Frage an Knut Fleckenstein von Sandra W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Fleckenstein,
leider habe ich auf Ihrer Homepage nichts über Ihre Haltung zu ACTA finden können.
Ich möchte Sie daher bitten, diese zu erläutern.
Sehr geehrte Frau Wiegard,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 17. Februar 2012. Allem voran kann ich Ihnen versprechen, dass das Europäische Parlament keine überstürzte Zustimmung zum ACTA geben wird. Es wird eine faktengestützte Diskussion mit Vertretern aller Seiten geben, so dass eine Entscheidung nach bestem Wissen getroffen werden kann. Ich bin nicht einverstanden mit der Art und Weise der Verhandlungsführung. Eine hohe Transparenz ist wichtig. Es ist mir unverständlich, weshalb die Informationen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und selbst dem Europäischen Parlament als direkt gewählte Institution der EU keine Mitsprache über den Inhalt des Übereinkommens eingeräumt wurde. Es ist unabdingbar, dass ACTA nun der vollen demokratischen Kontrolle des Europäischen Parlaments unterliegt, obwohl das Parlament beim heutigen Stand des Verfahrens das Parlament nur ja oder nein sagen kann und keine Möglichkeit hat, den Text abzuändern. Das Europäische Parlament wird das Thema nun offen, transparent und demokratisch bearbeiten. Die Debatten des federführenden Internationalen Handelsausschuss (INTA) werden live im Internet übertragen (http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/). Am 1. März 2012 wird im INTA-Ausschuss ein öffentliches Hearing zum ACTA stattfinden, an dem jeder teilnehmen kann.
Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament fragen sich, ob ACTA der richtige Weg ist, um die Produktpiraterie auf internationaler Ebene zu bekämpfen, insbesondere wenn große Länder (z. B. Indien und China) dieses Übereinkommen nicht mit unterzeichnen. Unsere Fraktion unterstützt den Kampf gegen Produktpiraterie bei Waren, denn dies ist nicht nur schädlich für Industrie und Arbeitsplätze, sondern auch für die Verbraucher. Es besteht Bedarf für eine stärkere internationale Zusammenarbeit, aber wir sind uns nicht sicher, ob ACTA das richtige Instrument ist, um dies zu erreichen. Die hauptsächliche Kritik bezieht sich auf den Schutz der Urheberrechte im Internet und die Definition und Überwachung von online-Aktivitäten. Wir brauchen Klarheit über die Rolle der Internetanbieter bei der Überwachung des Übereinkommens. Die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums darf nicht um den Preis einer Beschneidung der Bürgerrechte und des Datenschutzes geschehen. Einige Teile vom ACTA könnten von Nutzen sein und helfen, kriminellen Handel mit Nachahmungen und gefälschten Produkten einzuschränken. Jedoch sehen wir mit Besorgnis die Durchsetzung von Urheberrechten online, insbesondere die Verpflichtung zur strafrechtlichen Belangung ohne die erforderlich bindenden Schutzklauseln für private Nutzer, desgleichen die vage Definition von Ausdrücken, insbesondere des Begriffs „gewerbliche Nutzung“. Wir müssen vermeiden, dass Internetanbieter mit der Aufgabe betraut werden, Inhalte zu überwachen und auf diese Weise zu Regulatoren des Internets werden. Diese Sachlage muss eingehend geklärt werden. Datenschutz muss auf höchstem Niveau gewährleistet sein, insbesondere im internationalen Datentausch, so wie im Übereinkommen vorgesehen. ACTA darf unter keinen Umständen die rechtmäßige Produktion und den Zugang zu Generika verhindern, die in großen Mengen für Entwicklungsländer bestimmt sind. Wir werden danach streben, die Rechtmäßigkeit vom ACTA zu klären und sicherzustellen, dass es mit geltendem EU-Recht sowie mit der EU-Grundrechtecharta in Einklang steht. Angesichts all dieser Argumente werden wir, die Sozialdemokratische Fraktion, diesem Übereinkommen wohl nicht zustimmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Knut Fleckenstein