Portrait von Lothar Binding
Lothar Binding
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lothar Binding zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Till E. •

Frage an Lothar Binding von Till E. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Binding,
ich würde gerne von Ihnen als finanzpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion wissen, was sie von dem Vorschlag zur Einführung von Corona-Bonds halten, wie sie von führenden Ökonomen in einem Gastbeitrag in der FAZ beschrieben wurde. (https://www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/beitrag/michael-huether-europa-muss-jetzt-finanziell-zusammenstehen.html)

Insbesondere in der aktuellen Krise in Italien und dem zu erwartenden wirtschaftlichen Einbruch in den südlichen Staaten der EU wäre doch eine zeitlich begrenzte, zielgerichtete gemeinsame Schuldenaufnahme für Bekämpfung dieses unverschuldeten externen Schocks sinnvoll. Das Argument, es sei eine Vergemeinschaftung von alten Schulden greift zudem nicht.
Ich bitte Sie, den Vorschlag zu prüfen und mir zu erklären, was dagegen spräche. Und falls sie nichts dagegen haben, bitte ich Sie sich dafür einzusetzen die GroKo und Bundesregierung dazu zu bewegen, ein solches Vorgehen zu befürworten. Es geht darum eine Rezession in Europa mit all den politischen Folgen zu klein wie möglich zu halten.

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eichler,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Corona-Bonds“.

Die Corona-Pandemie hat die Welt derzeit im Griff. Sie bedroht die Gesundheit und das Leben, dagegen vorzugehen hat höchste Priorität. Darüber hinaus richtet die Pandemie auch großen Schaden in der Wirtschaft sowie auf den Finanz- und Arbeitsmärkten an.

Die Bewältigung dieser Krise ist eine riesige Herausforderung. Um diese zu meistern, ist in allen Bereichen Solidarität gleichermaßen notwendig wie zentral. Der Deutsche Bundestag hat innerhalb von kurzer Zeit wichtige gesetzliche Maßnahmen verabschiedet, um den wirtschaftlichen Schäden entgegenzuwirken, z.B. Steuerstundungen, Überbrückungskredite, Soforthilfen oder das Kurzarbeitergeld. Für die Finanzierung können in Deutschland einerseits verfügbare Mittel in den öffentlichen Haushalten abgerufen werden. Darüber hinaus sorgt Deutschlands hohe Bonität dafür, dass auf dem Kapitalmarkt Kredite zu günstigen Konditionen besorgt werden können.

In der gesamten Europäischen Union sind Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft notwendig. Dieser externe ökonomische Schock betrifft alle Mitgliedstaaten, Arbeitsplätze und Existenzen sind bedroht. Aber die Situation der öffentlichen Finanzen ist nicht überall gleich. Stärker verschuldete Staaten können alleine Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung bekommen. Hier muss Europa zusammenhalten, damit die wirtschaftliche Kluft nicht noch tiefer und die Finanzstabilität der EU gesichert wird. Jeder Mietgliedstaat muss in die Lage versetzt werden, in ausreichendem Maße auf diese ökonomische Herausforderung zu reagieren.

Es ist also unstrittig, dass wir gemeinsame und solidarische Lösungen zur Bewältigung dieser Wirtschaftskrise benötigen. Die Frage ist, wie diese Lösungen ausgestaltet sind und dazu existieren unterschiedliche Ideen. Meiner Meinung nach ist vor allem wichtig, dass die Lösung effektiv ist und schnell wirkt, denn die Zeit drängt. Ein Vorschlag sind die von Ihnen angeführten gemeinsamen europäischen Anleihen, auch Corona-Bonds oder Euro-Bonds genannt. Auf diese Weise können finanzschwächere Mitgliedstaaten von der höheren Bonität anderer Mitgliedstaaten bei der Kapitalbeschaffung profitieren. Diese Euro-Bonds werden in Deutschland, wie auch in den anderen Staaten, kontrovers diskutiert. Kürzlich hörte ich, dass zwar bestimmte Staaten arm seien, aber die privaten Reichen in den Oberschichten extrem reich. Ergänzend dürfe die Maffia nicht vergessen werden, die diesen Prozess noch verschärft. Bei Eurobonds wäre also darauf zu achten, dass ihr Vorteil für den jeweiligen Staat nicht erneut von der privaten ehrlichen oder kriminellen Oberschicht abgegriffen werde. Wie gesagt, es gibt in ganz Europa viele Befürworter, aber auch viele Gegner von Euro-Bonds. Einen schnellen Konsens unter den Mitgliedstaaten zu erzielen ist daher schwierig.

