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Lisa Paus
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Frage von Thorsten W. •

Frage an Lisa Paus von Thorsten W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Paus,

ich studiere derzeit Luftfahrttechnik/ -logistik und werde mein Studium voraussichtlich in 2 Jahren abschließen. Da diese Branche von seiten der Grünen als "schmutzig" angesehen wird, würde ich gerne wissen, in wie weit sie Kompromisse zwischen grünen Projekten und anderen Tätigkeiten eingehen, um Arbeitsplätze zu gewährleisten und ggf. z.B. die Luftfahrtbranche grüner zu machen.

Des weiteren würde ich gerne in dem Zusammenhang wissen, wie sie zum zukünftigen Flughafen BBI und weitere Ausbaustufen selbiges stehen und ob Tegel in ihren Augen bei anfänglichen Kapazitätsproblemen weiter zur Nutzung erhalten bleiben sollte.

Ich bedanke mich schon einmal im voraus und vielleicht kommt man ja auf einen "grünen Zweig"

Mit freundlichen Grüßen

Th. Wolter

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wolter,

als Diplomvolkswirtin bin ich mir durchaus darüber bewusst, dass der Luftverkehr aus dem modernen Mobilitäts- und globalisierten Wirtschaftssystem nicht mehr wegzudenken ist. Luftverkehr schafft Arbeitsplätze direkt am Airport und fördert Wachstum auch in der umliegenden Region. Die Luftwirtschaft in Deutschland ist regional einer der größten Beschäftigungsgeber und eine der Wachstumsbranchen. Wirtschaftliche Gesichtpunkte und Standortinteressen sind für mich berechtigte Interessen, dürfen jedoch die Schattenseiten nicht außer Acht lassen. Und Fakt ist, dass die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr für das Klima eine wichtige Rolle spielen.
Der Luftverkehr nimmt stetig zu, ein großer Teil der steigenden Zahlen geht auf die Luftfracht zurück. Die auf den internationalen Flugverkehr zurückgehenden Treibhausgasemissionen der EU sind seit 1990 um 87% gewachsen. Das bedeutet, dass ohne die Einbindung des Luftverkehrs in das internationale Klimaschutzregime es uns nicht gelingen wird, die Erwärmung des Klimas auf ein noch verkraftbares Niveau zu begrenzen.

Wir Grünen fordern deshalb eine konsequente Ökologisierung des Luftverkehrs. Er muss perspektivisch sicher, verbrauchsarm, klimaschonend und leise sein.

Vom technischen Standpunkt ist auf absehbare Zeit keine Lösung in Sicht. Moderne Flugzeuge benötigen enorme Energiemengen zum Start und zum Flug. Die dafür benötigte Energiekonzentration findet man nur in Kerosin oder ähnlichen Mineralölprodukten. Alternative Treibstoffe sind entweder in den benötigten Mengen überhaupt nicht zu bekommen (Biotreibstoffe oder synthetische Treibstoffe) oder verfügen über eine zu geringe Energiedichte (Wasserstoff oder Elektroenergie), so dass dann die Reichweite unrealistisch niedrig wäre.

Um die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren, hieße es daher aus meiner Sicht zunächst, unnötige Luftfrachten zu vermeiden. Zu viele Produkte werden per Flugzeug transportiert, die keine Priorität erfordern und genauso gut mit dem Schiff transportiert werden könnten. Ökonomen vertreten den Standpunkt, dass die Frage, ob sich das rechnet oder nicht, der Markt beantworten sollte. Damit der Markt im Luftverkehr allerdings richtig funktioniert, müssen auch die Umweltkosten berücksichtigt werden, zum Beispiel durch eine Ökosteuer auf den Luftfrachtverkehr. Dadurch würde sich der Preis für den Lufttransport erheblich erhöhen und mehr Unternehmen sich für den Schiffstransport entscheiden. Kostenehrlichkeit ist also ein wichtiger Schritt, um den Luftverkehr nachhaltiger zu gestalten. Der Emissionshandel für Flieger ist eine weitere klimapolitische Maßnahme und ein deutliches Signal an die Luftverkehrswirtschaft in die Entwicklung ökoeffizienter Flugzeuge zu investieren.

Aber auch jeder einzelne kann etwas zur Ökologisierung des Luftverkehrs beitragen und eine aktive Vorbildfunktion einnehmen. So können Passagiere bei „atmosfair“ mit Hilfe eines Emissionsrechners ausrechnen, wie viel Klimagase ihre Flugreise verursacht und freiwillig einen Beitrag leisten, um Emissionen mit vergleichbarer Klimawirkung an anderer Stelle wieder einzusparen. Das Geld fließt in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern, die hohen Umwelt- und Sozialstandards genügen. Wir Grünen fliegen schon länger atmosfair: der Bundesvorstand der Partei, der Bundesvorstand der Grünen Jugend, die Bundestagsfraktion, einige grüne Landtagsfraktionen (z. B. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) sowie einzelne EP-Abgeordnete.

Mir und meiner Partei liegt es also fern den Luftverkehr per se zu verteufeln. Wir versuchen vielmehr durch ein realistisches Abwägen der Vor- und Nachteile und konstruktive Vorschläge den Luftverkehr klimafreundlicher zu gestalten. Wenn Sie an mehr Informationen zu diesem Thema interessiert sind, setzen Sie sich mit mir in Verbindung und ich schicke Ihnen gerne weitere Positionspapiere der Grünen zum Thema Luftfahrt zu.

Zu ihrer zweiten Frage:

Ich bin grundsätzlich für den Ausbau des Flughafen BBI . Berlin hat eine riesige Anziehungskraft und empfängt Besucher aus der ganzen Welt. Deswegen brauchen wir einen neuen, leistungs- und ausbaufähigen Flughafen. Dabei muss man aber die Mahnung des Bundesverwaltungsgerichts ernst nehmen, das den Planern aufgegeben hat, den Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner zu verbessern. Dazu gehört von Anfang an angemessene Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen und den Nachtflugverkehr einzuschränken. Spätestens, wenn der BBI-Flughafen eröffnet wird, muss Tegel geschlossen werden. Mit der Eröffnung des Großflughafens wird ein zweiter Flughafen in der Stadt nicht mehr nötig sein und ist dann aufgrund der Lärmbelastung und den Sicherheitsrisiken, die ein Flughafen in dicht besiedeltem Stadtgebiet mit sich bringt, nicht mehr zu rechtfertigen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen einigermaßen befriedigend beantworten und verbleibe

Mit herzlichen Grüßen,

Lisa Paus

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