige Daten, die verdeutlichen sollen, warum wir han­deln müssen. Alles andere wäre unverantwortlich.

* Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer ist seit 1959 um
11 auf fast 76 Jahre gestiegen. Die Lebenserwartung der Frauen
sogar um 13 auf gut 81 Jahre. Im Jahr 2030 werden Männer im
Schnitt eine Lebenserwartung von 83 Jahren haben, Frauen werden
dann fast 88 Jahre alt werden.

* Parallel dazu ist im selben Zeitraum die Geburtenzahl dramatisch
zurückge­gangen. 1969 brachte jede Frau durchschnittlich 2,1
Kinder zur Welt. Damit konnte das zahlenmäßige Verhältnis zwischen
den Generationen stabil gehal­ten werden. Das hat sich seit Mitte
der siebziger Jahre verändert. Die Gebur­tenrate liegt nun bei 1,4
Kindern. Das Gleichgewicht der Generationen ist da­mit verschoben.

* Das Verhältnis der 65-jährigen und Älteren zu den 20- bis
65-jährigen beträgt zur Zeit rd. 1:3. Auf einen Rentner kommen
drei Menschen, die arbeiten und eine Rente bezahlen. Im Jahr 2030
wird sich das Verhältnis auf 1:2 ver­schlechtern - dann sind es
nur noch zwei Beitragszahler, die für einen Älteren sorgen. Grund
dafür sind die sinkende Geburtenrate und die steigende
Le­benserwartung. D. h. immer weniger junge Menschen müssen die
Renten für immer mehr Ältere erwirtschaften. Das kann auf Dauer
nicht ohne Auswirkun­gen bleib

* Die wachsende Lebenserwartung verlängert die Rentenbezugszeit:
1960 be­trug die durchschnittliche Rentenbezugsdauer knapp 10
Jahre; 1990 waren es bereits über 15 Jahre; 2006 17 Jahre. Im Jahr
2020 werden es fast 20 Jahre sein.

* Gleichzeitig nehmen die Versicherungsjahre immer weiter ab. Die
normale Berufskarriere beginnt später und weist immer mehr Brüche
auf. 1998 lagen die durchschnittlichen Versicherungsjahre bei
Frauen bei 26,5 Jahren, 2004 bei nur 25 Jahren. Bei den Männern
sind die Versicherungsjahre im selben Zeitraum von 40 Jahren auf
39,2 Jahre gesunken.

Diese Zahlen machen die Lage deutlich. Die Politik darf den Menschen nichts vor­gaukeln. Deshalb sagen wir schon heute, dass in 22 Jahren das normale Rentenein­trittsalter bei 67 Jahren liegen wird. Aber auch erst in 22 Jahren und nicht schon heu­te, wie manche glauben machen wollen! Ich weiß, dass eine Erhöhung des Rentenalters ins Leere laufen muss, wenn sich die Aufgefordert sind allerdings auch Wirtschaft und Gewerkschaften, das Arbeitsleben mit Tarif- und Betriebsvereinbarungen so zu gestalten, dass die Beschäftigungs­fähigkeit im Alter erhalten und erhöht wird.

Die Einführung der Rente mit 67 ist verknüpft mit einer notwendigen Steigerung der Erwerbsquote der Über-50-jährigen und mit der Schaffung einer altersgerechteren Arbeitswelt. Darum müssen wir nach Möglichkeiten suchen, den Rentenzugang zu flexibilisieren. Dazu haben wir eine Arbeitsgruppe aus Partei und Fraktion eingesetzt, die zum Jahresende hierzu Konzepte vorlegen wird. Im Blickpunkt stehen dabei be­sonders diejenigen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter z. B. aus Gesundheits­gründen nicht erreichen können.

Ich weiß, dass die Rente mit 67 kein populäres Thema ist. Unsere solidarische Rentenversicherung ist und bleibt aber die wichtigste Säule der Alterssicherung. Wir halten an der Solidarität zwischen Jung und Alt fest. Gerade als Gewerkschaftsmitglied halte ich die Rente ab 67 für notwendig und rich­tig, um dieses Erfolgsmodell auch für kommende Generationen abzusichern. Dabei wird niemand überfordert. Wichtig ist für mich, dass Versicherte mit 45 Jahren Pflicht­beiträgen auch weiterhin mit 65 Jahren abschlagsfrei ihre Altersrente beziehen kön­nen. Vor allem körperlich hart arbeitende Menschen werden damit entlastet.

Ebenso wichtig war mir die Verankerung einer Vorbehaltsklausel, die die Bundesre­gierung dazu verpflichtet, ab 2010 alle vier Jahre zu prüfen, wie sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Ältere darstellt und ob die Rente mit 67 angesichts der Arbeits­marktentwicklung verantwortet werden kann.

Die Rente mit 67 und die Initiative 50plus sind angemessene und notwendige Ant­worten auf die Herausforderungen, die der demographische Wandel für Gesellschaft und Arbeitswelt bringt. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die älter werdende Ge­sellschaft zu einer Chance zu machen. Ich bin überzeugt davon, dass die Maßnah­men notwendig sind, wenn wir frühzeitig auf die tief greifenden Veränderungen der kommenden Jahre vorbereitet sein wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB

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