Frage an Margret Seemann von Yann-Christoph C. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Seemann,
auch Sie haben im Landtag für die Zielvorgabe und damit verbunden die Schließung des Studienganges Rechtswissenschaft (Staatsexamen) an der Universität Rostock gestimmt. Meine Frage in aller Kürze: Warum?
Bei Ihrer Antwort bitte ich zu berücksichtigen, dass die Universität Rostock ein schlüssiges Konzept vorzuweisen hat, das auch die Sparvorgaben des Landes erfüllt. Außerdem wäre es schön, wenn Sie in Ihrer Antwort auch auf das Problem der Abwanderung junger gebildeter Frauen eingehen würden.
Ich danke Ihnen vorab für Ihre Bemühungen und verbleibe
mit freundlichem Gruß
Yann-Christoph Collin
Volksinitiative PRO JURA
Sehr geehrter Herr Collin,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Als Landtagsabgeordnete vertrete ich politisch die Interessen des ganzen Landes. Drei Jahre haben das Land und die Hochschulen im intensiven Austausch um die Neustrukturierung der Hochschullandschaft gerungen. Ihr gemeinsames Ziel bestand darin, alle sechs Standorte zu erhalten und die Bedingungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Kompromisse waren notwendig und für mich aus Landessicht begründbar und ausgewogen. Deshalb habe ich für die Zielvereinbarungen und Zielvorgaben im Landtag gestimmt.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Land und Universität beruhen auf unterschiedlichen Perspektiven. Das Land hat für ein ausgewogenes Angebot in Lehre und Forschung zu sorgen. Ressourcen müssen sinnvoll und gezielt eingesetzt werden. Das ist das Land den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig. Und dies ist aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen unabdingbar geboten.
Das von Ihnen erwähnte Konzept ist für die Universität sicher schlüssig, aber lässt die landesweite Entwicklung und Abstimmung in Bezug auf die Lehrer- und Juristenausbildung unberücksichtigt. Hinzu kommt, dass das Land kaum Bedarf an Juristen hat und daher mit zwei juristischen Fakultäten völlig überversorgt ist. Pro Jahr könnten mehrere hundert Absolventen hervorgebracht werden, während der Bedarf des Landes weit darunter liegt. Dagegen weiß jeder, der die Situation an der Universität Rostock kennt, dass die Lehrerbildung Not leidend und völlig überlaufen ist. Hier zu Verbesserungen zu kommen, sind wir den Kindern und Jugendlichen und damit der Zukunft unseres Landes schuldig. Das bestätigen auch die PISA-Ergebnisse. Mit dem Ausbau der Lehrerausbildung leisten wir im Übrigen auch einen besonderen Beitrag zur Förderung von jungen Frauen, sind sie es doch, die überproportional ein solches Studium aufnehmen.
Dies sind die Gründe dafür, warum sich die Landespolitik – einschließlich meiner Person - dazu entschlossen hat, den ursprünglichen Vorschlag der Rektoren Westermann und Wendel umzusetzen. Diese hatten am 22. Februar 2005 vorgeschlagen, dass Rostock den Staatsexamensstudiengang in Jura aufgibt und dafür als zentraler Standort der Lehrerbildung ausgebaut wird. Jura wird es aber in Rostock weiterhin in Verbindung mit anderen Wissenschaften geben. Umgekehrt verzichtet Greifswald weitestgehend auf die Lehrerausbildung und behält dafür aber Jura. Das entspricht der Prämisse, im Land die Pluralität der Fächer zu erhalten, aber auf Mehrfachangebote zu verzichten. Die Juristischen Fakultäten beider Universitäten mit je 14 Lehrstühlen sind gleichwertig, in der Lehrerbildung hat Rostock Vorteile.
Eine solche Strukturplanung ist nicht allein für Mecklenburg-Vorpommern notwendig. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Strohschneider, weist bundesweit auf die Notwendigkeit von Profilierung durch Ausbau und Stabilisierung von Fächern hin und auf die Trennung von wissenschaftlichen Arbeitsfeldern. Ein schmerzlicher, aber unumgänglicher Weg.
Dafür bietet das Land Vertragssicherheit und Planbarkeit für fünf Jahre. Das Land macht sichere Zusagen zum Hochschulbau, zur Finanzausstattung, zu Personalstellen und für wissenschaftliche Großprojekte. Das Geld für den Stellenabbau bleibt jeder Hochschule erhalten und es ist eine jährliche Steigerung in der Finanzausstattung von 1,5 Prozent zugesagt. In inhaltlichen Fragen und in Fragen der Ausstattung ist das Bildungsministerium der Universität sehr weit entgegen gekommen.
