Frage an Lukas Schauder von Jürgen B. bezüglich Energie
Für die Energiewende wegen der beschlossenen und geplanten Abschaltung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken zur Vermeidung einer Energielücke ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Welches Potenzial sehen Sie hierfür in Hessen? Wie stehen Sie zum Betrieb fossiler Gaskraftwerke als Übergangstechnologie und zur Bereitstellung gesicherter Grundlast?
Sehr geehrter Herr B.,
zunächst möchte ich mich für Ihre Frage sowie Ihr Interesse an der
hessischen Energiepolitik bedanken. Selbstverständlich nehme ich hierzu
gerne Stellung.
Wie Sie bereits korrekterweise angesprochen haben, gestalten sich der
Ausbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung sowie die Bekämpfung des
menschengemachten Klimawandels als zentrale Herausforderungen unserer
Zeit.
Insbesondere der Ausstieg aus der Atomkraft stellt dabei eine
Kernforderung dar, welche unsere Partei, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bereits
seit ihren Gründungsjahren begleitet. Gerade die Atomkatastrophe von
Tschernobyl sowie der Super-GAU von Fukushima haben uns in der
Vergangenheit gezeigt, welche Risiken die Nutzung von Atomkraft in sich
verbirgt und mit welchen Langzeitfolgen die betroffenen Menschen und die
Umwelt noch weitere Jahrzehnte nach Unfällen in kerntechnischen Anlagen
kämpfen müssen. Für uns Grüne steht fest: Atomkraft hat keine Zukunft,
denn sie ist unbeherrschbar, gefährlich und teuer. Demensprechend ist es
ein großer Erfolg, dass die letzten AKWs hierzulande voraussichtlich im
Jahre 2022 vom Netz gehen werden. Hierbei müssen höchste
Sicherheitsstanddarts eingehalten werden, damit von den noch laufenden
Werken keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht. Das in unserem Hessen,
südlich von Darmstadt, gelegene Kraftwerk in Biblis befindet sich
bereits seit 2017 im Abbau. Die Gebäude sollen innerhalb der nächsten 15
Jahren als letzten Schritt der Stilllegungsgenehmigung aus dem
Atomgesetz entlassen werden können.
Eine weitere Herzensangelegenheit unserer Partei ist die Beschleunigung
des Kohleausstiegs. Es muss klar benannt werden, dass gerade deutsche
Stein- und Braunkohlekraftwerke mit dem Ausstoß von umwelt- und
gesundheitsschädlichen Schadstoffen zu den größten Luftverschmutzern in
Europa zählen. Eine „einfach weiter so“-Politik wird es hierbei mit uns
nicht geben, da alleine schon die konsequente Einhaltung der Pariser
Klimaziele sowie dem 1,5 Grad-Pfad mit dem geplanten Kohleausstieg der
Bundesregierung im Jahre 2038 nicht vereinbar ist. Bereits seit einigen
Jahren sind es vor allem junge Menschen, die mit der sozialen Bewegung
Fridays for Future den Protest gegen das politische Missmanagement in
Sachen Klimaschutz auf die Straße tragen und für das Ziel einer
klimagerechten Zukunft eintreten. Das Bundesverfassungsgericht hat im
Kontext dieser gesellschaftlichen Debatte vor wenigen Monaten mit einem
wegweisenden Urteil klargestellt, dass die derzeitigen Bestrebungen zum
Schutz der Umwelt deutlich zu niedrig greifen. In Art 20a unseres
Grundgesetztes ist diesem Urteil zufolge festgeschrieben, dass der Staat
gerade auch eine Verantwortung für den Erhalt einer natürlichen
Lebensgrundlage künftiger Generationen zu tragen hat. Folglich ist für
uns Grüne ebenfalls klar: Nur eine massive Ausbauoffensive erneuerbarer
Energien kann dafür sorgen, den schmutzigen Kohlestrom dauerhaft zu
ersetzen sowie eine sichere, saubere und bezahlbare Versorgung zu
gewährleisten.
