Frage an Klaus-Peter Willsch von Gerhard F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Willsch,
Pro Asyl hat einen Fragenkatalog zusammengestellt: "Fragen an die Parteien im Wahlkampf".
Da der Umgang mit Minderheiten, der Schutz von Flüchtlingen und die Gestaltung der Migration für mich wesentliche Kriterien bei der Ausübung meines Wahlrechts sind, wäre ich an Ihrer persönlichen Stellungnahme zu diesen Fragen interessiert. Sollten Ihnen die Fragen nicht vorliegen, lassen Sie es mich wissen, ich sende sie Ihnen gern zu.
Freundliche Grüße!
Gerhard Fastje
Sehr geehrter Herr Fastje,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen und beantworte diese gern im Detail.
Erstens: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind menschenverachtend und richten großen Schaden an. CDU und CSU setzen sich deshalb nachhaltig für Toleranz und Achtung der Menschwürde in unserer Gesellschaft ein. Gewaltbereiten Radikalen treten wir entschieden entgegen. Ein wehrhafter Staat sorgt für die Sicherheit der Menschen und für unsere demokratische Stabilität. Wir werden dafür sorgen, dass Polizei und Justiz entschlossen und verantwortungsbewusst und vor allem zeitnah ihre Pflicht tun können. Wer aus extremistischen Überzeugungen heraus kriminell wird, muss die Entschlossenheit des Staates, sein Gewaltmonopol durchzusetzen, unmittelbar spüren. Die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten hat sich im Jahre 2004 auf hohem Niveau stabilisiert. Das muss sich ändern. Die Ursachen für Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit müssen an der Wurzel bekämpft werden. Entsprechende präventive Maßnahmen in der Gesellschaft, aber auch in der Familienpolitik sind insoweit unverzichtbar. Wir brauchen eine Kombination von sozialer, milieubezogener Prävention, die gezielt an den örtlichen Gegebenheiten ansetzt. Fast drei Viertel der Rechtsextremisten und fremdenfeindlichen Gewalttäter sind Jugendliche. Wir brauchen deshalb Hilfsangebote vor allem für gefährdete Jugendliche. Von Bedeutung ist insoweit die Weiterentwicklung des Jugendstrafrechtes im Zusammenhang mit der Bekämpfung gewaltbereiter Extremisten. Notwendig sind schnelle und konsequente staatliche Reaktionen und eine rasche Verurteilung. Das beeindruckt den jugendlichen Straftäter in der Regel mehr als die eigentliche Strafe, vor allem wenn diese erst nach Monaten verhängt wird. Nach unserer Auffassung sind rassistisch motivierte Handlungen ausreichend im Strafgesetzbuch erfasst. Die entsprechende generalpräventive und spezialpräventive Wirkung wird insoweit erreicht. Eventuelle Probleme ergeben sich in Zusammenhang mit der Umsetzung der strafgesetzlichen Vorschriften bzw. den Defiziten im Jugendstrafrecht. Zurzeit gibt es keine bundesweit abgestimmte und nachhaltig wirksame Strategie gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. CDU und CSU haben sich für ineinander greifende Maßnahmen eingesetzt, um überregional und bundesweit Informationen, Kooperation und Hilfestellung bei der Bekämpfung der Ursachen des Extremismus sicherzustellen. Wir möchten, dass bei der Arbeit der Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung ein Schwerpunkt bei der Aufklärung über Ursachen und Folgen extremistischen Gedankenguts gesetzt wird. Die zentralen Beratungsstellen und mobilen Beratungsteams auf Länderebene sollen weiter unterstützt werden. Ein wichtiges Element der milieubezogenen Prävention ist die Einrichtung wohnortnaher Aktionsforen gegen rechte Gewalt, die in einer Art von Stadtteilkonferenz die Kräfte zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bündeln. Polizei, Jugendämter, Träger der verbandlichen offenen Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit, Lehrer, Kommunalpolitiker und sachkundige Bürger arbeiten zusammen. Nach der Bundestagswahl werden wir alle Förderprogramme im Hinblick auf ihre Effizienz und Effektivität auf den Prüfstein stellen. Wir werden grundsätzlich bei allen Maßnahmen nach den haushaltsrechtlichen Geboten, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorgehen. Förderungswürdige Programme gegen alle Form des Extremismus werden wir weiter fördern.
