Frage an Marcel Mansouri von Helmut R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Kandidat
Sie wollen also mit den Stimmen der Wähler aus dem Kreis Steinburg wo ich zuhause bin dem nächsten Bundestag angehören? Als parteiloser Wähler möchte ich bitte um zu einer Entscheidung vor der Wahl zu gelangen von ihnen erfahren: „ Was können Sie uns Wählern verbindlich schriftlich vor der Wahl zusichern im Fall Ihrer Wahl oder Wiederwahl?“ Keine Steuererhöhungen? Verringerung der Lasten der unteren Einkommens Bezieher durch Rückführung der MwSt. auf 16%? Verweigerung der Haftung für ausländische schulden Staaten?
Sehr geehrter Herr Radunski,
vielen Dank für Ihre Fragen und Ihr Interesse an meiner Kandidatur und meinen Positionen. Zunächst einmal sollte ich klarstellen, dass kein Kandidat schriftlich oder anderswie verbindlich Dinge zusagen kann, die später von den Wählerinnen und Wählern quasi einklagbar wären. Ich kann voll und ganz nachvollziehen, dass die Politik Vertrauen verspielt hat und dass ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber einschlägigen Wahlversprechen angebracht ist. Aber es ist weder rechtlich möglich, noch politisch sinnvoll, ein freies Mandat auf eine Liste von Positionen zu verpflichten, da die politische Lage sich während einer Wahlperiode unvorhersehbar verändert. Nehmen Sie die Wahlperiode 2005-2009. In welchem Wahlprogramm hatten Sie damals Reaktionen auf etwaige Finanzkrise und eine drohende Pleitewelle von Investmentbanken gefunden? Und was wäre passiert, wenn Politikerinnen und Politiker verbindlich schriftlich zugesagt hätten, der Staat würde sich aus der Wirtschaft heraushalten (oder Ähnliches).
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte mir keine "Hintertürchen" zum Bruch meiner Wahlversprechen offenhalten. Aber eine rechtliche Fixierung von Wahlversprechen ist nicht möglich. Das einzige, was den Bürgerinnen und Bürgern bleibt, ist politischen Druck zu erzeugen, damit Parteien und Politikerinnen und Politiker es nicht wagen, ihre Versprechen zu brechen. Und letztlich haben Sie jetzt die Möglichkeit, jene abzustrafen, die aus Ihrer Sicht seit 2009 Ihre Versprechen nicht eingehalten haben.
Zu der zweiten Frage: Ich versichere Ihnen, dass ich mich auf JEDEN FALL FÜR STEUERERHÖHUNGEN einsetzen werde. Allerdings werden nach den Steuerplänen meiner Partei alle Menschen entlastet, die Unterhalb von 6000€ brutto verdienen. Ein solcher Verdienst trifft auf weniger als 10% der Einkommensbezieher zu. Diese Menschen können es sich leisten, mehr zu zahlen. Dafür können wir die anderen 90% der Einkommensbezieher entlasten.
Zusätzlich tritt DIE LINKE für die Wiedereinführung der Vermögenssteur als Millionärssteuer ein. Die erste Million bleibt steuerfrei. Alles, was darüber hinaus geht, wird mit 5% besteuert. Wenn jemand 1 Million € und 1€ besitzt, wird der eine Euro mit 5% besteuert. Das wären lediglich 5 Cent. Insgesamt bringt das bundesweit allerdings ca. 80 Mrd. Euro ein. Schleswig-Holstein würde davon ca. 2,7 Mrd. bekommen und hätte finanziellen Spielraum, in Ausbau der Infrastruktur, Bildung, Kinderbetreuung, Pflege und Gesundheit zu investieren - trotz Schuldenbremse.