Welches andere Bundesland kann eine derartige Planungssicherheit über einen solchen Zeitraum bieten?
Die Abwanderung junger gebildeter Frauen ist in der Tat ein großes Problem für unser Land. Hier gibt es gute Ansätze der SPD-geführten Landesregierung, die wir fortsetzen und ausbauen wollen.
Unter dem Stichwort „Arbeit schaffen und sichern“ heißt es in unserem Regierungsprogramm: „Wir wollen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen und den gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft erhalten. Frauen sollen ihre Ansprüche im beruflichen und familiären Leben verwirklichen können. Deshalb sind die Erhöhung der Frauenerwerbsquote und die eigenständige Existenzsicherung Ziele unserer Politik.“ Wir wollen gezielt die Arbeitslosigkeit von Frauen und die strukturelle Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt abbauen. Dazu sollen die Arbeitsmarktinstrumente geschlechtergerecht ausgestaltet werden. Das heißt z. B., dass Frauen entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosigkeit bei den Programmen zu berücksichtigen, die Arbeitsmarktdaten geschlechtsspezifisch zu erheben sind bzw. der Anteil von Frauen in den Führungsebenen und in Wissenschaft und Kunst zu erhöhen ist. Ein positives Beispiel ist für mich auch das Modellprojekt "Berufschancen für junge Frauen", das über ESF-Mittel sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für 500 junge qualifizierte Frauen unter 25 im sozialen und kulturellen Bereich fördert.
Junge Frauen wählen in der Regel nur aus wenigen, meist frauentypischen Berufen ihren Ausbildungsberuf. Über gezielte Angebote und Instrumente wollen wir das Spektrum der Berufswahl von Frauen verbreitern und die Selbständigenquote von Frauen erhöhen. Der erfolgreiche Girls’ Day – der Mädchen-Zukunftstag - wird weiter unterstützt, um Mädchen für technische und frauenuntypische Berufe zu begeistern. Das betrifft auch die Studienwahl von jungen Frauen. Das Kompetenzzentrum „Frauen für Naturwissenschaft und Technik“ mit Standorten an allen Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern hat maßgeblichen Anteil daran, Studentinnen für diese zukunftsträchtigen Studienrichtungen zu gewinnen. Eine besondere Form ist der Frauenstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Stralsund.
Besonderes Augenmerk werden wir auf Projekte und Programme legen, die zur Verbesserung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage von Frauen führen. Das erfolgreiche Projekt „Modulare Qualifizierung in der Elternzeit“ wird weitergeführt und den neuen arbeitsmarktpolitischen Bedingungen angepasst. Bewährte Netzwerke zur Erhöhung der Chancen von Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung und ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten unterstützen wir weiter.
Wir wollen auch künftig mehr Geld für unsere Hochschulen zur Verfügung stellen als vergleichbare Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz – und dies obwohl sich die bildungsrelevante Bevölkerung im engeren Sinne nach 2010 mehr als halbiert. Etwa 31.000 junge Menschen können dauerhaft bei uns studieren, aus Mecklenburg-Vorpommern kommen bis 2020 nicht mehr als 20.000 Studierende. Wir stellen also auch zukünftig weit über den eigenen Bedarf hinaus Studienmöglichkeiten zur Verfügung und übertreffen damit die Empfehlungen des Wissenschaftsrates.
Entsprechend § 3 Landeshochschulgesetz fördern die Hochschulen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und den wissenschaftlichen Nachwuchs unter besonderer Berücksichtigung des Gleichstellungsauftrages. Die Bemühungen der Landesregierung und Hochschulen zur Erhöhung des Frauenanteils insbesondere in Naturwissenschaft und Technik wurden in den Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen mit Maßnahmen unterlegt. Darüber hinaus planen wir im Rahmen einer Neuregelung der Studentenwerksfinanzierung durch das Land die Fixierung gezielter Unterstützungsmaßnahmen für studierende Mütter und Väter, die der Vereinbarkeit von Studium und Kindern dienen und zugleich das Bildungsland Mecklenburg-Vorpommern attraktiver machen. Wir werden versuchen, gleichwertige Regelungen auch in der Berufsausbildung zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Margret Seemann