Frage an Maria Böhmer von Bodo M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Böhmer,
durch Zufall wurde ich auf die Website des "Projekts Islamische Grundschulen in Deutschland" aufmerksam ( http://pro-igs.jimdo.com/ ).
Dort ist zu lesen: "Im Schulalltag werden die Muslime häufig mit Ansichten konfrontiert, die klar unseren islamischen Moral -und Glaubensvorstellungen widersprechen."
FRAGE an Sie: Was unternehmen Sie und andere mit dem Thema Integration befasste PolitikerINNEN dagegen, dass sich durch die Errichtung eines islamischen Parallel-Schulsystems die bereits jetzt bestehenden muslimischen Parallelgesellschaften mit ihren teils konträren Wertvorstellungen weiter verfestigen?
Ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an den islamischen Rechtsgrundsatz, dass Ungleiches auch ungleich zu behandeln ist, d. h. weibliche anders als männliche Personen (z. B. nur halbes Erbrecht für Frauen laut Koran), Muslime anders als "Ungläubige" etc.
Auch die Problematik (aus muslimischer Sicht) einer gleichberechtigten Teilnahme BEIDER Geschlechter am Sport- und insbesondere Schwimmunterricht könnte durch solche Schulen umgangen und damit das Recht auf Bildung geschlechtsdiskriminierend ausgelegt werden.
Auf eine Antwort freut sich
Bodo Matthes
Sehr geehrter Herr Matthes,
in unserer Gesellschaft und damit auch in unseren Schulen gehört religiöse Vielfalt inzwischen zum Alltag. Die Schulen haben sich dabei zunehmend auf die ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt der Schülerinnen und Schüler eingestellt und fördern so den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Mir ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass für die hier lebenden jungen Migrantinnen und Migranten die Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe geschaffen werden. Dazu gehört grundsätzlich der gemeinsame Unterricht von Jungen und Mädchen in allen Fächern also auch in Sport und Schwimmen ebenso wie gemeinsame Klassenfahrten. Die Schule steht zudem unter staatlicher Aufsicht, was "parallele Schulsysteme" generell ausschließt. Dieses staatliche Bestimmungsrecht umfasst nicht nur die äußere Organisation des Schulwesens, sondern eben auch einen Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates.
In der öffentlichen Diskussion wird allerdings oftmals zu Unrecht problematisiert, dass Zuwanderer und insbesondere muslimische Zuwanderer ihren Kindern die Teilnahme z.B. am gemischtgeschlechtlichen Sport- und Schwimmunterricht verwehren.
Die allermeisten muslimischen Schülerinnen und Schüler - Jungen und Mädchen gleichermaßen - besuchen den gemischtgeschlechtlichen Sport- und Schwimmunterricht wie die aktuelle Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ( http://www.bamf.de/ ) zeigt. Ursachen für eine Nichtteilnahme liegen überwiegend an einem fehlenden Angebot. Religiöse Gründe für ein Fernbleiben vom Unterricht sind die Ausnahme.
Der Bundesregierung geht es um einen offenen, kenntnisreichen und kritischen Dialog mit den Muslimen in Deutschland. Dies muss geprägt sein von Einsicht, Aufrichtigkeit und gegenseitiger Toleranz. In Deutschland leben heute nahezu 4 Mio. Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, bzw. deutsche Bürgerinnen und Bürger islamischen Bekenntnisses. Eine kulturelle Abschottung ist in einer globalisierten Welt weder möglich noch wünschenswert. Auch könnten nach Überzeugung der Bundesregierung auf solchem Wege keine Probleme gelöst werden. In diesem Sinne gilt es daher, den Dialog der Kulturen und Religionen nachdrücklich zu unterstützen, wofür ich mich einsetze.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Böhmer