Treten Sie für das Berliner Neutralitätsgesetz ein?
Sehr geehrter Herr Kosmas,
Neutralität gegenüber Menschen, die staatlichem Handeln ausgesetzt sind, sei es bei Gericht, bei der Polizei oder auch in der Schule, ist ein wichtiges Kriterium, um Vertrauen in den Staat zu schaffen und zu erhalten. Personen, die im staatlichen Auftrag handeln, müssen daher während der Dienstzeit auf die Demonstration ihrer privaten Überzeugungen durch religiöse oder weltanschauliche Symbole verzichten. Die Bekenntnisfreiheit im Privatleben bleibt dabei uneingeschränkt erhalten. Fast alle religiösen Gruppen akzeptieren diese im Berliner Neutralitätsgesetz festgeschriebenen Regelungen. Einige Politiker fordern jedoch die Aufweichung dieser Regeln durch Genehmigung von Ausnahmen. Werden Sie im Falle Ihrer Wahl solchen Bestrebungen entgegentreten und das Berliner Neutralitätsgesetz unterstützen, da gleiches Recht für alle gelten sollte?
Sehr geehrte Frau K.
haben Sie vielen Dank für das Interesse und die wichtige Frage.
Das Thema ist sehr komplex und könnte am besten in einer Diskussion erörtert werden. Selbstverständlich bin ich für die Neutralität unseres Staates, und ganz sicher gegen die Unterdrückung von Frauen in welchem Kulturkreis auch immer.
Allerdings bin ich dafür, dass Lehrerinnen z.B. ein Kopftuch tragen dürfen, wenn sie es möchten. Eine knappe Erklärung:
Ich arbeite an der Freien Universität und begegne dort täglich jungen Studentinnen, die Kopftuch tragen. Diese Frauen sind sicher emanzipiert, sonst würden sie nicht studieren, und sie bewegen sich in einem geschützten Raum; hier spielt also die vermutete Unterdrückung keine Rolle. Und schließlich kann ich als Mann nicht vorschreiben, wie sich eine Frau anzuziehen hat.
Staatsdienst: Es ist mir wichtig, dass Frauen nicht wegen ihrer Kleidung an ihrer Berufswahl gehindert werden. Natürlich geht es Ihnen darum, dass sich eine Staatsdienerin neutral zeigt. Zeige ich mich aber neutral, wenn ich mich als weiß und heterosexuell inszeniere? Wir tragen alle unsere "Insignien", ob wir es wollen, oder nicht.
Aus Gründen des Respekts, der Inklusion aber auch der Gleichheit bin ich also dafür, dass eine Lehrerin oder eine Richterin ein Kopftuch tragen darf, wenn sie es will. Denn schließlich habe ich absolutes Vertrauen an unserem Staat. Ein*e Staatsdiener*in ist für mich automatisch eine neutrale Person, unabhängig davon, ob sie tätowiert, gepierced, weiß, schwarz oder mit Kopftuch ist.
Aber, wie gesagt, das Thema ist zu komplex für ein so begrenztes Format. Eine Diskussion würde viel mehr Verständnis bringen.
Mit meinem besten Gruß und Dank
K. Kosmas