Wenden wir den Blick auf Hessen, ist festzustellen, dass die Gestaltung
der Energiewende bereits seit vielen Jahren stetig an Fahrt aufnimmt.
Unsere schwarz-grüne Landesregierung hat dabei im Koalitionsvertrag der
laufenden 20. Legislaturperiode die Vereinbarung getroffen, die
staatlichen Rahmenbedingungen für den Umbau unserer Energieinfrastruktur
intensiviert in die Wege zu leiten, um Strom und Wärme zukünftig zu 100
% aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Hierzu müssen die
Potenziale von Solarenergie, Biomasse, Geothermie, Wasserkraft und
Windkraft vor Ort ausgelotet und Maßnahmen für Energieeinsparungen und
Energieeffizienz umgesetzt werden. Dies sichert die Lebensgrundlagen
künftiger Generationen, stößt Innovationen an und eröffnet unserem
wirtschaftsstarken Bundesland neue Exportchancen. Die schrittweise
Ersetzung von Atomkraft und von klimaschädlichen Brennstoffen sowie eine
umweltkonforme Weiterentwicklung der Wärme- und Verkehrsbereiche sind
jedoch Entwicklungen, die nicht einfach von oben herab beschlossen
werden dürfen, sondern deren Erfolg maßgeblich von einer breiten
Akzeptanz sowie dem Engagement in der Gesellschaft abhängig ist. Um an
dieser Stelle für die nötige Transparenz zu sorgen, veröffentlicht das
Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und
Landesentwicklung seit 2015 jährlich den „Energiewende in Hessen –
Monitoringbericht“. In diesem werden eine Vielzahl von Indikatoren zu
den Themenbereichen Energieverbrauch und Energieeffizienz, erneuerbare
Energien, Wärme und gebäuderelevanter Energieverbrauch, Netzausbau und
Versorgungssicherheit, Verkehr und Elektromobilität,
Treibhausgasemissionen sowie gesamtwirtschaftliche Effekte der
Energiewende begutachtet. In der neusten Publikation von 2020 werden sie
dabei u. a. nachlesen können, dass im Jahr 2019 erstmalig in unserem
Bundesland erneuerbare Energien mehr Strom erzeugt haben als die
konventionellen Anlagen. Zum gesamten Bruttostromverbrauch trugen sie
24,9 % bei, was einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2013 entspricht.
Hierbei lässt sich vor allem eine Hochkonjunktur der Photovoltaik
feststellen, was allerdings nicht nur den großen PV-Anlagen geschuldet
ist. Es ist als ein großer Erfolg anzusehen, dass gerade auch
Dachanlagen immer mehr an Beliebtheit gewinnen und den einzelnen
Hausbesitzer*innen ein hohes Wertschöpfungspotenzial für Strom und Wärme
garantiert.
Um zum Schluss auf ihre letzte Frage zurück zu kommen, wie unsere Partei
zum Betrieb fossiler Gaskraftwerke als Übergangstechnologie steht, kann
ich Ihnen mitteilen, dass es durchaus kurzfristig und in Einzelfällen
Sinn ergeben kann, beispielsweise ein altes Kohle-Blockheizkraftwerk auf
ein CO2-ärmeres Gas-Aggregat umzurüsten. Dennoch vertreten wir die
Meinung, dass auch der fossile Energieträger Erdgas letztendlich keine
dauerhafte Alternative zu regenerativer Energie darstellt. Besonders
wichtig ist außerdem: Die Energiewende ist auch eine Frage des Geldes
und der Prioritäten. Investitionen in die Erneuerbaren müssen deshalb
vorgehen, damit wir auf den benötigten Zuwachs von Photovoltaik und
Windenergie kommen und unsere Klimaziele erreichen können.
Für weitere Fragen oder Anmerkungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Schauder