Frage an Lothar Binding von Thomas B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Binding,
zunächst einmal fällt mir auf, daß zum Thema Rauchverbot auf dieser Website ähnlich auf die Raucher geklopft wird wie in einschlägigen Foren, übrigens mit denselben nicht-Argumenten.
Sie als Mathematiker sollten doch, ich beziehe mich hier auf eine Antwort von Ihnen oben, wissen, daß wenn 1/3 der Bevölkerung für ein Rauchverbot ist, 1/3 dageegn und es 1/3 egal ist man nicht daraus den Schluß ziehen kann, daß 70 % für ein Rauchverbot sind. Meiner Rechnung nach sind das nur 33%, eine Minderheit.
Warum werden in Zügen die Raucherabteile abgeschafft ? Gibt es noch eine bessere Trennung als zwischen Abteilen mit selbstschließenden Türen ? Ich für meinen Teil werde in Zukunft nur noch das Auto benutzen.
Außerdem fällt es auf, daß hier immer das Thema Nichtraucherschutz und Rauchen (vorsätzlich?) verwechselt wird. Es mag ja ein netter Vorsatz sein Raucher vor sich selbst zu schützen aber das ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand.
Wir haben in Deutschland zu viele Gestze und nicht zu wenige. Mir erscheint es so als ob dieses Thema lediglich der Ablenkung von wirklichen Problemen dient.
Auch was die Abbildung von Raucherlungen oder offenen Beinen angeht: Werden dann auch einmal Lungen von Nichtrauchern gezeigt, die in der Großstadt wohnen ? Oder waren das dann alles -ähm - Passivraucher ? Was die Durchblutungsstörungen in den Beinen angeht: Soweit mir bekannt gibt es hier keinen signifikanten Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern.
Wenn man sich einmal die Arbeitsschutzrechlichen Grenzwerte für die hauptkarzinogenen Substanzen AN NORMALEN Arbeitsplätzen anschaut und diese mit einer völlig veräucherten Kneipe vergleicht, so kommt man zu dem Schluß, daß die Belastung der Bedienungen in jeder Hinsicht um ca. einen Faktor zehn unter den erlaubten Grenzwerten liegen.
Mir scheint, daß hier mit gezinkten Karten gespielt wird und diese Diskussion nicht unter einem gesundheitlichen sondern unter einem rein ideologischen Aspekt geführt wird.
Sehr geehrter Herr Baur,
vielen Dank für Ihre Bemerkungen. Sie haben Recht, teilweise geht es sehr aggressiv zwischen Rauchern und Nichtrauchern zu. Wenn Sie in dieser Hinsicht Kritik an meinen Antworten haben, wäre ich für einen Hinweis dankbar.
In der Mathematik, wie in allen Wissenschaften - ich versuche das auch in der Politik zu beachten - ist die Anwendung logischer Grundsätze von großem Vorteil. In der Logik macht eine Implikation (also etwa aus A folgt B) dann keinen Sinn, wenn über den Wahrheitsgehalt der Prämisse (hier also A) keine Aussage möglich ist, oder wenn die Aussage A falsch ist. Denn aus Falschem kann Wahres und Falsches folgen. Da Ihre Prämisse aus der Sie "den Schluß ziehen" falsch ist, sind Ihre Folgerungen ohne Wert.
Die Abschaffung von Raucherabteilen in Zügen ist eine gute Idee. Oft sitzen Raucher im Nichtraucherabteil und gehen nur kurz in das Raucherabteil, um dort zu rauchen. Das ist natürlich unter dem Gesichtspunkt der Kundenorientierung ein Problem, weil dieser Raucher praktisch zwei Plätze belegt. Außerdem werden so auch die Nichtraucherabteile kontaminiert. Falls Sie Nichtraucher sind, haben Sie das bestimmt auch schon gerochen. Obwohl es mir nicht um die Geruchsbelästigungen geht, sondern um die vielen Gifte, die wir nicht riechen können, die aber gleichwohl die Kunden und auch das Bahnpersonal, das täglich die Fahrkarten der Gäste kontrollieren muss, im Nichtraucherabteil belasten. Wir sind natürlich vielen Belastungen ausgeliefert. Hier unterscheide ich zwischen leicht vermeidbaren und unvermeidbaren. Und so wie es in Flugzeugen bisher kaum Probleme mit Rauchern gab, sollte es künftig auch in den Zügen funktionieren. Ich bin bisher im Regelfall auf verständliche Raucher gestoßen.
Ich fahre auch Auto, vermeide es aber aus ökologischen Gründen so oft es geht. Es bleiben genügend Anlässe, die mich zwingen, das Auto zu benutzen. Ihrer grundsätzlichen Entscheidung, künftig das Auto zu benutzen, könnte ich nicht folgen, weil ich die Zeit nicht habe, im Stau zu stehen etc. Mit dem Zug komme ich fast immer pünktlich, kann währenddessen arbeiten, z.B. diese Mail schreiben und so weiter.
Menschen, wie Sie schreiben "vor sich selber zu schützen.." kann doch öffentliche Aufgabe sein, nämlich dann, wenn sich die Erkenntnis für vernünftiges Handeln nicht von selbst einstellt. Als Beispiel sei vielleicht an die Einführung der Gurtpflicht erinnert. Auch damals wurde das von einigen als "Einschränkung der persönlichen Freiheit" etc. diskriminiert. Heute begegne ich oft Rauchern, die mir erklären sie pafften nur. Sie meinen damit, dass Sie keinen Lungenzug machen. Allerdings wird dabei vergessen, dass alle anderen im Raum, wie der Raucher selbst auch, eben doch Lungenzüge machen und alle den Nebenstrom des verglimmenden Tabaks und die Ausatmungsprodukte des Rauchers per Lungenzug einatmen. Insofern möchte ich Ihnen hier nicht zustimmen.
In Deutschland gibt es viele Gesetze. Sie haben Recht. Um nur eine Ursache zu nennen: Viele Gesetze entstehen, weil einzelne Bürger klagen, Recht bekommen und aus Gleichheitsgründen eine gesetzliche Regelung entstehen muss. Denken Sie nur an die unsinnigen Klagen im Nachbarschaftsrecht hinsichtlich der Abstände von Bäumen, Ästen über den Zaun, Wurzeln unter dem Zaun etc etc. Warum können solche einfachen Dinge nicht zwischen den Betroffenen selbst geregelt werden? Warum gibt es immer wieder Raucher, die in einem Raum rauchen, in dem sich viele andere davon gestört fühlen. Solche Konflikte wären wirklich leicht zu lösen, indem der Raucher an die frische Luft geht, damit der Raum unbelastet bleibt.
Zu Ihren Grenzwertbetrachtungen möchte ich mit dem Hinweis auf meine Antwort im zweiten Abschnitt nichts sagen.
Zu Ihrer letzen Bemerkung: Gesundheitspolitik oder Ideologie: Bitte schauen Sie sich die sehr guten Untersuchungen und medizinischen Ergebnisse des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) an, schauen Sie auf die hervorragend aufbereiteten Expertisen von Frau Dr. Pötschke-Langer (DKFZ), und Sie werden leicht feststellen können, dass es bei über 100.000 Toten in Folge des Rauchens pro Jahr in unserer Gesellschaft - und auf das große Leid durch Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs - eigentlich keine Frage sein sollte, ob es sich hierbei um Gesundheitspolitik handelt.
Die ideologische Komponente kommt aber auch oft vor und dafür habe ich Verständnis. Ein Raucher ist ja nicht frei in seiner Entscheidung. Er folgt seiner Sucht. Diesen Zwang rauchen zu müssen, verkehrt er in das Verlangen, überall rauchen zu dürfen und reklamiert dieses Verlangen als Freiheit, bzw. das Verbot überall rauchen zu dürfen als Freiheitsberaubung. Vergessen dabei wird aber, dass die Freiheit des einen dort endet, wo die Einschränkung des anderen beginnt. Aus dieser durch die Sucht asymmetrischen Betrachtung entstehen dann oft unlogische Momente und ideologische Verengungen.
Mit der Hoffnung, dass Sie meine Argumente konstruktiv reflektieren, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding