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Frage von Simon S. •

Frage an Lothar Binding von Simon S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Binding,

zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das zweite Fragenpaket zum Themenbereich B. Maßnahmen zur Beseitigung sozialer Ungleichheit.

B. 1) Durch die Niedrigzinspolitik fällt es privaten Versicherungsunternehmen zunehmend schwerer, das ihnen anvertraute Geld gewinnbringend anzulegen und zu mehren, um zukünftige Rentenansprüche auszahlen zu können (die ja bereits durch die wesentlich höheren Nebenkosten der privaten Versicherungsunternehmen dezimiert sind). Mit welchen Maßnahmen, Konzepten oder Gesetzesänderungen wollen Sie in Zukunft die Pensionsansprüche gewährleisten und Altersarmut verhindern?
B. 2) Durch den Ausbau des Niedriglohnsektors und steigende Lebenshaltungskosten verschulden sich immer mehr private Haushalte (ca. 7 Mio. Haushalte in D. sind überschuldet). Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die zunehmende Verschuldung privater Haushalte einzugrenzen oder zu verhindern?
B. 3) Sieht Ihr Parteiprogramm vor, bestehende Ungleichheiten in Einkommens- und Vermögensverteilung durch konkrete Maßnahmen zu reduzieren? Wenn ja, welche?
B. 4) Finden Sie die politische Einführung eines Grundrechts auf Arbeit sinnvoll?
B. 5) Welche Konzepte für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus halten Sie für zielführend?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sonnenberg,

vielen Dank für Ihre erneuten Fragen hier bei Abgeordnetenwatch. Zu meiner Verwunderung musste ich feststellen, dass Ihr Fragestil leider immer noch aus Suggestivfragen besteht, die gedankliche Verknüpfungen schaffen sollen, die gar nicht existieren.

B 1) Das macht sich schon an Ihrer ersten Frage fest, die suggeriert, dass Altersarmut scheinbar alleine vom Negativzinsumfeld und der Lage der Versicherungswirtschaft abhängt. Soweit würden aber wohl nicht einmal die Versicherungsunternehmen gehen. Altersarmut ist eine Folge von zu niedrigen Löhnen im Erwerbsleben, die nicht reichen einen auskömmlichen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufzubauen. Und wer im Erwerbsleben schon niedrige Löhne hat, hat selten noch Geld übrig, um privat fürs Alter vorzusorgen. Die tatsächlich von Altersarmut betroffenen Personen wären wohl nicht einmal von den Problemen der Versicherungswirtschaft betroffen. Und Altersarmut ist eine Folge von zu niedrigen Löhnen der jeweils aktiven Alterskohorte. Und wenn es den aktiv arbeitenden schlecht geht, Produktion und Dienstleitung unter Druck sind, dann sind auch alle Kapitalanlagen und deren Erträge unter Druck. Übergangsweise helfen ausländische Anlagen… aber auf Kosten anderer Gesellschaften wollen wir unsere Altersvorsorge ja nicht stützen – oder?

In dieser Legislaturperiode konnte mit der Einführung der Grundrente ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Altersarmut unternommen werden. Wir stellen damit sicher, dass Renter:innen, die mindestens 33 Jahr gearbeitet haben, eine höhere Rente erhalten und ihre Lebensleistung besser gewürdigt wird.
Das wirksamste Mittel im Kampf gegen Altersarmut sind allerdings bessere Löhne, sie stellen sicher, dass alle einen auskömmlichen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufbauen und auch privat fürs Alter vorsorgen können. Aus diesem Grund hat Olaf Scholz auch vorgeschlagen, den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen. Zu guten Löhnen gehören auch gute Tarifverträge und starke Gewerkschaften. Hubertus Heil konnte hier endlich durchsetzen, dass in der Pflege ab 2022 die Beschäftigen alle nach Tarif bezahlt werden müssen.

