Maria Wollmerstädt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Herbert D. •

Frage an Maria Wollmerstädt von Herbert D. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Wollmerstädt,
in Deutschland ist das Bildungssystem nicht nur mangelhaft sondern auch unsozial und ausgrenzend – speziell der Umgang mit körperlich und geistig beeinträchtigte und lernbehinderte Kinder zeigt dies. So werden in Deutschland z.B. Kinder mit Downsyndrom an Förderschulen abgeschoben obwohl eine UN-Konvention vorsieht, das diese Kinder an Regelschulen unterrichtet werden müssen. Was in anderen Ländern längst funktioniert (http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,612642,00.html), ist in Deutschland jedoch in weiter Ferne. Es gibt kaum Plätze an integrativen Schulen. Aber es gibt Ausnahmen: Auf eine Schule wie die Peter-Petersen-Grundschule in Köln lernen seit fast 20 Jahren Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam. Und die Erfahrung zeigt: Die Schüler lernen soziale Verantwortung und haben gute Leistungen.

Wie sieht die Situation in Sachsen aus? Gibt es hier auch integrative Schulen? Werden Sie sich, Frau Wollmerstädt, für die Stärkung von Rechten der "behinderten" Kindern einsetzen und der Forderung der UN-Konvention nachkommen und diese Kinder nicht nur ins Schulsystem integrieren sondern in den Schulalltag einschließen (gemeinsames Lernen)?

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Derksen

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Derksen,

die UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen, die im letzten Jahr auch von der Bundesrepublik ratifiziert worden ist, verpflichtet uns zu einem inklusiven Schulsystem. Das heißt, auch Menschen mit Behinderungen und mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben ein Recht auf gemeinsamen Unterricht mit Kindern, die diesen Bedarf nicht haben. Tatsächlich ist der Anteil an Kindern in Sachsen, die aus allgemeinbildenden Schulen ausgesondert werden und Förderschulen besuchen, trotz insgesamt sinkender Schülerzahlen seit Jahren unverändert hoch. Leider verlässt ein Großteil (ca. 85 %) der Schüler die Förderschulen ohne Schulabschluss.
Nach dem Inklusionskonzept muss sich das Bildungssystem an den Bedürfnissen des Kindes orientieren. Das Gegenteil ist in Sachsen der Fall: Kinder werden entsprechend ihrer vermeintlichen Fähigkeiten an die verschiedenen Schularten einsortiert – auf der untersten Stufe in Förderschulen.
Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf können in Sachsen gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern unterrichtet werden, sofern die personellen, räumlichen und sachlichen Voraussetzungen gegeben sind. An diesen Voraussetzungen mangelt es allerdings oft. Die Entscheidung über den Besuch einer Regelschule trifft die Regionalstelle der Bildungsagentur - d. h. die Eltern der betroffenen Kinder werden zu Bittstellern und haben keinen ANSPRUCH auf Integration.
Auch wenn das Kultusministerium auf seiner Website schreibt "Neben dem Besuch einer Förderschule wird das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schülern zunehmend zur Normalität", ist die reale Situation in Sachsen eine andere. Im Freistaat Sachsen gibt es keine gesetzlich festgelegten Integrationsschulen. Der Anteil der „integrierten Schüler“ an der Gesamtschülerzahl liegt gerade mal bei 0,7 %. Besonders problematisch sind hier die Förderschulen für Lernbehinderungen und für emotionale und soziale Entwicklung. Eltern, die ihr Kind an einer „normalen“ Schule unterbringen wollen, müssen in der Regel darum kämpfen, es gibt keinen praktischen Anspruch auf die Integration dieser Kinder und die Bereitstellung der entsprechenden personellen und sächlichen Ressourcen.
Ich will, dass behinderte Kinder gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern aufwachsen und in Kindertagesstätten und Schulen gemeinsam lernen. Die Eltern der betroffenen Kinder sollen zukünftig nicht mehr wie Bittsteller behandelt und ihre Anträge einfach "abgearbeitet" werden. Durch Veränderungen an den sogenannten Regelschulen sollen die Förderschulen faktisch überflüssig werden. Die sonderpädagogische Kompetenz, die an den bisherigen Förderschulen vorhanden ist, muss in der Regelschule dauerhaft verankert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Maria Wollmerstädt