Zweitens: Antidiskriminierungsgesetz
CDU und CSU setzen sich für Bekämpfung von Diskriminierungen in der Gesellschaft ein. In einer aufgeklärten Gesellschaft dürfen Diskriminierungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität keinen Platz haben. Dies ergibt sich für uns aus dem christlichen Menschenbild, welches von der Unverletzbarkeit der Würde eines jeden Einzelnen ausgeht. Das von Rot-Grün in dieser Legislaturperiode vorgelegte Antidiskriminierungsgesetz war aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, um Diskriminierungen wirksam zu bekämpfen. Es ist ein Bevormundungsgesetz, das massiv in die Vertragsfreiheit und in die Eigentumsrechte der Bürger eingreift. Die Freiheit und Verantwortungspflicht des Einzelnen wird immer weiter eingeschränkt. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, vor der Umsetzung der EU-Richtlinien zu überprüfen, inwieweit die deutsche Gesetzgebung bereits hinreichenden Schutz gegen die Diskriminierung bietet. CDU und CSU wollen die EU-Richtlinien im europarechtlich erforderlichen Umfang umsetzen, um die Beeinträchtigungen für die deutsche Wirtschaft insbesondere in Bezug auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen so gering wie möglich zu halten. Wenn wir Betroffene wirkungsvoll vor Diskriminierung schützen wollen, müssen wir auch ein Umdenken in der Gesellschaft zu einem diskriminierungsfreien Miteinander erreichen. Dies lässt sich nicht allein durch Rechtsvorschriften erzwingen. Von zentraler Bedeutung sind für uns auch Information und Aufklärung, weil das beste rechtliche Instrumentarium nicht genügt, um die Grundeinstellung der Bürgerinnen und Bürger zu ändern. Es ist zu überlegen, wie beispielsweise ein Verhalten gefördert werden kann, damit Bürgerinnen und Bürger einen Beitrag zum Abbau von Diskriminierungen leisten, sei es im Umgang mit älteren Menschen oder am Arbeitsplatz. Es geht darum, positive Anreize zu setzen. Darüber hinaus kann durch das Aufzeigen diskriminierender Praktiken das Bewusstsein aller Menschen geschärft und der diskriminierungsfreie Umgang in der Gesellschaft eingeübt werden.
Drittens: Ablehnung von Muslimen
Für CDU und CSU sind die Achtung und der Respekt vor anderen Religionen Grundpfeiler politischen Handelns. Hierzu zählt auch, auftretende Probleme offen zu benennen. CDU und CSU legen größten Wert auf einen differenzierten Umgang und eine ebensolche Debattenführung mit dem Themenkreis Islam und Islamismus. In dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Politischen Islamismus bekämpfen – verfassungstreue Muslime unterstützen“ vom 22. November 2004 auf Bundestagsdrucksache 15/4260 sind die Positionen von CDU und CSU umfassend dargelegt. Es wäre ein wichtiges Zeichen an die Bevölkerung in Deutschland gewesen, die durch islamistische Strömungen und extremistische Aktivitäten verängstigt und verunsichert ist, wenn sich alle im Bundestag vertretenen Fraktionen der Unionsinitiative angeschlossen hätten. Der Antrag ist das Ergebnis einer sehr differenzierten, langen und intensiven Befassung mit diesem Thema und gibt das wieder, was sich in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion zunehmend als Gemeinsamkeit abzeichnet. Wer als Zuwanderer kommt und bleiben will, der muss bereit sein, sich hier zu integrieren. Das beginnt mit der deutschen Sprache, endet aber nicht mit ihr. Es gibt einen Kanon von Überzeugungen und Werten, die Deutschland als freiheitliches, demokratisches und rechtsstaatliches Gemeinwesen definieren, das auf dem christlichen Wertefundament beruht. Das beinhaltet auch die volle Akzeptanz der Gleichberechtigung von Mann und Frau, das staatliche Gewaltmonopol und die Trennung von Staat und Kirche. Die Zuwanderer, die auf Dauer bleiben wollen, sollen ihr Herkommen nicht verleugnen und ihre kulturellen Wurzeln nicht kappen müssen. Sie können aber ihr Heimatland und dessen kulturelle Identität und Wertvorstellungen nicht nach Deutschland importieren und hier Parallelgesellschaften aufbauen. Denn dann wird aus einem Nebeneinander schnell ein Gegeneinander. Die deutsche Verfassung muss in ihrem umfassenden Bedeutungsgehalt auch von den in Deutschland lebenden Muslimen vollständig und uneingeschränkt akzeptiert werden. Die Entfaltungsmöglichkeiten, die der religiöse Pluralismus den Muslimen in unserem Land einräumt, enden dort, wo deren Wirken die Anforderungen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht mehr erfüllt.
