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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Grit F. •

Warum halten Sie eine Impfpflicht gegen Covid ab 18 trotz eingeschränkter Effektivität der Impfstoffe für eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme?

Sehr geehrte Frau Dr. Kappert-Gonther,
die aktuellen Impfstoffe gegen Covid 19 verleihen bekanntlich keine sterile Immunität, können also auch bei Geimpften die Weiterverbreitung des Virus' nicht verhindern. Warum halten Sie trotz dieser eingeschränkten Effektivität eine Impfpflicht ab 18 für eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme?
Wenn das Ziel ist, einer Überlastung des Gesundheitswesens vorzubeugen, wäre dann nicht eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser und eine Schaffung besserer Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal die geeignetere Maßnahme, die zudem keinerlei Eingriffe in die Grundrechte bräuchte?
Ich bin gespannt auf Ihre Argumente als Ärztin und Mitglied einer Partei, der früher einmal die Verteidigung von Bürgerrechten gegen Übergriffe des Staates am Herzen lag.

MfG
Dr. F.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Dr. F.,

vielen Dank für Ihre Frage. Aus meiner Sicht ist es sowohl individuell klug sich gegen Covid impfen zu lassen, als auch ein notwendiger Akt der Solidarität, um vulnerable Gruppen zu schützen. Es geht jetzt darum, noch mehr Menschen von der Impfung zu überzeugen und auch die Impfkampagne voranzubringen, um perspektivisch möglichst viele schwere Verläufe einer Covid-Erkrankung und Hospitalisierungen zu verhindern, unser Gesundheitssystem dauerhaft zu entlasten und die kritische Infrastruktur aufrecht zu erhalten.

In den letzten zwei Jahren der Corona-Pandemie wurde der Politik immer wieder der Vorwurf gemacht, dass sie nicht agiert, sondern nur reagieren würde.  Wir müssen aber auch auf die Wandlungen, mit denen das Virus uns immer wieder überrascht, vorbereitet sein. So wissen wir zunehmend mehr über die Verbreitung des Subtyps BA.2, die in einigen Ländern und auch bei uns um sich greift. Eine Impfpflicht bedeutet für mich vorausschauendes Handeln, wir wollen informieren, beraten und vorsorgen, um einen möglichen nächsten Pandemie-Winter zu verhindern. Gerade die Aspekte der niedrigschwelligen Information und Aufklärung sind mir dabei sehr wichtig. Aktuell sehen wir wieder eine Trendumkehr, die Infektionszahlen steigen und befinden sich erneut auf einem Rekordniveau. In allen Altersgruppen gibt es schwere Verläufe auch mit der Omikron-Variante. Die Gefahr von Long-Covid ist nicht zu unterschätzen.

Denn ein knappes Drittel der Menschen in unserem Land ist derzeit noch nicht vollständig geschützt, weil sie sich nicht impfen lassen können - oder wollen. In der Altersgruppe über 60 Jahre ist die absolute Zahl der nicht geimpften Personen immer noch sehr groß: Derzeit sind knapp drei Millionen nicht „geboostert“ – sie haben sich also ihre dritte Impfung noch nicht verabreichen lassen. 2,8 Millionen dieser Altersgruppe sind sogar ohne den zweifachen Basis-Impfschutz. Wie die Daten aus dem Intensivregister zeigen, liegen auf den Intensivstationen fast Zweidrittel Ungeimpfte, 10 Prozent sind ungeimpfte Genesene bzw. Teil-Immunisierte. Mein Fazit:  vollständiger Impfschutz schützt am besten und die Schließung der Impflücke ist unser Ausweg aus der Pandemie! Aktuell gehen wir davon aus, dass die Pandemie bei entsprechend hoher Impfquote endemisch wird.  Dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen.

Politik muss die Warnungen der Wissenschaft über Änderungen des Virus und der Pandemiedynamik ernst nehmen, auch wenn das eine Änderung der eigenen Haltung bedeutet. Wir suchen eine breite Mehrheit dafür, jenseits der Grenze zwischen Regierungsfraktion und Opposition. Ich will es aber auch klar und deutlich sagen: Eine Impfpflicht ist kein Impfzwang. Ein Zwang zur Impfung wäre weder rechtlich zulässig, noch zielführend. Menschen, bei denen eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, oder Frauen, die am Beginn ihrer Schwangerschaft stehen, unterliegen nicht der Impfpflicht. Unser Vorschlag für die Impfpflicht ab 18 ist zeitlich befristet bis zum 31.12.2023. Bis dahin soll das Gesetz alle drei Monate auf seine Wirksamkeit überprüft werden.

Die von Ihnen angesprochenen Punkte zur Krankenhausfinanzierung und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal haben für uns eine hohe Priorität. In Krankenhäusern sollen alle so behandelt werden, wie es nötig ist. Oft entscheiden jedoch falsche ökonomische Anreize über die Behandlung. Das werden wir durch gezielte Reformen verändern: Unterstützt durch eine Expertenkommission werden wir die Krankenhausvergütung reformieren und ergänzend zum bisherigen System der Diagnosis Related Groups (DRGs) eine Vorhaltepauschale für bedarfsnotwendige Krankenhäuser und -abteilungen auf den Weg bringen. Kurzfristig werden Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin sowie Notfalleinrichtungen auskömmlich finanziert. Die Krankenhausplanung werden wir weiterentwickeln mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Versorgung. Der Dramatik der Situation in der Pflege begegnen wir mit Maßnahmen, die schnell und spürbar die Arbeitsbedingungen verbessern. Kurzfristig führen wir im Krankenhaus die Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangslösung ein, mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes. In der stationären Langzeitpflege beschleunigen wir den Ausbau der Personalbemessungsverfahren. Auch die Löhne und Arbeitsbedingungen sollen in diesem Bereich verbessert werden, um die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen. Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen, etwa durch Steuerbefreiung von Zuschlägen und einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern.

Mit freundlichen Grüßen,

Kirsten Kappert-Gonther

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