Frage an Lothar Binding von Björn L. bezüglich Innere Sicherheit
Hallo Herr Binding,
Könnten Sie mir bitte Ihre Motivation erläutern, für noch mehr Rechte für den Verfassungsschutz (Stichwort Staatstrojaner) zu stimmen? FInden Sie nicht der VS hat bereits genug Rechte (Z.B. Hatte er HG Maaßen, zahlreiche andere Rechte sind noch unerkannt).
Will die sPD mit Gewalt an der 5% Hürde scheitern, oder war das ein schmutziger Deal damit die cdU fürs Lieferkettengesetz stimmt?
Sehr geehrter Herr Leuzinger,
vielen Dank für Ihre Frage hier bei Abgeordnetenwatch. Wobei ich doch etwas überrascht bin, dass jemand, der seine eigenen politischen Entscheidungen im Gemeinderat dem Zufall überlässt und damit die Verkehrswende in Heidelberg um Jahre zurückwirft, sich tatsächlich für die Hintergründe politischer Entscheidungen interessiert.
Aber vielleicht interessiert ja neben dem Komiker Björn Leuzinger den Bürger Björn Leuzinger tatsächlich die Antwort? Das würde mich sehr freuen, denn wer nicht nur über Politik redet sondern beauftrag ist zu entscheiden, muss die Bürgerinnen und Bürger erst nehmen.
In Deutschland haben wir seit jeher einen Inlandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz, der dafür zuständig ist, Gefahren abzuwehren, die uns von Innen bedrohen. Wenn wir in den Nachrichten hören, dass eine rechtsextreme Terrorzelle aufgeflogen ist, bedeutet das oft, dass unser Verfassungsschutz gute Arbeit geleistet hat. Ein Geheimdienst ist aber nur handlungsfähig, wenn er Informationen abschöpfen kann. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Beispielsweise die „Verwanzung“ von Telefonen, oder auch das Infiltrieren von Organisationen durch Mitarbeitende. Nun ist es so, dass die meisten Terrorzellen nicht mehr exklusiv zur Wählscheibe greifen, wenn sie sich über ihre Pläne austauschen. Und auch das Infiltrieren oder Anwerben von Informantinnen und Informanten ist gefährlich und nicht immer erfolgreich. Um den Gefahren und der Bedrohung unserer demokratischen Ordnung die Stirn bieten zu können, müssen unsere Geheimdienste ihnen dorthin folgen, wo ihre kommunikative Basis ist: In das Internet und in verschlüsselte Informationskanale.
Das ist die Problemlage, in der wir uns zurzeit befinden: Die Kommunikation hat sich verlagert und unsere Sicherheitsdienste müssen dies realisieren. Auf der anderen Seite ist der Eingriff in das (digitale) Post- und Briefgeheimnis eine schwerwiegende Grundrechtseinschränkung, die nicht leichtfertig gewährleistet werden darf. Der Maßstab ist Verhältnismäßigkeit: Unter keinen Umständen darf es zu einem Grundmisstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern seitens der Sicherheitsorgane kommen, keine präventive Überwachung. Das ist einer der Gründe warum ich gegen die Vorratsdatenspeicherung bin. Andererseits müssen wir es verhindern, dass noch mehr Menschen dem rechten oder dem islamistischen oder überhaupt dem Terror zu Opfer fallen.
Vor diesem Hintergrund haben wir lange und intensiv mit CDU/CSU verhandelt, welches Verhältnis von Freiheit und Sicherheit wir im Gesetz festlegen wollen. Herausgekommen ist – was sonst – ein Kompromiss. Wenn auch leider nicht vollständig – aber in wichtigen Bereichen hatten wir Erfolg: Wir haben verhindert, dass eine sogenannte „Onlinedurchsuchung“ möglich wird, die den Behörden direkten Zugriff auf Speichermedien erlauben würde. Das ist dem Verfassungsschutz auch in der echten Welt nicht gestattet. Andererseits haben wir den von der Union geforderten „Quellen-TKÜ“ (TKÜ = Telekommunikationsüberwachung) in strenge Schranken verwiesen, so dass nur in besonderen, ausgewählten Fällen eine Überwachung von verschlüsselten Messenger-Diensten auf Endgeräten stattfinden kann. Das war bislang nur dem Bundeskriminalamt (BKA) und einigen Länderpolizeien erlaubt. Mit unserem Gesetz erlauben wir das in ausgewählten Fällen nun auch dem Verfassungsschutz und der Bundespolizei.
Künftig dürfen TKÜ und Quellen-TKÜ angeordnet werden, um eine dringende Gefahr abzuwehren. Diese ist beispielsweise bei einer Bedrohung des Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben. Nur laufende, also keine vorherige Kommunikation, darf erfasst werden. Außerdem muss eine Richterin oder ein Richter die Überwachung anordnen. Die Überwachung ist immer befristet. Der Geheimdienst muss sie im Innenministerium im Einzelfall beantragen. Die Ausspähung wird von einer Kommission kontrolliert (G-10-Kommission), die ebenfalls im Einzelfall entscheidet und dieser zustimmen muss. Zu einer massenhaften Überwachung kann es also nicht kommen. Den Missbrauch dieses Werkzeuges verhindern wir durch sorgfältige und mehrfache Prüfungsinstanzen.
Ich hoffe, dass Sie diese Position nachvollziehen können. Das Verhältnis von Freiheit von Sicherheit im Bereich der Geheimdienste und Polizei gerecht und nachvollziehbar zu bestimmen ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Vielen gehen die Befugnisse nicht weit genug und fordern eine noch umfangreichere mögliche Überwachung. Anderen geht dieser Gesetzeskompromiss schon viel zu weit. Wenn mit diesem Gesetz schwere Straftaten verhindert werden, ohne die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger unnötig einzuschränken, wäre sein Ziel erreicht.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding (auch Heidelberg)