Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter DIE LINKE, Kandidat zur Bundestagswahl 2021 in Kiel.
Lorenz Gösta Beutin
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Frage von Stefan L. •

Frage an Lorenz Gösta Beutin von Stefan L. bezüglich Energie

Guten Tag Herr Gösta Beutin,

ich möchte sehr gerne eine Photovoltaikanlage auf mein Dach bauen. Tu ich aber nicht. Warum bekomme ich keinen Stromzähler der auch Rückwärtszählen kann, wenn ich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach habe???
In anderen EU Ländern ist dies möglich.
Das ganze nennt sich Net Metering
https://de.wikipedia.org/wiki/Net_Metering
https://swhgroup.eu/de-net-metering.html
(Infos nur aus dem Internet, da ich leider nicht vom Fach bin auf diesem Gebiet)

Warum gibt es dies nicht in Deutschland?
Gibt es da wirtschaftliche Gründe ?
Wo sollten für den Privaten die Nachteile liegen ?
Oder möchten Sie /die Partei es gar nicht einführen ?

Ich denke das Net Metering die Angebotsvielfalt des Photovoltaik bereichert und zudem pragmatisch einfach ist.

FYI: Ich habe diese Frage auch an andere Abgeordnete anderer Parteien des Bundestages Versand und bin gespannt ob es da eventuell einen Parteiübergreifenden Konsens geben könnte. Dann stünde dem Net Metering ja nichts mehr im Wege.

Ich freue mich auf Ihre Antwort

Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter DIE LINKE, Kandidat zur Bundestagswahl 2021 in Kiel.
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihre Frage. Deutschland hat eine ganz andere Vergangenheit bei der Einführung der Erneuerbaren Energien und der Vergütung als etwa die Niederlande, wo momentan Net-Metering genutzt wird. Um zu erklären, weshalb Net-Metering in Deutschland flächendeckend eher keine Option ist (jedenfalls nicht, wenn nicht mehr oder weniger hohe Grundgebühren berechnet werden), muss ich etwas ausholen.
In Deutschland wurde im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz zur Förderung erneuerbaren Stroms eingeführt und seither zigmale reformiert. Dem zugrunde liegt ein Vergütungssystem, das die technische Entwicklung seit über 20 Jahren allein durch die Verbraucherinnen und Verbraucher geschultert hat. In den Anfangsjahren waren Photovoltaikanlagen noch teuer, daher wurde eine hohe Vergütung gezahlt, die 20 Jahre lang galt. Damit hat Deutschland einen hohen Anteil an der technischen Entwicklung und Markteinführung der erneuerbaren Energien weltweit getragen, die Stromkundinnen und –kunden heute noch mitbezahlen, da noch viele Anlagen aus dieser Zeit vergütet werden. Heute sind die Anlagen deutlich günstiger, dafür gibt es auch keine so hohen Fördersätze mehr.

DIE LINKE dringt schon lange darauf, das Stromentgeltsystem grundlegend zu reformieren und gerechter zu gestalten. Im Zuge der letzten EEG-Reform wurde zwar schon ein erster Schritt getan, um das EEG-Konto aus dem Staatshaushalt zu entlasten und dadurch die EEG-Umlage zu begrenzen. Dies ist aber noch lange nicht genug. Die CO2-Belastung sollte sich künftig in den Kosten widerspiegeln, daher sollte Ökostrom günstig sein. Davon sollten aber nicht nur Eigenheimbesitzer*innen profitieren können, sondern auch diejenigen, die in Mietwohnungen wohnen und sich keine eigene Anlage zulegen können.

Im Strompreis enthalten sind aber noch andere Kosten: In Deutschland sind das mit rund 25 Prozent die Netzentgelte und Zählerkosten, 20 Prozent EEG-Umlage sowie weitere 25 Prozent Steuern und Abgaben (Konzessionsabgabe). Ein solches Finanzierungssystem, das all die Kosten jenseits des eigentlichen Strompreises eines Stromsystems anderen auflädt, hat erhebliche Umverteilungseffekte zu Lasten übriger Stromkund*innen und öffentlicher Haushalte. Denn somit sind Betreiber*innen von diesen Ökostromanlagen von den Kosten der Infrastruktur und Systemsicherung der Elektrizitätsversorgung (die sie weiter nutzen und auf die gerade Ökostromanlagen angewiesen sind) auf Kosten Dritter befreit.

Gleiches gilt für die Finanzierungskosten der Energiewende (s.o. und von der sie unmittelbar profitieren). Denn die garantierte 20-jährige EEG-Vergütung von Ökostromanlagen erfolgt über das EEG-Umlagesystem, welches aber systematisch, ebenso wie die anderen genannten Umlagen und Abgaben, auf Basis des Fremdstrombezugs berechnet werden. Diese Finanzierungskosten werden dadurch auf immer weniger Schultern verteilt, u.a. auch auf denen von Geringverdiener*innen in Mietshäusern.

Das Net-Metering ist ein Finanzierungssystem, das sehr unbürokratisch funktioniert. Wenn der eingespeiste Strom den Zähler rückwärts laufen lässt, heißt das, dass dieser Strom letztlich mit dem vollen Strompreis für verbrauchten Strom vergütet wird. In den Niederlanden wurde das Net-Metering als eine unbürokratische Abrechnungsmethode eingeführt, um den Rückstand des Landes bei der Energiewende aufzuholen. Mittlerweile wird aber auch dort über andere Vergütungssysteme nachgedacht, weil das Stromsystem eben die oben genannten Kosten beinhaltet, die sich über ein Rückwärtslaufen des Zählers bei der Produktion von Sonnenstrom nicht abrechnen lassen, aber trotzdem gezahlt werden müssen.

Für sehr kleine Anlagen (z.B. Balkonanlagen) wäre das Net-Metering sicherlich theoretisch auch in Deutschland machbar. Allerdings nicht, wenn dafür der Einbau eines besonderen Zählers notwendig wäre. Der Gesetzgeber muss im Blick behalten, was für die Energiewende insgesamt erforderlich ist, nämlich dass Dächer für Solaranlagen möglichst ausgenutzt werden. Der Klimaschutzeffekt von Solaranlagen sollte maximiert werden, um die Energiewende zu beschleunigen und dabei sozial gerecht zu gestalten.

Weitere Informationen zur Klima- und Energiepolitik der Bundestagsfraktion finden Sie im Dossier „Klimagerechtigkeit“ unter www.linksfraktion.de/klimagerechtigkeit .

Mit freundlichen Grüßen
Lorenz Gösta Beutin