Zu Ihrer dritten Frage: DIE LINKE hat nicht vor, die Mehrwertsteuer zu senken. Allerdings wird DIE LINKE sich einer weiteren Erhöhung der Mehrwertsteuer mit aller Kraft widersetzen. Entsprechende Pläne für nach der Wahl werden dem Ministerium von Herrn Schäuble ja seit geraumer Zeit unterstellt. Die unteren Einkommen werden durch unsere Einkommenssteuerreform entlastet, sowie durch unsere Lohnpolitik und die Erhöhung der Regelsätze für das Arbeitslosengeld 2, sowie unserer Forderung nach einer Mindestrente von 1050 Euro. Sie werden schwerlich eine andere Partei finden, die für untere und mittlere Einkommensbeziehende ein besseres Angebot machen, als DIE LINKE. Mit Steuererhöhungen für Spitzenverdienende und Multimillionäre sowie dem Schließen von Steuerschlupflöchern für transnationale Großkonzerne finanzieren wir unsere Umverteilungspolitik.
Zu Ihrer vierten Frage: Haftung für "ausländische Schuldenstaaten"? Schon die Frage wirft ein Missverständnis auf.
1. DIE LINKE hat als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag geschlossen gegen die bisherige Europolitik gestimmt. Das allerdings nicht aus Abneigung gegen unsere europäischen Freunde, sondern aus dem einfachen Grund, dass wir uns weigern, die Spekulation von Hedgefonds und Investmentbanken mit Steuerzahlergeld abzusichern und letztlich zu bezahlen. Wenn Sie sich ansehen, wo das Geld aus den Rettungsschirmen ESFS und ESM bisher hingeflossen ist, werden Sie feststellen, dass wir nicht für "die Griechen", "die Iren" usw. gezahlt haben, sondern die Finanzinvestoren aus ihrem Risiko rausgekauft haben. Nach den Wahlen wird ein Schuldenschnitt für Griechenland kommen. Er ist schlicht unausweichlich, weil Griechenland keine "Schuldentragfähigkeit" hat, d.h. eine funktionierende Volkswirtschaft, mit der Sie das Einkommen generieren, die Schulden bezahlen zu können.
2. Deutschland trägt eine nicht unerhebliche Mitschuld an der volkswirtschaftlichen Entwicklung in der Euro-Zone. Durch das Lohndumping der letzten 10 Jahre haben wir uns auf Kosten unserer europäischen Nachbarstaaten Exportvorteile gesichert, und damit rigoros gegen die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Vorgabe, eine ausgeglichene Handelsbilanz anzustreben, verstoßen. Wenn ein Land systematisch mehr exportiert, als es importiert, erzielt es Handelsüberschüsse. Andersherum gibt es Länder, die ein Handelsbilanzdefizit aufweisen. Womit bezahlt ein Land seine Importe, wenn es nicht genug exportiert? Mit Schulden! Deutschland muss als Hauptprofiteur der letzten 10 Jahre seinen fairen Anteil leisten, um die Krise zu bewältigen. Aber DIE LINKE will nicht, dass die einfachen Leute, die zudem gar keine Aktien besitzen, für die Krise haften, sondern die Verursacher der Krise müssen herangezogen werden. Und das Finanzkasino muss endlich mit wirksamen Regulierungen dicht gemacht werden. Dazu gehört ein Verbot von Hedgefonds, die keinen anderen ökonomischen Sinn haben, als mit betriebsfremden Kapital zu spekulieren.
3. Deutschland hat mit der Durchsetzung des Fiskalpakts den Volkswirtschaften der Euro-Zone ein Austeritätsdiktat aufgenötigt, und damit deren Schulden noch weiter in die Höhe getrieben. Die Schuldenquote ist ein relationaler Wert. Er beschreibt die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Sinkt die Wirtschaftsleistung, geht die Schuldenquote rauf, auch wenn die absoluten Schuldenzahlen konstant blieben (eine ökonomisch hirnrissige Annahme, die nur zur Illustration dient). Deswegen fordert DIE LINKE ein Ende des Spardiktats und ein Investitionsprogramm für die Euro-Zone, ähnlich dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpften und die Volkswirtschaften wieder in Gang zu bringen. Dann gewinnen die Euro-Länder auch wieder an Schuldentragfähigkeit und werden in die Lage versetzt, ihre Haushalte zu sanieren.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.
Mit besten Grüßen,
Marcel S. Mansouri, Kiel, den 24.08.2013