Marco Brabetz
WASG
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Frage von Anette H. •

Frage an Marco Brabetz von Anette H. bezüglich Soziale Sicherung

Welche Position vertreten Sie bezüglich des geplanten Verkaufs der Berliner Sparkasse?
Befürworten Sie den Börsengang der DB?

Antwort von
WASG

Sehr geehrte Frau Henßler,

Ich danke Ihnen für Ihre Fragen und teile Ihnen meinen Standpunkt und die Position der Berliner WASG mit.

1. Zur Bahnprivatisierung:

Wie so oft bei den neoliberalen Privatisierungsprojekten ist die Bilanz eindeutig:

Am Ende bezahlen die Fahrgäste, die Umwelt und spätere Generationen eine teure Zeche; kurzfristig profitieren wenige private "Investoren?.

Im Bundestag stehen derzeit alle Parteien (außer der Linkspartei) für die eine oder andere Variante dieses Bahn-Ausverkaufs, also rund 90 Prozent der Abgeordneten. Selbstverständlich lehnt auch die Berliner WASG und die Bezirksgruppe Treptow-Köpenick die Bahnprivatisierung entschieden ab.

Alle gegenwärtig in der Öffentlichkeit diskutierten Privatisierungsmodelle beinhalten gravierende negative Folgen für die Steuerzahler und Nutzer der Bahn:

· Unsummen von Steuergeldern werden zu privaten Profiteuren verschoben. Auch bei einer teilprivatisierten Bahn soll der Bund jährlich rund 10 bis 12 Mrd. Euro im Jahr für das System Schiene bezahlen ? dann überwiegend an private Eigentümer. In einem Jahrzehnt werden so Steuergelder in Höhe von 100 bis 130 Milliarden Euro in Bereiche transferiert, die primär von privaten Investoren kontrolliert werden.

· Die öffentliche Hand verliert strategische Steuerungsmöglichkeiten. In einer Zeit von Klimawandel und Umweltzerstörung gibt die öffentliche Hand ohne Not und ohne materielle Gewinne ihren verkehrspolitischen Einfluss auf den Schienensektor auf, der von strategischer Bedeutung für eine Politik der Verkehrswende ist. Gleichzeitig werden in diesem wichtigen Bereich Scheunentore für private Investoren geöffnet, die bahnfremde Interessen haben.

· Es wird im Personenverkehr einen Abbau von Schienenverkehr geben. Private Investoren haben primär Interesse an hochrentablen Strecken und Angeboten. Sie werden Verbindungen streichen und das Netz weiter abbauen. Ein konkreter Streckenabbau von mindestens 5.000 km (von derzeit 34.000 km) ist im Gespräch. Womit das Bahnnetz auf den Stand von 1878 gebracht werden würde.

· Es kommt zu einem Flickenteppich bei Tarifen und Fahrplänen. Je mehr "Wettbewerb? es im Schienenverkehr geben wird, desto weniger werden Fahrpläne und Tarife aufeinander abgestimmt sein, was bereits heute bei einem Vergleich der privaten Betreiber mit der Deutschen Bahn AG zu beobachten ist.

· Die Bahn wird weiter zerlegt, die Beschäftigtenzahl weiter massiv abgebaut, der Stress für die Nochbeschäftigten wird sich erhöhen. Alle Privatisierungen hatten diese negativen Folgen für die Situation der Beschäftigten, was auch zu einem verschlechterten Service führt. Es ist unzutreffend, dass die Privatisierung eines "integrierten Konzerns? einen Schutz für die Bahnbelegschaft darstellen würde. Bereits die in Bundesbesitz befindliche "integrierte DB AG? hat seit 1994 und bis 2005 die Belegschaft halbiert und den Arbeitsstress für die Nochbeschäftigten massiv erhöht. Dieser Kurs wird sich mit der materiellen Privatisierung verschärfen.

2. Zur Sparkassenprivatisierung:

Mit dem Beschluss zur Risikoübernahme für die Berliner Bankgesellschaft einigten sich SPD und PDS auf den Komplettverkauf der Bankgesellschaft und damit auch der Berliner Sparkasse, obwohl die PDS dies im Wahl­kampf 2001 noch ausgeschlossen hatte.

Die Landeshilfen wurden von der EU-Kommission nur unter Auflagen genehmigt. Unter anderem sehen diese Auflagen vor, dass das Land Berlin seine Anteile an der Bankgesellschaft Berlin AG zu veräußern hat und vorher die Berliner Bank zu verkaufen ist.

Einen Verkauf der Berliner Sparkasse sehen die EU-Auflagen jedoch nicht vor. Ein erster Verkaufsversuch des Landes Berlin im Jahr 2003 scheiterte nur am geringen Preis. Nun soll die Bankgesellschaft inklusive der Sparkasse bis 2007 verkauft werden. Dabei zeigt sich der Berliner Senat unbeeindruckt von der Möglichkeit, dass ein privater Investor in den Besitz einer öffentlich­-rechtlichen Sparkasse kommen könnte: Nicht nur mit der Novellierung des Sparkassengesetzes hat der Senat dafür sogar eigens die Voraussetzungen geschaffen. Mit der Umwandlung der Landesbank in eine Aktiengesellschaft soll die Sparkasse unter diesem Dach ein öffentlich­-rechtliches Institut bleiben, das verkauft werden kann.

Diese Rechtskonstruktion des Senats er­innert fatal an die Vermengung öffentlicher und privater Rechtsformen bei der Bankgesellschaft und den Wasserbetrieben.

Den Bürgerinnen und Bürgern soll so glauben gemacht werden, dass auch bei einem Verkauf alles beim Alten bleibe und Berlin nicht "sparkassenfreien Zone" werde.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverbandes hat für den Fall einer Privatisierung be­reits mit dem Entzug der Markenrechte gedroht, denn es ist absurd zu glauben, dass ein privater Investor die sparkassentypischen Aufgaben, nämlich den Kreditbedarf insbesondere des Mit­telstands und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise zu decken, erfüllen würde. Warum auch?

Beim Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaften hat sich bereits ge­zeigt, dass die Zusagen privater Investoren zum Mieterschutz nichts wert sind.

Für die Berliner WASG und für mich ist klar: Der Verkauf der Sparkasse muss verhindert werden, Berlin darf nicht sparkassenfreie Zone werden!

Mit freundlichen Grüßen
Marco Brabetz