Frage an Katrin Kunert von Robert S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kunert,
die tragischen Ereignisse der letzten Tage in Tibet haben uns vor Augen geführt, wie wenig die chinesische Regierung grundlegende Menschenrechte respektiert.
Die in hohem Maße fragwürdige Politik der chinesischen Regierung ist jedoch wie Sie sicherlich wissen nicht bloß auf „innerchinesische“ Angelegenheiten beschränkt, sondern setzt sich nahtlos in der Außenpolitik des Reichs der Mitte fort. In diesem Zusammenhang möchte ich nachdrücklich auf die Rolle Chinas als Hauptunterstützer des sudanesischen Regimes in Khartum hinweisen, welches in der Region Darfur für den ersten Völkermord des 21. Jahrhunderts verantwortlich ist.. China pflegt engste wirtschaftliche und politische Kontakte mit dem Sudan. Seit Jahren ist die Volksrepublik der größte diplomatische Protegé sowie ökonomischer Investor und Handelspartner des Sudans. So kauft China die Hälfte aller sudanesischen Ölexporte, hat weitreichende Investitionen in dessen Öl-Industrie vorgenommen und nutzt die gute Beziehung der beiden Staaten um dort lukrative Bauaufträge zu übernehmen. Alles in allem hat China $10 Milliarden an Handels- und Kapitalinvestitionen im Sudan. Dazu kommt, dass China trotz eines Waffenembargos massive Rüstungsverkäufe in den Sudan in Millionenhöhe vornimmt. ( http://savedarfur.org/page/content/china_sudan_darfur )
Die olympischen Spiele bieten eine einzigartige Gelegenheit, um China zu einer verantwortungsvollen Menschenrechtspolitik im Inneren sowie in seiner Außenpolitik zu bewegen.
Meine Fragen an Sie:
1. Welche Position vertreten Sie persönlich in Bezug auf einen möglichen Boykott der olympischen Spiele 2008, welche Position vertritt Ihre Bundestagsfraktion?
2. Sind sie bereit, sich innerhalb Ihrer Fraktion, der Öffentlichkeit
sowie gegenüber chinesischen Verantwortlichen für eine kritische
Thematisierung der chinesischen Menschenrechtspolitik auch und gerade im Zusammenhang mit der Darfur-Krise – einzusetzen?
Hochachtungsvoll,
Robert Schütte
(Präsident "Genocide Alert")
Sehr geehrter Herr Schütte,
auf Ihre Fragen möchte ich wie folgt antworten.
1. Welche Position vertreten Sie persönlich in Bezug auf einen möglichen Boykott der olympischen Spiele 2008, welche Position vertritt Ihre Bundestagsfraktion?
Natürlich würde ein Fernbleiben von den Spielen der chinesischen Regierung einen herben Schlag versetzen. Ein Schlag, von dem sich das Riesenreich allerdings bald wieder erholen würde. Die wahren Leidtragenden wären wie immer die Sportlerinnen und Sportler, die sich jahrelang vorbereitet haben.
Diskussionswürdig wäre ein solcher Boykott nur dann, wenn die Bundesregierung ihrerseits die chinesische Regierung unter Druck setzen und die Milliarden-Geschäfte deutscher Unternehmen mit Peking stoppen würde. Ein solches Vorgehen würde das dortige Regime wesentlich härter treffen. Denn China ist nach den USA für Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt außerhalb der EU. Im Jahr 2006 erreichte das deutsch-chinesische Handelsvolumen 76,27 Milliarden Euro nach 62,08 Milliarden Euro 2005.
Solche Maßnahmen sind von dieser Bundesregierung allerdings nicht zu erwarten.
Im Gegenteil: Der Sport soll für die Feigheit der Politik beziehungsweise für die Raffgier deutscher Konzerne büßen. Von Sportlerinnen und Sportlern wird abverlangt, was der Politik in den letzten Jahrzehnten nicht gelang.
Es ist schon bezeichnend, dass beim Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen in den vergangenen Jahren Chinas Vorgehen im Tibet offenbar nicht gestört hat.
Ich teile Ihre Auffassung, wonach die olympischen Spiele eine einzigartige Gelegenheit bieten, um China zu einer verantwortungsvollen Menschenrechtspolitik zu bewegen. Die erforderliche politische Lösung besteht darin, die gegenwärtige internationale Aufmerksamkeit für einen breiten Dialog zu nutzen.
Wichtig ist, den deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog und den EU-Menschenrechtsdialog fortzuführen. Darüber hinaus können auch die deutschen Parteienstiftungen und das Goetheinstituts einen Beitrag dazu leisten, den deutsch-chinesischen Austausch über Menschenrechtsfragen zu intensivieren. Diese Dialoge ermöglichen die vertiefte Erörterung der Probleme einer modernen Gesetzgebung, auch ihrer Umsetzung in der Praxis. DIE LINKE sieht darin eine Chance, um auf China einzuwirken, damit auch die kulturellen Traditionen der Menschen in der Region Tibet geschützt werden und eine dauerhafte Perspektive haben. Die zusätzliche Aufmerksamkeit, die der Entwicklung in der Region Tibet wegen der Olympischen Spiele zuteil wird, sollten wir vielmehr nutzen, um im Dialog auf eine Verbesserung der Lage für die Menschen dort hinzuarbeiten.
Die Geschichte der Olympischen Spiele zeigt, dass mit einem Boykott nichts erreicht werden kann. Bereits während des Kalten Kriegs war er lediglich Ausdruck der Konfrontation ohne politische Folgen. Ein Boykott der Spiele in Peking bringt daher die Gefahr mit sich, dass die Bereitschaft der chinesischen Führung zum Dialog in Menschenrechtsfragen abnimmt.
Deshalb lehnt DIE LINKE Forderungen nach einem Boykott der Olympischen Spiele ab. Eine solche Maßnahme würde die Fronten nur weiter verhärten und damit den Menschen in der Region Tibet schaden.
2. Sind sie bereit, sich innerhalb Ihrer Fraktion, der Öffentlichkeit sowie gegenüber chinesischen Verantwortlichen für eine kritische Thematisierung der chinesischen Menschenrechtspolitik auch und gerade im Zusammenhang mit der Darfur-Krise - einzusetzen?
Ich bezweifle, dass das Schwergewicht, das international zur Beilegung der Darfur-Krise offenbar gelegt wird, nämlich die Stationierung einer "hybriden" UN/AU-Mission einen stabilisierenden Effekt haben wird. Das zeigen auch Erfahrungen aus Versuchen der militärischen Konfliktbewältigung.
Zudem bin ich mir nicht sicher, ob die ökonomisch starke Rolle Chinas in Afrika hinsichtlich der politischen Folgerungen nicht auch überbewertet wird. Richtig ist natürlich, dass China in der Tat aufgrund seiner ökonomischen Beziehungen zu vielen afrikanischen Ländern einen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage spielen könnte.
Um aber eine tragfähige Lösung für die Darfur-Krise zu finden, bedarf es neuer und ernsthafter politischer Initiativen. Die Stoßrichtung der internationalen Politik des Westens - auch Deutschlands - in der Darfur-Krise ist aber zu militärlastig. DIE LINKE fordert den Stopp der UN-Mission. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen von EU und UNO für eine politische und finanzielle Unterstützung des Verhandlungsprozesses einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Kunert