B 2) Als ersten Schritt soll mit einem Mindestlohn von 12 Euro dafür gesorgt werden, dass Haushalte gar nicht mehr so schnell in die Schulden abrutschen können, indem sie in Zukunft mehr selbstverdientes Geld in der Tasche haben. Wer dann doch einmal seinen Dispokredit in Anspruch nehmen muss, weil das Geld doch mal nicht bis zum Ende des Monats reicht, sei es auf Grund einer unerwarteten Ausgabe, dem wollen wir helfen, indem wir die Dispozinsen gesetzlich deckeln. Was manche Banken im Moment an Dispozinsen (durchschnittlich fast 10 Prozent) nehmen, ist einfach unverschämt, insbesondere wenn man sieht, dass sie sich selbst Geld zum Nulltarif bei der EZB leihen können.

B 3) Zunächst muss einmal mit dem Trugschluss und den aus Kreisen rechts der Mitte gerne verbreiteten Falschinformationen, Steueranhebung sei Umverteilung, aufgeräumt werden. Durch eine Steuererhöhung wird noch kein einziger Euro umverteilt. Was aber richtig ist, dass die SPD durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer und Anhebung des Spitzensteuersatzes ab 250.000 Euro bei Singles deren Beteiligung an der Gemeinschaft verbessern will. Eine stärkere Beteiligung der Vermögenden und sehr hohen Einkommen stärkt die Finanzkraft des Staates, der dadurch wiederum das Angebot für Alle verbessern kann, sei es in der Bildung, der Infrastruktur, dem Gesundheitswesen,… Und dadurch schaffen wir wiederum bessere Bedingungen für Alle, Chancen zu nutzen, durch bessere Bildung, durch bessere Lebensbedingungen vor Ort, durch ein gesünderes und längeres Leben,… Die richtigen Fragen im Kontext von Steuerpolitik sind auch nicht, wie hoch ist die Steuer, wer muss Steuern bezahlen, wie sieht es im Ausland aus… die richtige Frage ist stets: was bleibt nach Steuern. Und wenn jemand viele Steuern bezahlt – Gratulation! Denn das bedeutet, dass ihm nach Steuern noch sehr viel mehr bleibt als seinem Nachbarn, der weniger Steuern bezahlt. Deshalb sollten alle nach einer hohen Beitrag an die Gesellschaft streben.

B 4) Auf irgendeine Arbeit? Auf fair bezahlte Arbeit? Wer hat die Pflicht dieses Recht zu gewähren?

Wir haben Erfahrungen:

Französische Verfassung von 1793: "Article 21. - Les secours publics sont une dette sacrée. La société doit la subsistance aux citoyens malheureux, soit en leur procurant du travail, soit en assurant les moyens d'exister à ceux qui sont hors d'état de travailler."

Hat nicht funktioniert.

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919: „Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert. Jedem Deutschen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.“

Und trotzdem konnte Massenarbeitslosigkeit in Deutschland nicht verhindert werden.

B 5) Zunächst müssten wir die Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau überhaupt einmal wieder einführen, die leider von CDU/CSU und FDP 1990 abgeschafft wurde. (Am 1.1.1990 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben) Aber wie wenig Mieter:innenfreundlich diese Parteien sind, haben wir ja erst kürzlich bei ihrer Klage gegen den Berliner Mietendeckel erlebt. Und auch bei der Mietpreisbremse musste jede Verbesserung für Mieter:innen der Union hart abgerungen wurden. Ihnen scheint es mehr um die Spenden aus der Immobilienbranche als um das Wohl der Mieter:innen zu gehen.

Eine direkte Beteiligung des Bundes im Bau von Wohnungen ist gesetzlich nicht möglich, aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass die Bundesländer die Einnahmen aus einer Vermögensteuer für den Bau landeseigener Wohnungen nutzen könnten. Die Länder könnten auch einen revolvierenden Fonds zur Schaffung von Wohnungen einrichten. Es gibt viele Ideen. Und hätten viele nicht nur den privaten Profit im Auge, könnten sie schnell angepackt und umgesetzt werden

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding