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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Katja I. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Katja I. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,

Ihr Politikerkollege Spahn hat Fettabsaugen als Kassenleistung http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/jens-spahn-gesundheitsminister-will-fettabsaugen-zur-kassenleistung-machen-a-1247502.html ins Spiel gebracht, eine kosmetische (ästhetische) Spende (Zahlung) der Beitragszahler für einzelne Mitglieder.

Menschen spenden gern, soweit dies auf freiwilliger Basis geschieht und sie wollen - natürlich - gefragt werden und mit ihrer Spende von Nichtspendern positiv unterscheidbar, erkennbar sein.

Nach einer aktuellen Umfrage der Bundeszentrale zur gesundheitl. Aufklärung (BZgA) (Seite 1) https://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Infoblatt%20Organspende_180528_Final.pdf , ist eine Mehrheit (84 Pro) der Bürger der Organspende gegenüber eher positiv eingestellt.

Bei 82 Mio. Einwohnern, sind das 68,88 Mio potentielle freiwilige Spender, rechnet man 10 Mio. unter 18jährige heraus, verbleiben knapp 60 Mio. Spender. Ein unfassbarer Wert. Unglaublich.

Die 14 bis 25 Jährigen benötigen am meisten Infos (Seite 4) und können durch eine umfassende Aufklärung durch die BZgA, am besten für eine Spende gewonnen werden.
Wie wollen Sie (planen Sie) die Verwertung all dieser human resources, insbesondere bezogen auf die initiale Entnahme der Organe und Gewebe?

Werden Sie spezielle Entnahmestationen in bereits bestehenden Krankenhäusern aufbauen oder, analog dem Vorgehen in Spanien, noch zu errichtende Explantationszentren massenhaft bundesweit einführen, in denen ausschließlich die Spenderkörper verarbeitet werden? Wo werden die Entnahmen zwischengelagert?
Werden eigene Körperteile bald gegen Spendermaterial auf Katalogbasis beliebig austauschbar sein?
Bedeuted dies zwangsläufig einen ungeahnten Boom der (Schönheits-)Industrie?
Erwarten sie einen neuerlichen, prosperierenden Wirtschaftszweig, nach dem Kohleausstieg, mit Umschulungen?

Welche Kenntnisse und Fertigkeiten benötigen in diesem Bereich tätige Mitarbeiter heute und morgen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau I.,

ich arbeite als Abgeordnete im Bundestag und als Mitglied im Gesundheitsausschuss daran, die Organspenderate in Deutschland zu erhöhen.

Die Zahl der Organspenden ist seit dem Jahr 2012 kontinuierlich zurückgegangen. Nachdem im Jahr 2017 auf dem Tiefstand nur 797 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet haben, ist 2018 ein Anstieg auf 955 Personen verzeichnet worden – das steht der Zahl von über 10.000 Patient*innen gegenüber, die dringend auf ein Spenderorgan warten. Die Organspenderate in Deutschland ist im europäischen Vergleich sehr niedrig. Grund dafür sind strukturelle Defizite in den Krankenhäusern. Potentielle Organspender*innen werden nicht erkannt und/oder nicht gemeldet.
Der Bundestag hat kürzlich mit den Stimmen aller im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD ein Gesetz zur Verbesserung der Strukturen bei der Organspende verabschiedet. Die Transplantationsbeauftragten werden nun von anderen Aufgaben freigestellt, sie erhalten mehr Kompetenzen und ihre Aufgabe wird vergütet. Die Abläufe in den Krankenhäusern werden verbessert. Zudem wird ein flächendeckender neurologischer Bereitschaftsdienst etabliert, der Kliniken auf Anfrage bei der Hirntoddiagnostik unterstützt.

Neben diesen sinnvollen Regelungen sehen wir Grüne weiteres Potenzial für Strukturverbesserungen um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Unsere Vorschläge haben wir in einem Antrag im Bundestag vorgelegt: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/077/1907769.pdf
Das Vertrauen in die Organspende muss weiter gestärkt werden. Die Transparenz wird erhöht, wenn die Kontrolle des Organspendesystems in staatlicher Hand liegt. Die Organspende-Skandale der vergangenen Jahre haben das Vertrauen der Menschen in das Transplantationssystem erschüttert. Auch wenn die Bereitschaft zu helfen nicht gesunken ist, so ist doch das Vertrauen in die Redlichkeit der Akteure deutlich gesunken. Um das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen, könnte die derzeit bei der BÄK angesiedelten Prüfungs- und Überwachungskommissionen sowie die damit verbundene Vertrauensstelle Transplantationsmedizin zukünftig beispielsweise beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) angesiedelt werden, um damit die öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit des Kontrollsystems zu stärken.
Zudem fordere ich ein Organspenderegister. Ein Register, in das sich Organspender*innen freiwillig online eintragen können, ist zeitgemäß. Nicht alle haben ihren Ausweis immer dabei. Der Hebel für mehr Organspenden liegt im Erkennen und Melden der Organspender*innen und genau dabei hilft das Register.

Darüber hinaus sollte die psychosoziale Betreuung der Organempfänger*innen und ihrer Angehörigen gestärkt werden. Entscheidend ist auch, dass die Transplantationsmedizin eine größere Rolle in der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung und Prüfung spielen müsste, um die Sensibilität der unterschiedlichen Gesundheitsberufe für die Organspende weiter zu fördern.
Eine Ausweitung von Lebendspenden oder gar das Szenario ein Tauschbörse lehne ich ab. Die Zulassung von Spenden unter Menschen, die sich nicht nahestehen, öffnet Tür und Tor für Missbrauch. Damit wird ein gewaltiger Graubereich geschaffen, in dem unter Umständen Organhandel stattfindet, ohne dass der Staat dies wirksam kontrollieren kann.
Eine Lebendspende ist ein schwerer Eingriff, mit dem einem gesunden Menschen ein wichtiges Organ entnommen wird. Studien belegen, dass ein nennenswerter Anteil bspw. der Nierenlebendspender durch die Spende chronisch erkrankt (Chronische Erschöpfung, Herz- und Kreislauferkrankungen, Nierenversagen etc. bis hin zur Berufsunfähigkeit). Mittlerweile sind diese Risiken gerichtlich bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich Kläger*innen recht gegeben, der sich über die Risiken einer Lebend-Organspende schlecht informiert fühlten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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