Viertens: Bleiberecht für langjährig Geduldete
Im Rahmen des parteiübergreifenden Kompromisses zum Aufenthaltsgesetz aus dem Jahre 2004 sind die Bleiberechtsregeln im Bereich der humanitären Zuwanderung verbessert worden. Insbesondere soll die verbreitete Praxis von Kettenduldungen weitgehend abgeschafft werden. Wer eine Duldung erhalten hat, weil eine Abschiebung wegen Foltergefahr, der Gefahr der Todesstrafe oder wegen Abschiebungshindernissen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht möglich ist, dem soll die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Die Erteilung steht unter dem Vorbehalt, dass der Antragsteller nicht in einen anderen, dritten Staat ausreisen kann und er nicht wiederholt oder gröblich gegen gesetzliche Mitwirkungspflichten verstößt. Außerdem wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen wurden oder der Antragsteller eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Bundesrepublik darstellt. Eine Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, weil eine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Voraussetzung für die Erteilung ist, dass mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist und der Betroffene nicht ausreisen kann, auch wenn er es will. Eine Erteilung ist in jedem Fall ausgeschlossen, wenn der Antragsteller falsche Angaben zu seiner Identität oder Herkunft macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht. Für weitergehende Regelungen, insbesondere eine generelle Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf die dargestellten Verbesserungen für Flüchtlinge parteiübergreifend keine Mehrheit. Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine von der Union geführte Bundesregierung wird dies zu gegebener Zeit unter Einbeziehung der Interessen aller Betroffenen und in einer gründlichen Abwägung sorgfältig prüfen.
Fünftens: Flüchtlingsschutz
CDU und CSU haben bei den Verhandlungen zum Aufenthaltsgesetz mit Nachdruck darauf hingewirkt, dass das Gesetz im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zum Schutz von Flüchtlingen steht und die bindenden Vorgaben aus EU-Richtlinien umgesetzt werden. Dies wird auch weiterhin die Leitlinie von CDU und CSU im Hinblick auf die sich fortentwickelnde europäische Asyl-, Ausländer- und Einwanderungspolitik sein. Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine von der Union geführte Bundesregierung wird dies zu gegebener Zeit unter Einbeziehung der Interessen aller Betroffenen und in einer gründlichen Abwägung sorgfältig prüfen.
Sechstens: Abschiebungspolitik
Für den Vollzug von Abschiebungen sind nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes grundsätzlich die Länder zuständig. Das Aufenthaltsgesetz sieht detaillierte Vorschriften über Abschiebungshindernisse vor, die durch die Rechtsprechung konkretisiert worden sind. Grundsätzlich ist eine Abschiebung nach dem Aufenthaltsgesetz unzulässig, falls der Ausländer dem Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention untersteht. Allerdings findet dieses Abschiebungsverbot keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen besonders schwerwiegender Straftaten verurteilt wurde. Das Gleiche gilt auch, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Ausländer ein Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen begangen hat. Allerdings darf ein Ausländer nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem ihm eine konkrete Foltergefahr droht oder die Gefahr der Todesstrafe besteht. Auch nach Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention kann eine Abschiebung unzulässig sein. Die Behörden sind bei der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze an Recht und Gesetz gebunden. Vorhandene Spielräume für humanitäre Entscheidungen zugunsten der Betroffenen sollten genutzt werden, um vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Härten zu vermeiden. Regelmäßig gehen immer mehrere Verfahren der Prüfung, des Einspruchs und der erneuten Prüfung der endgültigen Abschiebung voraus. Auch wenn die Nüchternheit amtlicher Bescheide oft mangelndes Einfühlungsvermögen suggeriert, so stehen hinter diesen Entscheidungen meist keine herzlosen Bürokraten, sondern Menschen, die sich der Auswirkungen ihres Handelns bewusst sind und das Aufenthaltsrecht mit Augenmaß vollziehen. Falls es in Einzelfällen zu Fehlentscheidungen kommen sollte, sind diese abzuändern, und der rechtmäßige Zustand ist herzustellen. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörden müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie nicht grundlos angegriffen werden, nur weil sie geltendes Recht vollziehen.
