Frage an Lisa Paus von Silke T. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Frau Paus,
was tun Sie, damit die Eurobonds nicht kommen werden? Der deutsche Bürger kann die Belastungen, die ihm hier aufgebürdet werden dauerhaft nicht bezahlen. Letztendlich werden wir alle dadurch verarmen und ein arbeitswilliges Volk kaputt gemacht. Der Bundestag wird immer mehr von der Regierungsführung übergangen und durch sämtliche Hintertürchen wird unsere Demokratie weiter ausgehöhlt. Was planen Sie hier über die nächsten vier Wahljahre hinaus?
Mit freundlichen Grüßen
Silke Thamasett
Sehr geehrte Frau Thamasett,
danke für Ihre Frage. Ich trete für Eurobonds ein. Ich tue dies, weil ich überzeugt bin, dass damit die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger reduziert werden können, statt dass sie wie aktuell immer weiter steigen. Als Eurobonds wird allerdings von BefürworterInnen und GegnerInnen viel bezeichnet. Wir Grünen und ich unterstützen den Tilgungspakt des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch Wirtschaftsweise genannt. Hier fasst das Gremium selbst seine Expertise zusammen: http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/schuldentilgungspakt.html
In den europäischen Schuldentilgungsfonds wird der Teil der nationalen Altschulden, der 60% des Bruttoinlandsproduktes überschreitet, überführt. Bis die Schulden abbezahlt sind, würden sie als Eurobonds refinanziert werden. Die Zinskosten der Krisenländer können so gesenkt und die Spekulation kann eingedämmt werden. Für jedes Land wird ein verbindlicher Schuldenabbauplan erstellt, der die einzelnen Länder in die Pflicht nimmt, innerhalb von 25 Jahren ihre Schulden zu tilgen. Jedes Land würde natürlich weiterhin seine eigenen Schulden tilgen, der Vorteil liegt im niedrigeren Zins bis zur Tilgung.
Als politische Lösung wäre der Tilgungspakt ein Kompromiss. Für den Zinsvorteil mit Milliardenwert fordern die Wirtschaftsweisen fünf Bedingungen: Jedes Land müsse eine nationale Schuldenbremse in der Verfassung verankern. Eine Strategie müsste festlegen, wie die Schulden nicht mehr über 60 Prozent steigen. Bezahlt ein Land seine Schulden im Fonds nicht mehr ab, darf es keine weiteren Schulden in den Fonds übertragen. Um die Tilgung zu bezahlen, erhebt jedes Teilnehmerland dafür bestimmte zusätzliche Steuern oder Abgaben. Außerdem muss es einen Teil seiner nationalen Währungs- oder Goldreserven verpfänden.
Wir Grüne fordern, dass die Einführung von Vermögensabgaben überall in Europa Teil des Tilgungspakts werden sollte. So wie wir es auch für Deutschland fordern, würden dann die vermögendsten BürgerInnen eines Landes herangezogen, um Staatsschulden abzutragen. Im Gegensatz zu Kürzungen von Löhnen, Renten u. ä. mitten in schlechter Konjunktur würden die Länder so auch nicht tiefer in die Rezession getrieben.
Im Gegensatz zu den gegenwärtigen Negativspiralen könnte der Tilgungspakt die Vertrauenskrise der europäischen Währung überwinden und den dramatischen Zinsdruck, der auf Krisenländern wie Spanien lastet, mindern. Ein europäischer Schuldentilgungspakt ermöglicht wirklichen Schuldenabbau.
Der Schuldentilgungspakt verbindet intelligent die Vorteile niedriger Zinsen durch gemeinsame europäische Anleihen (Eurobonds) mit dem Abbau von Schulden. Die gemeinsame Haftung (für die vom Fonds herausgegebenen Eurobonds) wäre in der Höhe und zeitlich begrenzt. Eine zügige Einführung des Schuldentilgungspaktes ist möglich, da viele Experten kein Notwendigkeit zur Änderung der europäischen Verträge sehen.
Das Konzept des Sachverständigenrats wäre automatisch auch ein Wachstumsprogramm für die Peripherie. Momentan werden die Volkswirtschaften in Südeuropa durch sehr hohe Realzinsen belastet. Die Unternehmen müssen zu den schon hohen Zinsen für Staatsanleihen noch einen Aufschlag zahlen. Ein fallendes Zinsniveau nach Einführung des Schuldentilgungspaktes würde demnach zu neuen Investitionen führen. In Deutschland würden die Zinsen im Gegensatz zum sensationell niedrigen Niveau möglicherweise leicht steigen. Die Krise von Lebensversicherungen und ähnlichen Geldanlagen vieler privater SparerInnen hierzulande würde damit beendet werden können.
Diese politische Lösung hat zwei Alternativen. Fast alle ExpertInnen warnen mit deutlichen Worten vor einem Zusammenbruch des Euro. Dadurch würden nicht nur die bisherigen Kredite an andere Euroländer fällig, sondern auch die ca. 2.800 Milliarden entwertet, die Deutsche an Ansprüchen gegenüber anderen EU-BürgerInnen erwirtschaftet haben. Darüber hinaus kämen Kosten aus den 1.000 Milliarden an Krediten der Europäischen Zentralbank an Geschäftsbanken auf die Bundesbank und damit wiederum auf Deutchland zu. Als Abgeordnete kann ich nicht in Kauf nehmen, derartige Risiken einzugehen.
Die dritte Alternative ist, was aktuell passiert. Aus Angst vor diesem Zusammenbruch und weil die Bundesregierung keine politische Lösung unterstützt, sah sich die Europäische Zentralbank gezwungen, über 1.000 Milliarden an Krediten zu Minimalzinsen für Banken bereitzustellen, unabhängig von den Risiken in deren Bilanzen. Mit diesem Geld kaufen viele Banken dann Staatsanleihen von Ländern, die in einer Negativspirale und durch Spekulation auf ihre Zahlungsunfähigkeit bedroht sind. Für diese Risiken haften wir letztlich ähnlich. Ohne einen politischen Pakt gibt es aber für uns keinerlei Sicherheiten, dass Schulden getilgt werden und dass die Gesamtverschuldung überhaupt sinkt.
Zu Ihrer letzten Frage: In den letzten Jahrzehnten haben wir Grünen erfolgreich eine Energiewende mehrheitsfähig gemacht, die unsere Gesellschaft von den riesigen Subventionen und Risiken der Atomkraft und der fossilen Energien befreien kann. In den nächsten Jahren wollen wir uns für einen Green New Deal einsetzen, der mit einem ebenso grundlegenden Ansatz den Finanzsektor ökologisch-sozial neu ausrichten soll.
Mit freundlichen Grüßen,
Lisa Paus