Frage an Lothar Binding von Patrick K. bezüglich Gesundheit
Herr Binding,
wird nun endlich eine bundesweit einheitliche und strikte Regelung zum Nichtraucherschutz kommen oder wieder jahrelang durch immer weiter verwässerte Ländergesetze das höchste Gut, die Gesundheit der Menschen mit Füßen getreten werden?
Das höchste deutsche Gericht hat endlich klargestellt, dass die Gesundheit Priorität hat. Also warum lassen viele Politiker oder sollte ich sagen Süchtige weiterhin zu, dass viele Menschen sterben müssen, nur weil einige Raucher sich zu schön sind, kurz vor die Tür zu gehen um sich ihrer Abhängigkeit zu widmen?
Ich verlange jetzt von der Politik, dass gehandelt wird. So wie in anderen Staaten auch.
Sehr geehrter Herr Kast,
für Ihre Frage danke ich Ihnen. Mit Ihrer Kritik an den komplizierten Regelungen und den zahlreichen Lücken in den sechzehn Landesgesetzen haben Sie Recht. In vielen europäischen Staaten hingegen gibt es mittlerweile Gesetze, die – insbesondere auch in der Gastronomie – für einen wirksamen und einheitlichen Gesundheitsschutz von Nichtrauchern sorgen.
Alle Abweichungen oder Ausnahmen in Deutschland sind politischen Kompromissen in den Ländern geschuldet. Die juristischen Fragen, unter welchen Bedingungen ein gesetzliches Rauchverbot in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen eingreift, machen alle Gesetzgebung kompliziert. Wohlgemerkt: Kompliziert wäre nicht die gesetzliche Regelung eines einheitlichen Nichtraucherschutzes in der gesamten Gastronomie, kompliziert sind die Ausnahmen. Hier zeigt sich auch eine Schwäche des Föderalismus. Wenn absolut gleiche Sachverhalte und Lebenslagen unterschiedlich geregelt werden, weil jedes Land seine Eigenheiten alleine regeln möchte, ergeben sich absurde gesetzliche Regelungen.
Für den Gesundheitsschutz ist der Bund zuständig, ebenso für den Arbeitsschutz. Daher wäre eine bundesweite Regelung vernünftig gewesen, die die Erkenntnis umsetzen würde, dass Tabak eine Droge und Rauchen gefährlich ist, dass der Konsum von Tabakprodukten wirtschaftlichen Schaden anrichtet und Ressourcen vernichtet. Das Bundesinnenministerium sah dies anscheinend allerdings anders und hat in einem Rechtsgutachten die Zuständigkeit des Bundes für den Schutz vor Passivrauchen in der Gastronomie bestritten. Diese Frage sei im Gaststättenrecht zu klären, Gaststättenrecht ist Landeskompetenz, der Bund ist folglich nicht zuständig. Bedauerlicherweise konnte sich diese Sichtweise durchsetzen – allerdings nur vorläufig, wie ich hoffe.
Denn Gesundheitsschutz ist nicht teilbar, daher macht die räumliche und zeitliche Differenzierung der Regelungen keinerlei Sinn. Warum meine Gesundheit in einem Speiserestaurant geschützt werden soll, in der Eckkneipe aber nicht, oder warum meine Gesundheit bis 21.00 Uhr wertvoller ist als nach 21.00 Uhr, kann mir niemand erklären. Der Kompromiss, Betreiber von Mehrräumgaststätten können einen Raucherraum einrichten, führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Eine gesetzliche Lösung zu finden, in der Freiräume geschaffen werden, führt häufig zu Benachteiligungen anderer. Warum sollten Beschäftigte in größeren Gaststätten, beispielsweise mit über 75 qm, besser vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt werden als Beschäftigte in kleiner Betrieben? Ein fairer und freier Wettbewerb ist erst und nur dann möglich, wenn gleiche Rahmenbedingungen für Alle bestehen.
Vor diesem Hintergrund bin ich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufrieden, denn es bestätigt die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung. Diese muss dem Gesundheitsschutz und der Berufsfreiheit gerecht werden und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Zudem definiert das Gericht einen Zeithorizont und fordert die Länder zu einer Neuregelung bis Ende 2009 auf.
Diese Vorgabe erhöht den politischen Handlungsdruck auf die Landesregierungen zusätzlich. Die Erwartungen sind ohnehin hoch: über 70 Prozent der deutschen Bevölkerung sprechen sich für einen besseren gesetzlichen Schutz vor Passivrauchen aus. Die Menschen fordern klare, einheitliche und verständliche Regelungen zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens.
Mit freundlichem Gruß, Lothar Binding