Siebtens: Irregulärer Aufenthalt
Das Leben in der Illegalität wirft große praktische, rechtliche und vor allem menschliche Probleme auf. Wer sich für eine Zuwanderung in unser Land außerhalb der legalen Möglichkeiten entscheidet und als Konsequenz daraus ein Leben in der Illegalität führt, mag zunächst viele Gründe dafür haben. CDU und CSU sehen durchaus die Einzelschicksale der Menschen, die sich nach illegaler Zuwanderung plötzlich mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert sehen. Für deren schwierige Situation gebührt den Betroffenen Verständnis. Gleichwohl müssen innerhalb der gesamten Diskussion auch übergeordnete staatliche Interessen ihren Platz haben. Wenn dies auch menschlich nicht immer leicht zu akzeptieren ist, gehört hierzu auch die aus der Souveränität des Staates resultierende Befugnis, dass der Staat regeln darf, welche Angehörige anderer Staaten unter welchen Voraussetzungen in sein Staatsgebiet einreisen, sich in ihm aufhalten und in ihm leben dürfen. Als abstrakte Regel wird hiergegen nichts einzuwenden sein, häufig wird es aber dann schwierig, wenn diese abstrakte Regel mit negativen Folgen einen Einzelfall betrifft und emotionale Bindungen entstanden sind. Diese Zielkonflikte sind nur selten für beide Seiten akzeptabel aufzulösen. CDU und CSU legen besonderes Augenmerk darauf, dass geltendes Recht geachtet, befolgt und durchgesetzt wird. Wer sich in die Illegalität begibt, darf nicht damit rechnen, dass er auf diesem Weg ein Aufenthaltsrecht erzwingen kann. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Thema Illegalität beinhaltet auch, dass man den Betroffenen in der Beratung Wege zu einer Rückkehr in Würde aufzeigt und sie nicht in einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Aufenthaltsperspektiven bestärkt. Für weitergehende als die im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Regelungen, insbesondere eine Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz parteiübergreifend keine Mehrheit. Maßgeblicher Grund für die Ablehnung einer Altfallregelung war, dass von einer weit reichenden Legalisierung illegaler Aufenthalte eine unerwünschte Anreizwirkung für weitere illegale Zuwanderung nach Deutschland ausgeht. Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine Handhabe der Problematik kann aber nur im Einklang mit den anderen europäischen Staaten im Wege einer europarechtlichen Vereinheitlichung gefunden werden, weil aus Legalisierungen weitgehende Rechte wie beispielsweise nach fünf Jahren die volle Freizügigkeit innerhalb der EU erwachsen können, die auch die anderen Mitgliedstaaten betreffen.
Achtens: Integration
Deutschland ist ein gastfreundliches und weltoffenes Land. Viele der hier lebenden Ausländer haben sich integriert und leisten ihren Beitrag zur Allgemeinheit. Es gibt aber auch Zuwanderer aus fremden Kulturkreisen mit erheblichen Integrationsdefiziten. Weit überdurchschnittliche Arbeitslosenquoten, viele Migrantenkinder ohne schulischen Abschluss, Ghettobildung und eine Entwicklung von Parallelgesellschaften und eine häufig selbst gewählte Abgrenzung ausländischer Jugendlicher von der deutschen Gesellschaft sind Alarmsignale für den sozialen Frieden im Land. Das Aufenthaltsgesetz allein kann die strukturellen Integrationsdefizite nicht beheben. CDU und CSU wollen, dass Ausländer, die rechtmäßig und dauerhaft bei uns sind, integriert in unserer Gesellschaft auf der Grundlage unserer Kultur und Rechtsordnung leben. Integration ist aber keine Einbahnstraße. Elementar für das Gelingen ist das Erlernen der deutschen Sprache. Ausländische Eltern müssen alles dafür tun, dass ihre Kinder Anteil an den Lebens- und Arbeitschancen unseres Landes haben. CDU und CSU werden die Integration konsequent vorantreiben. Wir werden die Teilnahme an Integrationskursen von Ausländern konsequent einfordern und das rechtliche Instrumentarium dafür nutzen. Wir wollen, dass nachziehende Ehegatten vor der Einreise nach Deutschland ausreichende Deutschkenntnisse erwerben. Wir werden das Kindernachzugsalter senken, damit Ausländerkinder durch Schulbesuch in Deutschland bessere Chancen der Integration in Arbeit und Gesellschaft haben. Wir werden aber auch Zeichen setzen für gelungene Integration, zum Beispiel durch Einbürgerungsfeiern, in denen wir Ausländer als Mitbürger in die Mitte unserer Gemeinden und unserer Gesellschaft aufnehmen.
Neuntes: Einwanderung gestalten
Für weitergehende als die im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Regelungen gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz keine Mehrheit. Das gilt insbesondere für die Zulassung von Zuwanderung aus demographischen Gründen, aber auch für weitergehende Regelungen im Bereich der Arbeitsmigration. Die Zulassung von Zuwanderung aus demographischen Gründen ist auch künftig nicht beabsichtigt. Alle Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit dieser Frage beschäftigt haben, kommen zu dem Ergebnis, dass demographische Probleme nicht durch Zuwanderung gelöst werden. Bei weiterer Zulassung von Arbeitsmigration über die europäische Ebene müssen die Mitgliedsländer der EU mit erheblicher Zuwanderung von Nicht-EU-Ausländern auf die nationalen Arbeitsmärkte rechnen. Dies verstieße gegen den Geist des Verfassungsvertrages, der es den Mitgliedsstaaten vorbehält, den Zugang zum Arbeitsmarkt auf nationaler Ebene zu regeln. Angesichts der Arbeitslosenzahlen in Deutschland ist eine offensive Förderung der Arbeitsmigration nach Deutschland über die europäische Ebene nicht zu verantworten.
Zehntens: EU-Erweiterung
Wie aus dem Regierungsprogramm von CDU und CSU hervorgeht, lehnen wir eine Vollmitgliedschaft der Türkei ab, da dies die Integrationsfähigkeit der EU überfordern würde. Aus diesem Grunde plädieren wir dafür, dass in dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Verhandlungsrahmen eine Privilegierte Partnerschaft mit der Türkei als Alternative zu einer Vollmitgliedschaft aufgenommen wird. Dass die Türkei sich weigert, mit der Republik Zypern einen EU-Mitgliedstaat völkerrechtlich anzuerkennen, halten wir für eine starke Belastung in Bezug auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Gleiches gilt für die völkerrechtswidrige Besetzung des nördlichen Zyperns durch türkische Truppen. Im Übrigen bestehen immer noch erhebliche Probleme bei der Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte in der Türkei. In Bezug auf die Problematik von Minderheiten, insbesondere der Roma in Bulgarien und Rumänien teilen wir die Sorgen der Europäischen Kommission, wie sie im letzten Fortschrittsbericht zum Ausdruck gekommen sind. Insbesondere mangelnder Zugang zu Bildung sowie hohe Arbeitslosigkeit, die beide auf fortwährender Diskriminierung beruhen, sind ein schwerer Stolperstein auf dem Weg beider Länder in die Europäische Union. Es besteht bei CDU und CSU Übereinstimmung, dass die nächsten Fortschrittsberichte der Kommission abgewartet werden müssen. Erst bei positiver Würdigung durch die Kommission werden wir das Verfahren zur Ratifizierung des Beitrittsvertrages einleiten. Derzeit kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob CDU und CSU die Übergangsfristen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit von maximal sieben Jahren auf der Zeitschiene voll ausschöpfen werden oder ob diese Fristen in Bezug auf die acht neuen Mitgliedstaaten verkürzt werden können. Hierzu muss zunächst aktuelles Zahlenmaterial abgewartet werden. Allerdings sind wir der Auffassung, dass im Dienstleistungsbereich die von der rot-grünen Bundesregierung angemeldeten drei Berufsbereiche nicht ausreichend gewesen sind. Hier hätten weitere Bereiche hinzugefügt werden müssen, um eine Umgehung der Fristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Klaus-Peter Willsch