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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jörg S. •

Machen neue RKI-Daten (nur 15% der Covid-Intensivpatienten sind ungeimpft, voll geimpft: 76%) und Zahlen der KBV (2,5 Millionen Patienten wegen Impfnebenwirkungen) eine Impfpflicht nicht obsolet?

Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,
Sie haben im Bundestag für eine Impfpflicht für über 60-jährige gestimmt. Dazu hier ein Verweis auf neueste RKI-Daten, wonach von den Covid-Intensivpatienten Anfang Juni 76% voll immunisiert waren, während der Anteil der Ungeimpften nur 15% betrug:
Die von mir zitierten Daten finden Sie auf Seite 19 des RKI Wochenberichts vom 09.06.2022:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-06-09.pdf?__blob=publicationFile
Eine Auswertung der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ergab, dass in 2021 ca. 2,5 Millionen Bürger (ca. jeder 25. Geimpfte!) wegen Impf-Nebenwirkungen in ärztlicher Behandlung waren.
Quelle:
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus239736199/Corona-Impfung-2-5-Millionen-Patienten-meldeten-Nebenwirkungen-in-Deutschland.html
Einige Bundesländer (u.a. Bayern) streben abermals eine Impfpflicht an.
Würden Sie angesichts dieser Daten erneut für eine Impfpflicht stimmen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

die geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht hat den Zweck, besonders vulnerable Menschen zu schützen. Deswegen gilt sie für Personen, die in Einrichtungen tätig sind, wo diese Menschen versorgt werden, also zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, Praxen, Entbindungseinrichtungen und Reha-Kliniken. Sie haben eine besondere Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten Menschen. Die allermeisten Beschäftigten empfinden das auch so und die Impfquoten sind hier höher als in der Gesamtbevölkerung. Ganz allgemein ist es für den Infektionsschutz im Gesundheitswesen von zentraler Bedeutung, dass die Beschäftigten sich an die wissenschaftsbasierten Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) halten und sich daran orientieren.

Auch Sie beziehen ich auf das RKI. In dem von Ihnen genannten Lagebericht von Anfang Juni 2022 heißt es:

"15,5 % (240 Fälle) aller COVID-19-Neuaufnahmen mit bekanntem Impfstatus waren ungeimpft. Rund 7,8 % (120 Fälle) wiesen einen unvollständigen Immunschutz auf (Genesen ohne Impfung oder Teil-Immunisierung). 76,7 % (1.185 Fälle) hatten einen vollständigen Impfschutz (Grundimmunisierung oder Booster), der Anteil mit Boosterimpfung lag dabei bei ca. 51,8 % (800 Fälle)." Dabei ist folgende Information der BZgA zu beachten: Die Impfung ist der beste Schutz vor COVID-19 – insbesondere vor schweren Krankheitsverläufen. Aber eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Weitergabe an andere ist auch bei Geimpften und Genesenen möglich, wenn auch in geringerem Umfang. 

Zudem hat sich der mdr die Mühe gemacht, Anfang dieses Jahres eine Reihe von Lageberichten auszuwerten und hat dargestellt, dass Ungeimpfte auf den Intensivstationen viel häufiger zu finden als ihr Anteil in der Bevölkerung: https://www.mdr.de/wissen/covid-corona-omikron-impfdurchbrueche-aktuelle-zahlen-100.html

Zum Nebenwirkungsprofil der COVID-19-Impfstoffe und zur Bewertung von möglichen neuen Risikosignalen wird von der Bundesregierung auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und der Europäischen Arzneimittelagentur sowie die Produktinformationstexte verwiesen, die über die Internetseiten der Institutionen öffentlich zugänglich sind. In einem ausführlichen Bericht des PEI heißt es dazu: "Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,7 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen." Die von der KBV in dem von Ihnen genannten Artikel sind tatsächlich höher, demnach wurden 1,4 % bei einer Ärzt*in vorstellig. Dabei wird aber explizit nicht zwischen einer meldepflichtigen oder einer üblichen (z. B. Schwellung an der Einstichstelle), und damit nicht meldepflichtigen Nebenwirkung unterschieden.

Zahlreiche Abgeordnete unserer Fraktion haben sich in den vergangenen Monaten zudem für die Einführung einer allgemeinen (altersgestuften) Impfpflicht engagiert. Mit dem Ziel, die Grundimmunisierung der Bevölkerung insgesamt weiter zu erhöhen, hätte die allgemeine Impfpflicht die einrichtungsbezogene Impfpflicht um diese „zweite Stufe“ ergänzen sollen. Dies hat im Deutschen Bundestag jedoch keine politische Mehrheit gefunden. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir die ursprüngliche Zielsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die besonders vulnerablen Gruppen zu schützen, nach wie vor für richtig halten und eine vorzeitige Aussetzung deshalb ablehnen.

Das Risiko, dass sich Menschen trotz einer Dreifachimpfung mit dem SARS-CoV-2-Virus anstecken und dieses dann auch übertragen können, ist unter der Omikronvariante leider höher als unter der Deltavariante. Der Schutz vor einer Übertragung des Virus („Transmissionsschutz“) ist aufgrund der geringeren Krankheitslast bei geimpften Personen in der Summe dennoch höher als bei Ungeimpften. In der Anhörung im Gesundheitsausschuss zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht haben Gesundheitsexperten unter Berufung auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hingewiesen, dass die Impfung weiterhin ein wichtiger Bestandteil zum Infektionsschutz bleibt, neben weiteren Maßnahmen wie z. B. Händedesinfektion und Maske-Tragen. Studien zeigen außerdem, dass bei einer geimpften Person eine Omikron-Durchbruchsinfektion die Immunität deutlich erhöht, sowohl gegen Omikron, als auch gegen Delta. Bei einer ungeimpften Person hingegen führt eine Omikron-Infektion nicht zu einer besseren Antikörperzahl gegen eine Deltainfektion. Auch hier führt eine Impfung also zu einem größeren Eigen- und Fremdschutz. Nicht zuletzt geht es auch darum, Komplikationen wie Long- bzw. Post-Covid und damit verbundene, längerfristige Arbeitsausfälle nach Infektionen zu vermeiden. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zu diesen Phänomenen auch nach einer Impfung. Die Anlaufstellen sind derzeit stark ausgelastet und es bestehen lange Wartezeiten. 

Mit freundlichen Grüßen

Kirsten Kappert-Gonther

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