Olaf Scholz hat in der Eurogruppe deshalb folgenden pragmatischen Vorschlag gemacht:

Über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) können die Eurostaaten gemeinsam und zu gleichen Konditionen Kapital beschaffen. Dabei hat der ESM einen großen Vorteil: Er existiert bereits, ist rechtssicher und steht sofort zur Verfügung. Bislang ist die Anwendung des ESM an eine strenge makroökonomische Konditionalität geknüpft. Diese kann für die Bereitstellung einer vorsorglichen ESM-Hilfe (ECCL) reduziert werden. Die Regeln sollten von allen Eurostaaten gemeinsam festgelegt werden und dann für alle gelten, die davon Gebrauch machen möchten. Ein solches Hilfsprogramm könnte bis zu 2% der Wirtschaftsleistung der jeweiligen Mitgliedstaaten umfassen.

In Deutschland werden über die KfW Liquiditätshilfen für Unternehmen organisiert, ähnliches gibt es in Frankreich. Dies kann auf europäischer Ebene über die Europäische Investitionsbank (EIB) ebenfalls gemacht werden. Über einen Pan-europäischen-Kreditgarantiefonds könnten bis zu 50 Milliarden Euro zur Liquiditätsversorgung von kleinen und mittelständischen Unternehmen bereitgestellt werden. Zudem hat Olaf Scholz bereits vor der Corona-Pandemie einen Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung gemacht. Dies könnte ein wichtiger Beitrag zur Stärkung von Stabilität und Solidarität im Euroraum in der Zeit nach der Krise werden.

Darüber hinaus gibt es auch bereits wichtige Initiativen auf europäischer Ebene. Die Europäische Kommission hat gemeinsam mit den Mitliedstaaten die sogenannte Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts aktiviert. So wird der finanzielle Spielraum der Staaten erweitert. Durch einen beihilferechtlichen Sonderrahmens ermöglicht die Europäische Kommission außerdem die unbürokratische Bereitstellung von großflächigen Liquiditätshilfen in allen Mitgliedstaaten. Sehr wichtig ist außerdem das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit einem Umfang von 750 Milliarden Euro konnte bereits für Beruhigung auf den Finanzmärkten gesorgt und die Zinssätze bei europäischen Staatsanleihen stabilisiert werden.

Die Debatte um die Wahl der richtigen Instrumente zur Finanzierung von Wirtschaftshilfen in Europa sollte nicht verkürzt oder polemisch geführt werden. Leider passiert aber das teilweise in einigen Medien. Die einen sagen: Du bist ein guter Europäer, wenn Du für Euro-Bonds bist, ein schlechter Europäer wenn dagegen. Die anderen sagen: Wir können den schlecht wirtschaftenden Staaten doch nicht eine gemeinsame „Kreditkarte“ in die Hand geben und dann für deren Schulden gerade stehen. Das ist aber weder sachlich noch analytisch. So kommen wir nicht ans Ziel. Außerdem bin ich sehr skeptisch, wenn ich völlig einseitige Positionen vernehme, die binnen kürzester Zeit entstanden aber scheinbar schontotal gefestigt sind. Die Welt ist nicht binär. Für die Beantwortung einer solch komplexen Fragestellung muss man zunächst einmal alle relevanten Informationen verarbeiten und durchdenken. Der Artikel, auf den Sie sich beziehen, ist aber explizit nicht von dieser Kritik betroffen, weil er differenziert und inhaltliche Tiefe hat. Somit ist er ein interessanter Debattenbeitrag.

Bei entsprechender Konditionierung und wenn die Zeit zur Einführung von Eurobonds zur Überwindung der wirtschaftlichen Probleme in Europa, hinreichend wäre, wäre ich für die Einführung von EuroBonds. Die europäischen Mitgliedstaaten brauchen Deutschland und Deutschland brauch die Mitgliedsstaaten. In der aktuellen Lage sollten wir die anderen erwähnten Instrumente schärfen. Weil sie zielgenauer sind und schneller wirksam sein können.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding