Poträt von Katrin Schmidberger
Katrin Schmidberger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Annegreth B. •

Frage an Katrin Schmidberger von Annegreth B. bezüglich Kultur

Sehr geehrte Frau Schmidberger,

wie ich gehört habe planen die Grünen mal wieder eine Straßenumbenennung. Zur Auswahl stehen mehrere Straßen; u.a. die Wrangelstraße, in der ich wohne. Ich wüsste von Ihnen gerne, was das soll? Warum wollen Sie unbedingt eine Straße nach Frau Lorde benennen? Tut es nicht auch ein neu gebauter Brunnen, wie mir vor kurzem nahegelegt wurde?
Und wieso wird auf der Bezirkswebseite behauptet, wir Anwohner wären informiert wurden?: https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/ueber-den-bezirk/ehrungen-und-auszeichnungen/strassenbenennungen-1056643.php
Ich wurde erst gestern informiert, als jemand an einem Stand in meiner Straße mehrere Exemplare dieses Buches anbot: https://www.amazon.de/Fall-Audre-Lorde-Christian-Schwochert/dp/3754111434/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&dchild=1&keywords=Der+Fall+Audre+Lorde&qid=1619447897&s=books&sr=1-1
Ich wurde jedenfalls nicht informiert und konnte auch nicht per Karte abstimmen.
Können die Grünen nicht einfach auf die Umbenennung einer Straße verzichten und stattdessen einfach einen schönen Brunnen benennen und nach Frau Lorde benennen?

Mit freundlichen Grüßen
Annegreth Bauer

Poträt von Katrin Schmidberger
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Bauer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Lassen Sie mich gleich zu Beginn vorweg schicken, dass ich die Initiative der grünen Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg unterstütze, eine Straße im Bezirk nach der afro-amerikanischen Aktivistin und Dichterin Audre Lorde zu benennen. Der Beschluss dazu wurde von der BVV bereits im Februar 2019 gefasst.

Ich befürworte außerdem den BVV-Beschluss aus 2005, nach den Straßen und Plätze in der Regel nur nach Frauen und LSBTIQ*-Personen benannt werden sollen, bis diese in ihrer Mehrheit nicht nur heterosexuelle weiße cis-Männer repräsentieren. Diesen Beschluss weiter zu forcieren, ist richtig. Insbesondere Women of Colour, Frauen unserer Migrationsgeschichte, aus dem Widerstand gegen autoritäre Regime oder
Menschen aus der LSBTIQ*-Community, denen in der Erinnerungslandschaft bislang weitgehend kein Raum eingeräumt wurde, die aber wesentliche Facetten der neueren Geschichte unseres Bezirks verkörpern, sollen
präsenter im öffentlichen Straßenraum werden – die Benennung von Brunnen ist dafür nicht ausreichend.

Hierzu zählt auch Audre Lorde. Sie verbrachte während ihrer Berliner Jahre 1984-1992, in denen sie sich jeweils längere Zeit in der Stadt aufhielt, auch viel Zeit in Kreuzberg. Sie ermutigte afro-deutsche
Frauen zu schreiben und durch Veröffentlichung ihrer Werke sichtbar zu werden. So entstand das Buch „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“, 1992 herausgegeben von May Ayim (+ 1996), Katharina Oguntoye und Dagmar Schultz im Frauenverlag Orlanda.

Audre Lorde hatte einen zentralen Einfluss auf die Entstehung der jüngeren Schwarzen Bewegung, besonders einer Schwarzen Frauenbewegung, in Deutschland. Gleichzeitig setzte sich Audre Lorde mit der
feministischen Bewegung in Deutschland auseinander. Weiße Frauen forderte sie immer wieder dazu auf, Differenz zu akzeptieren und Privilegien konstruktiv zu nutzen, womit sie einen nachhaltigen Einfluss auf das Bewusstsein vieler Frauen sowie auf die akademische Diskussion zu Intersektionalität (Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen) hinterließ. Ihre leidenschaftlichen und brillanten Texte und Vorträge inspirieren bis heute feministische, queere, lesbische, Schwarze und Women of Color-Bewegungen weltweit.

Auch gab es sehr wohl öffentliche Veranstaltungen und es wurden Postwurfsendungen an Haushalte in Kreuzberg versendet. Die Auftaktveranstaltung fand am 18. Februar 2020 im FHXB-Museum statt und
stieß auf große Resonanz. Es folgte eine zweite Veranstaltung am 5. März 2020. Die kurz darauf geplanten weiteren Veranstaltungen des Beteiligungsverfahrens mussten zunächst aufgrund der Corona-Pandemie
verschoben werden. Vor wenigen Tagen, am 4. Mai 2021, fand zuletzt eine Veranstaltung zur geplanten Umbenennung einer Straße in Kreuzberg statt. Teil der Veranstaltung war die Auswertung einer Umfrage, welche Straßen in Frage kommen könnten – denn das ist noch nicht entschieden. In den nächsten Wochen werden sich die Fachausschüsse der BVV erneut mit dieser Frage beschäftigen und schlussendlich wird die BVV eine Entscheidung dazu treffen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in die Gründe geben, die für eine Umbenennung einer Straße nach Audre Lorde sprechen.

Mit freundlichen Grüßen
Katrin Schmidberger

 

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