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Frage von Wolfgang von E. •

Frage an Lothar Binding von Wolfgang von E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,
ich wende mich an Sie als haushaltspolitischen Sprecher Ihrer Partei. Die SPD beabsichtigt die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Ich bin von Beruf Steuerberater, gehöre also zu den wenigen Personen, die von diesem Vorhaben sogar profitieren könnten.
Dennoch bin ich, wie meine Mandantschaft, kein Freund dieser Abgabe.
Bitte erläutern Sie mir Ihre bzw. die Gedanken Ihrer Partei zu folgenden Problemen:
Durch Abgaben auf das Vermögen werden - im Vergleich zu einer Erhöhung der Ertragsteuern - vor allem Vermögenswerte belastet, die wenig Ertrag bei hoher Substanz abwerfen.
Dies ist z.B. bei vermieteten Wohnungen der Fall, wenn der Vermieter bisher darauf verzichtet hat, die höchstmögliche Miete zu erzielen. Ein solch soziales Verhalten sollte eigentlich nicht noch bestraft werden.
Bei Einführung von Vermögensabgaben wird jeder Vermieter versuchen, diese zusätzliche Last durch eine Mieterhöhung auszugleichen. Da am Wohnungsmarkt derzeit ein Vermietermarkt vorherrscht, die Nachfrage also höher ist als das Angebot, wird dies nahezu überall möglich sein, wo noch nicht die Maximalmiete verlangt wurde. Die Vermögensabgabe werden dann also per saldo nicht "die Vermögenden" zahlen, sondern die Mieter - eine Klientel, die Sie doch eigentlich gar nicht treffen wollten, und die z.B. hier in Berlin schon belastet genug sind. Eine Verschonungsregelung für vermietete Wohnungen ist meines Wissens aber nicht geplant.
Die selben Umwälzmechanismen werden überall auftreten, wo es möglich ist, die Erträge zu erhöhen, also ggf. auch im unternehmerischen Bereich, bei Kapitalforderungen usw.
Haben Sie diese Entwicklung zuvor bedacht?
Wie sollen, wenn überhaupt, solche Umwälzreaktionen verhindert werden?
Sehen Sie Vermögensabgaben trotz dieses Mechanismus als sozial sinnvoll an, wenn ja: warum?
Mit freundlichen Grüßen
W. von Engelberg, Steuerberater

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Sehr geehrter Herr Engelberg,

vielen Dank für Ihre Frage. Nur „der guten Ordnung halber“: Ich bin Finanzpolitischer Sprecher der SPD Fraktion, also Vorsitzender der SPD Arbeitsgruppe Finanzen. Im Haushaltsausschuss des Bundestages kümmern wir uns um die Ausgaben, im Finanzausschuss des um die Einnahmen.

Noch zwei kleine fachliche Korrekturen hinsichtlich Ihrer Wortwahl:

Sie schreiben: „Wiedereinführung der Vermögensteuer“. Das ist insofern falsch, als es das Vermögensteuergesetz schon lange gibt, die Steuer wird gegenwärtig lediglich nicht erhoben. Deshalb sprechen wir von Wiedererhebung der Steuer. Sie wird nicht neu „eingeführt“, sie gab es schon lange.

Sie schreiben auch „Durch Abgaben auf das Vermögen“ oder „Bei Einführung von Vermögensabgaben“. Der Begriff „Abgabe“ ist irreführend. Natürlich muss man die Steuern abgeben - gleichwohl ist fachlich zwischen Steuer und Abgabe zu unterscheiden, weil Einnahmen aus Abgaben zweckgebunden sind, Steuereinnahmen aber nicht - gegenwärtig ist der Unterschied besonders wichtig und Ihnen als Steuerberater sicher geläufig, weil die Grünen eine Abgabe voraschlagen, die SPD aber eine Steuer.

Sie schreiben: „… wenn der Vermieter bisher darauf verzichtet hat, die höchstmögliche Miete zu erzielen. Ein solch soziales Verhalten sollte eigentlich nicht noch bestraft werden.“ Das sehe ich auch so, wenngleich Steuern grundsätzlich nicht der „Bestrafung“ dienen, sondern der Sicherung der für die Gemeinschaftsaufgaben notwendigen Einnahmen. Allerdings gibt es beide Fälle: Vermieter, die selbstlos die Miete niedrig halten um ihren Mietern zu helfen und die anderen Vermieter, die Mieten stets so hoch ansetzen wie irgend möglich. Sie als Fachmann wissen natürlich, dass solche Beobachtungen nicht der Maßstab für ein Steuersystem sein können. Andernfalls wäre ja der Selbstlose Vermieter der Anlass, den egoistischen Vermieter besonders zu schützen.

