Frage an Lothar Binding von Denny H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Binding
Ende des alten Jahres wurde durch die Koalition eine Änderung im Einkommenssteuergesetz verabschiedet, welches ich als das katastrophalste Gesetz in der jüngsten Geschichte des EstG empfinde.
Es führt unter dem „Deckmantel" Verhinderung von Spekulation dazu, das der Privatanleger, bei Anwendung des Gesetzes in der Mehrzahl der Praxisbeispiele mehr Abgeltungssteuer zu zahlen hat, als er mit seinen Finanzgeschäften überhaupt netto verdient hat und dem selbst im Verlustfall eine Steuerlast droht.
Anbei der Link zu Deutschlands größtem Finanzportal in dem das Gesetz und die Folgen genau beschrieben sind!
Schauen Sie sich dazu insbesondere (!) die Beispielrechnung für den konkreten Praxisfall aus diesem Artikel an.
Die private Altersvorsorge, die durch die Rentenpolitik des Gesetzgebers und der Notenbankpolitik ohnehin schon völlig konterkariert wird, und mehr denn je in der Hand und Verantwortung des Einzelnen liegt, wird hier zusätzlich nunmehr völlig kaputt gemacht, da genau diese betreffenden Finanzinstrumente korrekt eingesetzt, Aktien/Fondsdepots u.ä. besonders im Falle finanzieller Verwerfungen an den Märkten schützen können.
Das Zutreffen dieses Artikels und dessen Auslegung wurde im übrigem schon sogar durch die Pressesprecherin des BMF Frau Kristina Wogatzki bestätigt, siehe Link
DIE WICHTIGSTE FRAGE: "IST DIE BEISPIELRECHNUNG AUS DIESEM ARTIKEL KORREKT UND DIE RICHTIGE AUSLEGUNG DIESER ÄNDERUNG IN DER GESETZGEBUNG?
Wenn ja. War sich der Gesetzgeber über die Folgen (siehe dazu Beispielrechnungen im Artikel) dieses Gesetzes überhaupt im Klaren? War das so gewollt, denn Spekulationsverhinderung kann kein Argument sein, da der deutsche Privatanleger nicht der ist, der die Spekulationsblasen schafft (im Gegensatz zu der Finanzindustrie und den Notenbanken weltweit).
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Folgen der Entscheidung über die angesprochene Änderung des Einkommensteuergesetzes sind dem Gesetzgeber bewusst. Ich erläutere Ihnen gerne die weiteren Hintergründe. Dabei kann ich dankenswerterweise auch auf Formulierungen aus dem Fachreferat des Bundesfinanzministeriums zurückgreifen.
Die Finanzverwaltung hat den Verlust aus dem Verfall von Optionen und Forderungen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht anerkannt. So wurde in einem BMF-Schreiben aus dem Jahr 2016 die Berücksichtigung von Verlusten aus dem Optionsverfall generell versagt. Auch vor Anwendung der Abgeltungsteuer fanden in der Vorgängerregelung in §23 EStG Verluste aus dem Verfall von Optionen nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Berücksichtigung. Dem Bundesfinanzministerium ist nicht bekannt, dass diese jahrelang praktizierte Verwaltungsauffassung, die im Übrigen für den Steuerpflichtigen ungünstiger war als die jetzt diskutierte Änderung, zu nachhaltigen Belastungen geführt hat.
Eine Beispielrechnung:
Sie erzielen innerhalb eines Kalenderjahres aus Optionsgeschäften einen Gewinn von 90.000 Euro. Gleichzeitig realisieren Sie einen Verlust von 85.000 Euro, weil eine Option mit Anschaffungskosten in dieser Höhe wertlos verfällt.
Steuerliche Auswirkung unter Berücksichtigung der bisherigen Verwaltungsauffassung: Sie müssen den Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 Euro versteuern, der Verlust aus dem Verfall der Option wurde nicht anerkannt.
Steuerliche Auswirkung unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG: Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 Euro kann mit dem Verlust in Höhe von maximal 10.000 Euro verrechnet werden, es verbleibt ein steuerpflichtiger Gewinn von 80.000 Euro. 75.000 Euro Verlust aus dem Verfall der Optionen werden auf Folgejahre vorgetragen und können jeweils bis zu 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder vereinnahmten Stillhalterprämien verrechnet werden.
Dieser Verwaltungsauffassung, die sowohl die Zeit vor als auch nach Einführung der Abgeltungsteuer betrifft – also keine steuerliche Berücksichtigung bestimmter Verluste – ist der Bundesfinanzhof 2016 und 2017 nicht gefolgt, sondern hat Verluste aus dem Verfall von Optionen und Kapitalforderungen anerkannt.
Darauf haben wir nun mit der vorliegenden Gesetzesänderung reagiert, in der Verluste nun dem Grunde nach anerkannt werden und lediglich auf den je Kalenderjahr zu berücksichtigen Verlust beschränkt sind.
Grund für die Verlustverrechnungsbeschränkung ist, dass Termingeschäfte durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte in wesentlichem Umfang spekulativ sind.
Sie schreiben „unter dem „Deckmantel" Verhinderung von Spekulation“. Da zeigt sich ein Auffassungsunterschied. Hier geht es um private Geschäfte in denen einerseits hohe Gewinne und andererseits der Totalverlust der Anlage eintreten können. Ich bin dagegen, dass hohe Risiken eingegangen werden, die sich auch deshalb rechnen, weil die Gewinne mit nur 25 % besteuert, an deren Verlusten aber die anderen Steuerzahler beteiligt werden. Sicher könnten wir auch noch über den realwirtschaftlichen Nutzen solcher privaten Geschäfte streiten.
Solche Effekte treten bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß auf. Verluste aus Termingeschäften werden deshalb in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt, um das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen zu begrenzen.
Die vom Portal Godmode-Trader genannte Rechnung stimmt, so dass es infolge der Deckelung der Verlustberücksichtigung bei hohen Gewinnen innerhalb eines Jahres zu einer Besteuerung der Gewinne kommen kann, obwohl unterjährig auch hohe Verluste erzielt wurden. Allerdings handelt es sich bei solchen Anlagevolumina und Gewinnen nicht um den typischen Fall eines Privatanlegers.
Kapitaleinkünfte werden mit einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent, unabhängig von der Höhe der Einkünfte besteuert. Dies muss auch bei einer vergleichenden Bewertung der Besteuerungs¬wirkung mit anderen Einkunftsarten wie den gewerblichen Einkünften berücksichtig werden, die einer progressiven Besteuerung unterliegen. Gewinne aus Termingeschäften werden im Vergleich zu den anderen Einkunftsarten durch den pauschalen Steuersatz von 25 Prozent stark begünstigt.
Warum diese hochspekulativen Geschäfte zudem eine geeignete Form der Altersvorsorge sein sollen, erscheint mir zudem auch recht fraglich. Gehen Sie nicht im Gegenteil Risiken ein, die Ihre Altersvorsorge in Gefahr bringt? Außerdem stellt sich ohnehin die Frage, ob Termingeschäfte bei der Kapitalanlage für die private Altersvorsorge überhaupt eine Rolle spielen. Bei Investitionen in Investmentfonds gilt die hier angesprochene Regelung überhaupt nicht, bei Investitionen in Aktien ist der Anlegergut beraten, wenn er auf die langfristige Wertentwicklung setzt und gerade nicht auf kurzfristige Verkaufserlöse.
Ich zitiere Ihnen noch schnell aus der Mail einer Bürgerin, die irgendwo gelesen hat, es seien gerade die Kleinanleger betroffen: „Warum werden solche Spekulationsgeschäfte überhaupt benötigt – Spekulation ausgerechnet mit der Altersvorsorge? Gehen diese Leute nicht im Gegenteil Risiken ein, die Ihre Altersvorsorge in Gefahr bringen? Und hoffen sie nicht heimlich, dass die anderen Steuerzahler, die auf solche Spekulationen verzichten, den Spekulanten dabei helfen ihre Risiken im Verlustfall zu dämpfen? Und was macht eigentlich der arme Altersvorsorgesparer, der die Verluste trägt, die Sie durch Spekulationsgewinne erwirken? Eins will ich Ihnen sagen, die Kleinsparer und Kleinaktionäre leben jedenfalls nicht von den Spekulationsgewinnen. Auch im Alter nicht.“
Zusammenfassend ist zu sehen, dass der §20 Abs. 6 Satz 5 EStG eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Finanzverwaltungsauffassung darstellt. Ich denke, dass damit dem Interesse, auch über spekulativere Anlageformen wie Termingeschäfte Einkünfte zu erzielen, in angemessener Form Rechnung getragen wird.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding