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Frage von Alfred H. •

Frage an Lothar Binding von Alfred H. bezüglich Finanzen

Bei Focus Online ist zu lesen Zitat "Allein für Sozialleistungen bei anerkannten Asylbewerbern, vor allem Hartz-IV-Zahlungen und Mietzuschüsse, veranschlagten die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in diesem Zeitraum 25,7 Milliarden Euro. Für Sprachkurse sind 5,7 Milliarden Euro berechnet, für Eingliederungshilfen ins Berufsleben 4,6 Milliarden. Die jährlichen Kosten steigen demnach von rund 16,1 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 20,4 Milliarden in 2020."
http://www.focus.de/politik/deutschland/fluechtlinge-bund-stellt-fuer-fluechtlingskrise-94-milliarden-euro-bereit_id_5531802.html

Sehr geehrter Herr Binding,

ich finde vergleichende Relationen immer sehr interessant, da X Milliarden immer recht abstrakt sind.

Um wie viel % könnte man den Krankenkassenbeitragssatz senken wenn man dieses Geld 100% den Krankenkassen geben würde?

Um wie viel % könnte die Rente steigen, wenn dieses Geld 100% der Rentenkasse übergeben werden würde?

Wie viele Polizisten könnte man für dieses Geld beschäftigen?

Wie viele Lehrer könnte man damit einstellen?

Runde 248 Euro könnte man jedem Bürger schenken wenn man einmalig die 20,4Mrd an 82Mio verschenkt, ein stolzes Sümmchen. Um wie viel % könnte die MwSt gesenkt werden?

Wäre das Geld nicht sehr viel besser dafür aufgewendet zumal eine neue Studie aus Schweden aufgezeigt hat dass die Integration der "Flüchtlinge" in den Schwedischen Arbeitsmarkt bisher sehr teuer und eher nutzlos war? Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/arbeitsmarktintegration-schwedens-fluechtlingspolitik-ist-teuer-und-erfolglos-14231901.html

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Huber,

zunächst möchte ich kurz auf Ihre Bemerkung zu der von Ihnen zitierten OECD-Studie eingehen. In dem angesprochenen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird der Inhalt der OECD Studie so zusammengefasst, dass das schwedische Programm zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt Veränderungen brauche, insgesamt aber sinnvoll sei. Und so sehen Sie, dass sich Ihre Interpretation von der nachzulesenden Darstellung in dem Artikel doch erheblich unterscheidet.

Hier einige Zitate: „Die teuren Instrumente für die Arbeitsmarktintegration erwiesen sich jedoch als wenig effizient. Das System müsse reformiert werden.“ Und weiter: „Das Programm ist sinnvoll, aber in seiner jetzigen Form zu starr“, fasste OECD-Fachmann Thomas Liebig das Ergebnis im Gespräch mit der F.A.Z. Auch mit dem folgenden Zitat lässt sich Ihre Formulierung: „sehr teuer und eher nutzlos“ wohl kaum belegen: „Den Eltern fällt zwar die Integration oft schwer, die Investitionen zahlen sich aber bei ihren Kindern aus“, sagt Liebig.“ Und wir lesen weiter: „Der Pro-Kopf-Zugang von Schutzsuchenden sei damit der höchste gewesen, der je in einem Mitgliedstaat gemessen wurde.“ Sie spüren sicher, warum ich Ihrer recht eigenwilligen Interpretation der von Ihnen zitierten Quellen nicht folge. Allerdings können wir aus dem Artikel sicher viel lernen: In neuen Situationen und vor neue Aufgaben gestellt, müssen wir uns die Bereitschaft erhalten, Lösungen stetig zu kontrollieren und zu verbessern, auf Fehlentwicklungen zu reagieren und Fehlentscheidungen zu korrigieren. Einige elementare Bemerkungen: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und unserem Grundgesetz haben Flüchtlinge, die hier ankommen, zunächst das Recht in Deutschland Schutz und Asyl zu beantragen. Die zuständigen Stellen entscheiden dann nach Recht und Gesetz, ob bzw. welcher Aufenthaltsstatus gewährt wird. In bestimmten Fällen haben die Menschen dann auch ein Recht auf Sozialleistungen. Soweit kann man sich also nicht „aussuchen“, ob bestimmte Kosten entstehen oder nicht.
Etwas anderes ist es mit den Kosten für Sprachkurse und andere Ausgaben für Integration, etwa Eingliederungshilfen ins Berufsleben. Diese können in den aktuellen Haushalten festgelegt werden. Und hier hat der Bundestag auch sehr viele Mittel zur Unterstützung der Länder bzw. der Kommunalen Gebietskörperschaften beschlossen.

Sprachkenntnisse und eine geregelte Arbeit sind die wichtigsten Bausteine, damit Menschen in unserer Gesellschaft ankommen und Fuß fassen können. Beides ist wichtig, um die Entstehung von Parallelgesellschaften zu vermeiden und ein gelungenes Miteinander in diesem Land zu ermöglichen. Daher lohnt sich für mich jeder Euro, den wir bisher in Sprachkurse und sonstige Integrationsleistungen investieren.

Das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Oder? Nachdem wir Jahrzehnte lang Armut exportiert haben - insbesondere durch die weltweite Ausbeutung von Rohstoffen und unfaire terms of trade (verstanden als das reale Austauschverhältnis zwischen exportierten und importierten Gütern), nachdem wir unser Versprechen, die ODA Quote auf 0,7 % des BIP anzuheben, gebrochen haben und nachdem wir durch Rüstungsexport und Geldgeschäfte an vielen Konflikten bzw. Kriegen nicht unbeteiligt waren und nachdem wir auch am Klimawandel durch überbordenden (und unnötigen) Verbrauch fossiler Energieträger nicht ganz unschuldig sind - insgesamt also durchaus Ursachen und Anlässe für Fluchtmomente gegeben haben - sind die von Ihnen nun angesprochenen Mittel erst recht nicht mehr als ein Gebot der Menschlichkeit.

Und Sie rechnen ja selbst: „Runde 248 Euro könnte man jedem Bürger schenken“. Also etwa ein Jahr lang 20 Euro im Monat… und Sie nennen dies „ein stolzes Sümmchen“. Vielen Menschen, denen es nicht gut geht, in Deutschland könnte dies schon etwas weiter helfen. Das stimmt. Ob es klug ist von „stolzem Sümmchen“ zu sprechen, mag jeder Leser und jede Leserin dieser Zeilen selbst beurteilen.

Sie schreiben noch: „Um wie viel % könnte die Rente steigen, wenn dieses Geld 100% der Rentenkasse übergeben werden würde?“ Rechnen Sie wieder selbst: es gibt gut 20 Millionen Rentner die etwa 250 Milliarden Euro im Jahr erhalten. Dabei stammt etwa jeweils ein Drittel von den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und aus dem Steuertopf. Aber so einfach wollen Sie es sich sicher nicht machen - gerade weil Sie „vergleichende Relationen immer sehr interessant“ finden. Ich finde das auch interessant. Deshalb lassen Sie uns noch einen Schritt weiter denken, damit Ihre Frage nicht so einseitig und reduziert erscheint.

Sicher würden Sie die Einnahmen auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite und aus dem Steuertopf abziehen wollen, die von den ehemals als „Gastarbeiter“ angeworbenen Ausländern, den Flüchtlingen oder Einwanderern aus Russland, den Balkanstaaten, aus der Türkei, dem Iran, dem Irak etc. abziehen wollen. Denn die Integrationskosten dieser Zuwanderer haben sich inzwischen ja mehrfach „bezahlt gemacht“. In unserer Rechnung dürfen wir dies aber nicht berücksichtigen, denn die damaligen Integrationskosten hätten wir nach Ihrer Logik ja schon an die damaligen Rentner ausbezahlt … die Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund wären heute nicht hier. Noch drastischer wird mir vor Augen geführt, wie es aussähe, würde ich Ihrer Idee folgen, wenn ich an die Pflege denke, in Pflegeheimen, in Krankenhäusern, in der häuslichen Pflege. Vielleicht denken Sie aber auch an den Pizzabäcker oder den Automobilbau…

Vielleicht sind Sie auch zu jung um aus eigenem Erleben zu verstehen, wie sehr uns Ausländer in der Nachkriegszeit (innerhalb und außerhalb Deutschlands) geholfen haben Deutschland wieder aufzubauen - nachdem wir ein Schlachtfeld in Europa hinterlassen hatten.

Im Hinblick auf ihre Fragen zu den Kosten der Sozialversicherungen, zur Höhe der Umsatzsteuereinnahme und den Ausgaben für innere Sicherheit empfehle ich Ihnen folgende Quellen:

https://www.bundeshaushalt-info.de

http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/finanzdaten-sozialversicherung.html

http://oeffentlicher-dienst.info/

Mit freundlichen Grüßen, Lothar Binding