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Frage von Andreas G. •

Frage an Lothar Binding von Andreas G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

Mit dem am 10. Januar 2020 veröffentlichten Beschluss hat das BVerfG entschieden, dass die Regelungen in § 9 Abs. 6 EStG zur steuerlichen Behandlung von Kosten der Erstausbildung (noch) verfassungsgemäß sind. Nach § 9 Abs. 6 EStG werden Aufwendungen für eine Erstausbildung (soweit nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet) dem privaten Bereich zugeordnet. Diese Aufwendung sind nach § 9 Abs. 6 EStG nicht als Werbungskosten sondern nur als Sonderausgaben anzusetzen. Werbungskosten können zu negativen Einkünften und damit zu einem Verlustvortrag nach § 10d EStG führen. Über den Sonderausgabenabzug kann kein Verlustvortrag erreicht werden. Diese Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, das ein „Verlustvortragspolster“ aufgebaut wird, welches dann mit späteren steuerpflichtigen Einkünften verrechnet werden kann.

Nach der Urteilsbegründung des BVerG steht es in der Disposition des Gesetzgebers Aufwendungen einer Erstausbildung dem privaten Bereich zuzuordnen oder eben nicht. In Hinblick auf die Bedeutung einer guten und oft auch teuren Ausbildung gerade im internationalen Vergleich ist ggf. der Wille des Gesetzgebers zu überdenken.

Wie z.B. eine hier https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2019/Bildung/heft_bildungsindikatoren_laendervergleich.pdf?__blob=publicationFile zu findende Studie zeigt, steigt mit einem höheren Bildungsstand auch die Beschäftigungsquote (siehe Seite 42).
Der jetzige Beschluss des BVerfG bietet die Gelegenheit die steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten zu überdenken.

Es wäre danach zum Beispiel möglich den Verlustabzug vorläufig festzusetzen. Darüber hinaus könnte es eine zeitliche Begrenzung des Verlustabzuges geben (z.B. Wegfall wenn eine Verrechnung mit positiven Einkünften innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Erstausbildung).

Würden Sie sich als Bundestagsabgeordnete für eine neue steuerliche Regelung der Erstausbildungskosten einsetzen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwtach.de zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten. Wie Sie richtig schreiben hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Kosten für die erste Ausbildung nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden können.

Die erste Ausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelten nicht nur Berufswissen, sondern prägten die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeit. Studierende können Begabungen und Fähigkeiten entwickeln, die nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind. Außerdem gibt es viele Studiengänge, die gar nicht gezielt auf einen Beruf vorbereiteten - und viele Berufe, für die es nicht auf ein bestimmtes Studium ankommt. Die Ausbildung dient also zu viel mehr als nur dazu, einen Beruf zu ergreifen und (steuerpflichtiges) Geld zu verdienen. Hinzu kommt, dass eine Erstausbildung noch von der Unterhaltspflicht der Eltern umfasst ist. Diese schulden – in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – eine Berufsausbildung, die der Begabung, den Fähigkeiten und den Neigungen des Kindes am besten entspricht.

Junge Menschen, die sich in der Ausbildung befinden und eine Ausbildungsvergütung oberhalb des Steuerfreibetrags beziehen, können Ihre Werbungskosten geltend machen. In der Mehrzahl betrifft die von Ihnen kritisierte Regelung Studierende. In Deutschland ist das Studium im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bis auf geringe Gebühren in der Regel kostenfrei. Das halte ich auch für wichtig, denn es darf nicht auf den Geldbeutel der Eltern ankommen, ob jemand ein Studium absolvieren kann oder nicht. Die Gebührenfreiheit bedeutet aber auch, dass der Staat sehr viel Geld investiert, das aus den Steuern aller Bürgerinnen und Bürger aufgebracht werden muss. Darüber hinaus haben Studierende in der Regel später bessere Berufsaussichten und höhere Gehälter, was ein weiterer Vorteil ist.

Einen Werbungskostenabzug könnten die meisten Studierenden mangels steuerpflichtiger Einkünfte während des Studiums gar nicht geltend machen. Die Werbungskosten könnten erst vom Einkommen in den ersten Berufsjahren abgezogen werden. Damit kommt derWerbungskostenabzug als Beitrag zur Finanzierung des Studiums zu spät.

Ich halte es deshalb für wichtiger während des Studiums die finanzielle Situation der Studierenden und damit die Chancengleichheit im Bildungswesen zu verbessern. Aus diesem Grund haben CDU/CSU und SPD das BAföG reformiert. Am 1. August 2019 trat die BAföG-Reform in Kraft. Dadurch verbesserten sich ab dem Wintersemester 2019/20 die Leistungen des BAföG erheblich. So werden künftig mehr Studierende noch besser unterstützt. Das BAföG ist ein Garant dafür, dass junge Erwachsene eine Ausbildung absolvieren können – unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern. Während die BAföG-Förderquote in Deutschland in den letzten Jahren rückläufig war, sind in der gleichen Zeit die Lebenshaltungskosten und Mieten stark gestiegen. Hinzukommen komplizierte Antragsverfahren und die Angst vor Schulden, die junge Menschen im schlimmsten Fall davon abgehalten haben, ein Studium aufzunehmen Deshalb hat sich die SPD in der Koalition dafür stark gemacht, dass das BAföG reformiert wird.

Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen deutlich machen konnte, warum neue steuerliche Regelungen der Erstausbildungskosten nicht zielführend sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding