Frage an Lisa Paus von Peter S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Paus,
wie stehen Sie als Diplom-Volkswirtin und Direktkandidatin zu dem Themenfeld, das medial oft als bedingungsloses Grundeinkommen, Bürgergeld oder negative Einkommenssteuer bezeichnet wird?
Halten Sie eine Reform des deutschen Sozial- und Steuersystems in dieser Hinsicht für sinnvoll und würden Sie eine diesbezügliche Diskussion auch im Bundestag führen wollen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Scherbarth
Sehr geehrter Herr Scherbarth,
Ich bin vehemente Befürworterin eines bedingungslosen Grundeinkommens, das sich allerdings nach meinen Vorstellungen deutlich vom Bürgergeldkonzept der FDP unterscheiden muss, will es ein sozialer Fortschritt und kein Rückschritt sein. Weil das so ist, können Sie mich auch auf der Internetplatform http://www.grundeinkommen-ist-waehlbar.de finden. Und selbstverständlich werde ich mich auch im Bundestag dafür einsetzen, so ich denn einziehen darf, dass unser Sozial- und Steuersystem dahingehend reformiert wird. Ich bin außerdem zuversichtlich, dass in meiner Partei Bündnis 90/Die Grünen die Diskussion weiter geführt werden wird, denn unser letzter sozialpolitischer Parteitag im Jahr 2008 hat ein bedingungsloses Grundeinkommen als Ziel durchaus formuliert, auch wenn die Befürworter einer schnellen Einführung bei diesem Parteitag - noch - in der Minderheit waren.
Ich unterstütze inhaltlich das Modell, das von dem grünen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn entwickelt worden ist und das er (zu finden bei abgeordnetenwatch) wie folgt beschreibt: "Langfristig bin ich für ein existenzsicherndes Grundeinkommen für alle in der Höhe von 800 bis 1000 Euro (nach jetzigem Stand). Das ist auch eine Größenordnung, die volkswirtschaftlich theoretisch machbar ist. Praktisch ist das aber nicht so einfach. Deswegen trete ich als ersten Schritt dahin für ein so genanntes partielles Grundeinkommen ein, mit dem nur der Regelsatz der jetzigen Grundsicherung ersetzt wird, der zur Zeit 356 Euro beträgt. Für ein solches partielles Grundeinkommen halte ich eine Höhe von 500 Euro für angemessen, es sollte aber mindestens 420 Euro betragen. Zusätzliche Leistungen, z.B. für die Kosten der Unterkunft würden weiter bestehen bleiben.
Was die praktische Umsetzung angeht, bin ich dafür, ein Grundeinkommen in die bestehenden sozialen Sicherungssysteme und das Steuersystem zu integrieren. Das könnte auch schrittweise passieren. So sollten die Sozialversicherungen zu Bürgerversicherungen mit Mindestleistungen weiterentwickelt werden. Bei der Rente bin ich für eine Garantierente nach schwedischem Vorbild. Das Kindergeld sollte auf eine existenzsichernde Höhe angehoben werden. Für die, die keine Sozialversicherungsleistung beziehen, bin ich für ein Grundeinkommen in die Einkommensteuer zu integrieren (ähnlich wie das heute schon mit dem Kindergeld der Fall ist). Das Grundeinkommen wäre dann ein Steuerabzugsbetrag, der für alle gleich ist. Dieser Steuerabzugsbetrag könnte nahezu alle Steuerfreibeträge ersetzen. Ein solches Grundeinkommen in Höhe von 500 Euro wäre mit einem durchschnittlichen Steuersatz von etwa 35% finanzierbar. Das gesamte Einkommen wäre dann zu besteuern und von diesem Betrag, also nicht vom Einkommen wie heute, müssten 500 Euro abgezogen werden. Wenn jemand 10.000 Euro verdient, hieße das also 3500 Euro Steuern abzüglich 500 Euro Grundeinkommen. Diese beiden Beträge könnten auch der Einfachheit halber miteinander verrechnet werden, so dass dann 3000 Euro an das Finanzamt gezahlt würden. Wer z.B. 1000 Euro verdient, müsste 350 Euro Steuern bezahlen und würde 500 Euro Grundeinkommen erhalten. Würden diese beiden Beträgen mit einander verrechnet, würde die Person eine "negative Einkommensteuer" in Höhe von 150 Euro erhalten. Der Steuersatz muss aber nicht 35% für alle betragen, er könnte auch progressiv ansteigen."
Da die Einführung allerdings tatsächlich ein Großprojekt ist, bin ich heute auch noch nicht endgültig festgelegt, was die Eckpunkte der Einführung angeht.
Ich bin übrigens auch gerade jetzt, in der Krise, für ein Grundeinkommen, weil es ein entscheidender Baustein im Grünen New Deal sein könnte. Die Finanz- und Wirtschaftskrise kann nur mit einem grünen New Deal überwunden werden. Auf globaler Ebene heißt dies vor allem Armutsbekämpfung und Klimaschutzpolitik. In den Industrieländern heißt dies aber gerade jetzt, Arbeit bzw. Tätigkeit ermöglichen. Der Zwang als notwendiges Disziplinierungsmittel ist spätestens in der Krise sichtbar sinnlos und kontraproduktiv. Wir brauchen eine zeitgemässe Ermöglichung von Arbeit und keine bürokratischen Irrlauf in Zwangsmodellen - wir brauchen ein Grundeinkommen. Nur so kann ein wirklicher Umbau in eine nachhaltige Wirtschaft gelingen. Ein Grundeinkommen ist daher nicht nur eine soziale bzw. sozialpolitische Forderung. Es ist auch eine wirtschaftspolitische Voraussetzung für einen Green New Deal, für einen ökonomischen Umbau, der Kern des neuen Gesellschaftsvertrages ist.
Herzliche Grüße,
Lisa Paus