Sie schreiben: „…wird jeder Vermieter versuchen, diese zusätzliche Last durch eine Mieterhöhung auszugleichen“. Das wiederspricht ein wenig Ihrer obigen Formulierung. Warum sollte der Selbstlose Vermieter plötzlich eine marginale Last an seine Vermieter weiter geben, wenn er zuvor auf ganz andere Beträge zum Wohle seiner Mieter verzichtet hat? Aber für viele andere Vermieter ist Ihr Satz natürlich richtig - wenn und nur wenn es überhaupt dazu kommt, dass Vermögensteuer zu bezahlen ist. Und wenn Sie sich überlegen, dass das Privatvermögen bei 10.000 Milliarden Euro liegt, also bei 10 Billionen Euro und an eine Steuer von nur 10 oder 15 Milliarden gedacht wird … sehen, wie klein die volkswirtschaftliche Bedeutung der Steuer ist und dass sehr viele Menschen davon überhaupt nicht betroffen sein können. Aber hier warten wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer ab - dort geht es um die Bemessungsgrundlage bzw. Bewertungsfragen, von denen schließlich abhängt, welche Bedeutung Ihre Überlegung hat.

Sie schreiben: „Da am Wohnungsmarkt derzeit ein Vermietermarkt vorherrscht, die Nachfrage also höher ist als das Angebot…“. Folgen wir den Ausführungen von Franz-Georg Rips, dem Präsident des Deutschen Mieterbundes, erwarten wir etwa 4 Millionen Wohnungen im Leerstand und gleichzeitig 2 Millionen fehlende Wohnungen - insofern ist Ihre Aussage gleichzeitig wahr und falsch, was eine einheitlich bundespolitische Betrachtung und allgemeine Aussagen erschwert. Für Heidelberg, meine Heimatstadt, haben Sie z.B. hundertprozentig Recht. Da ich Vorsitzender des Mietervereins Heidelberg und Umgebung bin, kenne ich diese Problemlage sehr gut und die Not der Mieter auch…

Sie schreiben weiter: Die Vermögensabgabe werden dann also per saldo nicht "die Vermögenden" zahlen, sondern die Mieter - eine Klientel, die Sie doch eigentlich gar nicht treffen wollten,…“ Eine Steuer soll niemanden „treffen“. Und der Gedanke, man wolle eine „Klientel“ bevorzugen oder die andere Klientel „treffen“ ist abwegig, denn unsere Klientel sind alle Bürgerinnen und Bürger. Da wünschte ich mir die schwedische Begrifflichkeit: dort wird der öffentliche Haushalt „Schatz des Volkes“ genannt. Jeder beteiligt sich nach seinen Kräften.

Sie schreiben noch: „Die selben Umwälzmechanismen werden überall auftreten, wo es möglich ist, die Erträge zu erhöhen,“. Natürlich finden wir überall Gewinnmaximierungsbestrebungen und Überwälzungen von Steuern auf andere ist oft möglich. So findet sich die Körperschaftsteuer sicher im höheren Preis der Produkte des Unternehmens oder in niedrigeren Löhnen, die Mehrwertsteuer wird weiter gereicht, etc. Im unternehmerischen Bereich geht das sicher recht einfach - und schließlich werden alle Abgaben und Steuern des Unternehmens, auch alle Gewinne etc. von den Arbeitnehmerinne und Arbeitnehmern erarbeitet. Aber deshalb verzichten wir ja nicht auf die Besteuerung der Gewinne von Unternehmen.

Allerdings schwächt sich Ihr Argument bei den privaten Vermögen ab. Dort ist die Weitergabe der Steuer ohne findigen Steuerberater nicht so einfach möglich.

Und nochmal: Bei einer gesamten Steuer - ich vage nicht zu schreiben: „Steuerbelastung“, von 10 oder 15 Milliarden Euro bei einem unverschuldeten Privatvermögen von 10.000 Milliarden Euro sollten sich alle beruhigt zurück lehnen. Wenn Sie allein die Wachstumsgeschwindigkeit des Vermögens in den vergangenen 10 bis 20 Jahren betrachten, ganz viel in nur wenigen Händen, dann wird die Steuer die Wachstumsgeschwindigkeit des Vermögens ein wenig mindern - und nicht zu vergessen: viele faire Reiche gegen der Gesellschaft gern etwa zurück.

Da wir in den vergangenen vier Jahren im Bund 100 Milliarden neue Schulden gemacht haben und gleichzeitig von der Substanz leben, schauen Sie auf marode Schulen, schlechte Straßen etc. finden Sie schnell die Antwort auf Ihre Frage, warum die Vermögensteuer sinnvoll ist.

Mehr zu diesem Thema finden Sie auf meiner Website unter
http://www.lothar-binding.de/Finanzen.175.0.html

Ihnen alles Gute, Ihr Lothar Binding