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Lale Akgün
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Frage von Michael H. •

Frage an Lale Akgün von Michael H. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Akgün,

wie stehen Sie zu dem Thema Völkermord an den Armeniern?

Offensichtlich scheint es in der Bundesrepublik Deutschland nicht verboten zu den sein, den Völkermord an den Armeniern zu öffentlich zu leugnen.(siehe http://www.politikcity.de/forum/showthread.php?t=22802&page=3)
Auch eine Beleidigung der Opfer des Genozids von 1915, dem anderthalb Millionen Armenier zum Opfer fielen, scheint in diesem Zusammenhang straffrei zu sein.
Vielmehr scheinen sich türkischstämmige Jugendlichen gegenseitig bei der Leugnung des Genozides zu unterstützen.

Wie ist Ihre Auffassung zu dieser Theamtik? Sollte die Leugung des Genozides an den Armeniern unter den Straftatbestand des §130 StGB fallen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hartenstein,

vielen Dank für Ihre Frage. Tatsächlich wird seit Jahren in der Bundesrepublik darüber diskutiert, wie man mit der schwierigen Thematik umgeht. Auch im Ausland spielt das Thema eine Rolle: Das französische Parlament beispielsweise hat im vorvergangenen Jahr ein Gesetz erlassen, das es unter Strafe stellt, den "Völkermord" an den Armeniern zu leugnen (der Begriff "Völkermord" oder "Genozid" ist der umstrittene, um den die Kontroverse entbrannt ist). Hier in Deutschland gibt es in diesem Fall kein vergleichbares Gesetz. Aus verständlichen historischen Gründen haben wir in Deutschland aber den Straftatbestand nach § 130 StGB (in Verbindung mit anderen Tatbeständen) bei der Leugnung der Massenmorde an rund sechs Millionen Juden festgelegt.
Dieser Straftatbestand ist die Folge des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, das von deutschem Boden aus geplant, organisiert und schließlich auch in die Tat umgesetzt wurde. Die Bundesrepublik hat gut daran getan, hier ein deutliches Zeichen zu setzen - gerade im Hinblick darauf, dass es zurecht erhebliche Zweifel daran gab, ob sich die Bundesrepublik nach 1949 zu einem prosperierenden und erfolgreichen demokratischen Staat entwickeln würde. Hier war also Vorsicht angebracht, und heute können wir sagen, dass sich die Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen bei allen Rückschlägen durch rechtsradikale Tendenzen gelohnt hat. Deutschland ist heute ein konsolidierter demokratischer Staat, der sich seiner Geschichte, auch den dunklen Kapiteln darin, stellt.
Was kontroverse Debatten um Verbrechen anderer Staaten angeht, bin ich vorsichtiger: Ich glaube nicht, dass irgendjemandem geholfen ist, wenn ein ausländischer Staat (in diesem Fall Deutschland) ein Gesetz erlässt, das in dem Land, in dem die Diskussion geführt werden muss (Türkei), neue Tabus und Fronten heraufbeschwört. Es hat in den vergangenen Jahren eine Wiederannäherung von Türken und Armenieren gegeben. Aber das größte Hindernis für eine vernünftige, historisch korrekte Debatte in der Türkei ist das mangelnde Wissen über die geschichtlichen Zusammenhänge, weil diese in den Schulen kaum gelehrt werden.
Ich glaube, dass ein solches Gesetz in Deutschland kaum zu einer besseren Aufarbeitung in der Türkei führen würde - im Gegenteil.
Mit neuen Gesetzen wird man den Unrechten der Vergangenheit nicht Herr: Dadurch baut man nur neue Tabus auf, und das ist kontraproduktiv. Ich bin dafür, dass sich Türken und Armenier offen auf Grundlage der historischen Zusammenhänge austauschen und die Geschichte aufarbeiten. Darum sollten wir ruhig auch unseren Jugendlichen in den Schulen davon erzählen - das ist nicht abwegig, schließlich war das Deutsche Reich mit dem Osmanischen Reich damals verbündet.

Mit freundlichen Grüßen,

Lale Akgün