Frage an Lisa Paus von Marie-Christine W. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Paus,
da ich in der Präsentationsprüfung im Abitur diesen Jahres das Thema Japan habe und mich dieses Thema politisch sehr interessiert, würde ich mich über ihre Meinung zu diesem Thema sehr freuen.
Japan:,,Das Land der untergehenden Sonne´´-Lohnt es sich für Japan auf erneuerbare Energien umzusteigen?
Sind die erneuerbaren Energien wirklich so viel effizienter als die bestehende Atomenergie? Und ist es wirklich realistisch für Deutschland bis spätestens 2022 und für Japan bis 2040 aus der Atomenergie auszusteigen?
Mit freundlichen Grüßen
Marie-Christine Wulff
Liebe Marie-Christine-Wulff,
vielen Dank für die Frage. Ich freue mich über Dein Interesse an der Energiepolitik in Japan und Deutschland.
Der Klimawandel ist in unseren Breiten angekommen. Das ist in Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg unstrittig. Schon jetzt macht er sich durch überdurchschnittlich warme Winter, trockene Sommer und eine Häufung von extremen Wetterereignissen wie Stürmen und Starkregenfällen bemerkbar. Eine Erwärmung unserer Erde um maximal zwei Grad gilt unter Wissenschaftlern als gerade noch beherrschbar. Jeder weitere Temperaturanstieg birgt die Gefahr, dass das Weltklima unkontrollierbar kippt und damit unsere Lebensgrundlage bedroht. Um die Erderwärmung auf das gerade noch erträgliche Maß zu begrenzen, müssen die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen reduzieren. Dabei muss der überwiegende Anteil dieser Minderungsleistung in den Industriestaaten selbst erbracht werden.
Fukushima hat gezeigt, dass ein Stromausfall eine Kernschmelze auslösen kann. Das kann auch hierzulande passieren. Das zunehmende Alter macht AKWs störanfälliger. Über 4.000 meldepflichtige Zwischenfälle gab es allein in den 17 deutschen Atomkraftwerken. Dem gezielten Absturz eines Passagierflugzeugs – seit dem 11.9.2001 eine unbestreitbare Bedrohung – hielte kein einziges AKW stand. Es ist eine Frage der Ethik und des Verstandes, alles dafür zu tun, das Risiko eines schweren Atomunfalls schnellstmöglich zu beenden.
Die Frage ist also nicht, ob sich die Energiewende für Staaten wie Deutschland oder Japan lohnt. Es ist vielmehr so, dass eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland genauso notwendig ist, wie in allen anderen Industriestaaten der Erde auch.
Vergleicht man die gesamten Kosten von Atomkraft und Erneuerbaren für Stromverbraucher und den Staat (oder die Steuerzahler) ergibt sich, dass Atomstrom die teurere Variante ist. Der Bau von AKWs wurde in der Vergangenheit mit viel Steuergeld subventioniert. So hat der Staat zwischen 1970 und 2012 rund 187 Milliarden Euro für die Subventionierung der Atomkraft ausgegeben. Und auch die zukünftigen hohen Kosten für die Endlagerung des für viele hunderttausend Jahre strahlenden Atommülls müssen in die Rechnung einbezogen werden. Passieren bei der Endlagerung Fehler wie im Atomlager Asse, können schnell Sanierungskosten in Milliardenhöhe anfallen.
Langfristig werden die Kosten der Energiewende den Nutzen bei weitem überwiegen. Denn es ist günstiger, heute in saubere Energie zu investieren, als später die Kosten des Klimawandels zu bezahlen. Wegweisend ist hier der sogenannte Stern-Report, der 2006 im Auftrag der britischen Regierung angefertigt wurde. Aus dem Bericht ergibt sich, dass bis zum Jahr 2100 jeder eingesetzte Euro für Klimaschutz bis zu zwanzig Euro an Klimaschäden vorbeugt.
Deutschland wird bis 2022 aus der Atomkraft aussteigen. Das wurde in einem breiten Parteienkonsens beschlossen – auch die Grüne Bundestagsfraktion hat hier zugestimmt. Wie alle anderen Fraktionen halten wir den Atomausstieg bis 2022 für realistisch. Angetrieben durch das rot-grüne Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind die erneuerbaren Energien schneller vorangekommen als selbst wir es erwartet hatten. Wind, Sonnenenergie und Biomasse, Wasserkraft und Geothermie sichern heute schon fast 25 Prozent der Stromversorgung, rund viermal so viel wie noch vor gut zehn Jahren. Dank des Wachstums der erneuerbaren Energien konnte nach Fukushima die Hälfte der deutschen Atomkraftwerke ohne Probleme für die Versorgungssicherheit stillgelegt werden. Wir sind uns sicher: Wenn die Politik den erneuerbaren Energien keine Steine in den Weg legt, kann sich der Anteil des Ökostroms bis 2020 noch einmal verdoppeln.
Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, Japan die drittgrößte. Zwar ist das Energiesystem Japan heute mehr auf die Atomkraft ausgerichtet als Deutschland. Grundsätzlich sind aber die Voraussetzungen für eine Energiewende in Japan genauso gegeben wie in Deutschland. Die vergangene Zeit seit Fukushima hat gezeigt, dass Japan schon heute völlig auf Atomkraft verzichten kann. Zeitweilig standen alle Reaktoren still, weil sie beschädigt sind oder kontrolliert wurden. Wie in Deutschland auch ist es in Japan vor allem eine Frage des politischen Willen und des Rückhalts in der Bevölkerung, ob ein rascher Atomausstieg und Umstieg auf erneuerbare Energien in Japan funktionieren wird.
Viele Grüße und viel Erfolg bei den Abiturprüfungen wünscht
Lisa Paus
Hintergrundinformationen:
Vergleich der Kosten zwischen Atomkraft und Erneuerbaren:
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37513/1.html
Kosten der Sanierung der Asse:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-09/asse-raeumung-gesetzentwurf
Grüne Position zum Stand der Energiewende:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/Beschluss_Weimar_Energiewende.pdf
Japan ohne Atomstrom
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/nach-fukushima-japan-ohne-atomstrom-11740550.html