Frage an Lisa Paus von Jürgen M. bezüglich Wirtschaft
Im Juli haben in Washington die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA begonnen. Finden Sie, daß es das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie stärkt, wenn das der EU-Kommission erteilte, auf 18 Seiten schriftlich formulierte Verhandlungsmandat zum Geheimdokument erklärt wurde und der EU-Bevölkerung und selbst den Abgeordneten des Europa-Parlaments vorenthalten wird? Werden Sie im Bundestag eine Initiative ergreifen, die die Bundesregierung auch gegen ihren Willen verpflichtet, diese Verhandlungsmandate und Verhandlungsunterlagen dem Bundestag zugänglich zu machen?
Findet es Ihre Zustimmung, dass nach den bekanntgewordenen verhandlungspapieren der EU-Kommission Unternehmen ein Klagerecht gegen Staaten auf Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe ermöglicht würde, wenn Unternehmen ihre Gewinnerwartungen durch gesetzliche Vorgaben – wie z.B. bei der Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall - geschmälert sehen? Finden Sie es richtig, daß nach dem Willen der Bundesregierung und der Regierungen der anderen EU-Länder Schiedsgerichte aus wenigen Wirtschaftsjuristen, also nicht aus Personen, die über die Befähigung zum Richteramt verfügen und demokratisch legitimiert sind, zusammengesetzt sind, über solche weitreichenden Schadenersatzklagen zu entscheiden hätten? Würde unser Rechtssystem und damit die Demokratie nicht schwer beschädigt, wenn sich die EU-Staaten, wie es vorgesehen ist, den Entscheidungen dieser Schiedsgerichte unterwerfen und auf jede Berufungsmöglichkeit verzichten?
Werden Sie der Ratifizierung eines transatlantischen Freihandels-Abkommen, das solche extremen Investorenschutzklauseln enthält, zustimmen?
Sehr geehrter Herr Maier,
das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ist eine entscheidende und hochstrittige Weichenstellung für die Außenhandelspolitik der EU. Die Europäische Kommission und viele Mitgliedsländer versuchen, die Öffentlichkeit mit überzogenen Versprechungen ruhig zu stellen, während andererseits die notwendige Transparenz verweigert wird.
Wir Grüne werden zusammen mit der Zivilgesellschaft intensiv dafür kämpfen, dass europäische Standards, etwa beim Verbraucher-, Umwelt-, Arbeits-, oder Datenschutz, erhalten bleiben. Deshalb ziehen wir klare rote Linien:
Wir wollen transparente Verhandlungen. Dafür müssen Abgeordnete und die Zivilgesellschaft Zugang zu den Verhandlungsdokumenten bekommen und auch Einfluss nehmen können.
In den letzten Monaten ist herausgekommen, dass der US-amerikanische Geheimdienst nicht nur die europäische Bevölkerung flächendeckend überwacht, sondern auch europäische DiplomatInnen bespitzelte. Nachdem die Forderung, vor Aufnahme der TTIP-Verhandlungen in diesem Skandal Klarheit zu schaffen, nicht erfolgreich war, sagen wir: Ohne angemessene Datenschutzrahmenvereinbarung darf es kein TTIP geben.
Wir wollen, dass InvestorInnen-Staatsstreitigkeiten über nationale Gerichte gelöst werden. Schließlich haben sowohl die USA als auch die EU gut funktionierende Gerichte. Nur so kann garantiert werden, dass Streitigkeiten transparent und demokratisch entschieden werden.
Bisher ist für Ausländische InvestorInnen die Möglichkeit vorgesehen, Staaten zu verklagen, wenn sie meinen, dass sie durch neue Gesetzgebungen Einbußen hinnehmen müssen. Der Mechanismus, um Investor-Staatsstreitigkeiten beizulegen, sieht vor, dass quasi geheime Tribunale Klagen von InvestorInnen gegen Staaten entscheiden. Damit werden nationale Gerichte umgangen und es besteht keinerlei Möglichkeit, transparent nachzuvollziehen, wie es zu Entscheidungen kam. Diese Tribunale entscheiden in 70 Prozent der Fälle zu Gunsten der klagenden Unternehmen - und plötzlich müssen Staaten mehrstellige Millionenbeträge an Unternehmen zahlen. Letztlich heißt das, dass Staaten ihre Gesetze von möglichen zukünftigen Klagen abhängig machen, weil jede Sozial- oder Umweltgesetzgebung von ausländischen InvestorInnen als "Enteignung" ausgelegt werden und zu einer Klage führen kann.
Wir Grüne versuchen, Einfluss zu nehmen. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten wollen das Abkommen, die USA wollen das Abkommen und die Unternehmen auch. Es gilt, mit Druck auf unseren Forderungen zu beharren. Darum streiten wir für den Zugang zu den Dokumenten für die Öffentlichkeit. Darum setzen wir uns ein gegen Investitionsschutz und Liberalisierung und für hohe Standards und grüne Wirtschaftswege. Wir glauben, dass wir dabei etwas erreichen können.
Wenn unsere Kernforderungen nicht erfüllt werden, werden wir das Abkommen ablehnen.
Herzliche Grüße
Lisa Paus