Frage an Katrin Göring-Eckardt von Christian D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Görig-Eckard,
Sie haben am 11.01.2009 in der Talksendung von Anne Will beim Thema „Tabu Freitod – Wer hat das Recht, Leben zu beenden?“ teilgenommen.
Dort wurde auf Sterbebegleitung hingewiesen. Durch die Sterbebegleitung sollte es möglich sein, die Menschen nicht verzweifeln zu lassen, damit sie somit keinen Freitod wünschen.
Auf Sterbebegleitung hinzuweisen ist zulässig. Da wir aber ehrlich sein müssen, halte ich es für notwendig zu sagen, dass generell viel zuwenig Menschen bereit und in der Lage sind, als Sterbebegleiter aktiv zu sein.
Da Sie Präsidentin des Evangelischen Kirchentages 2011 sind, frage ich Sie wo die benötigten Sterbebegleiter sind. Warum werden hier die beiden großen Kirchen (evangelisch, katholisch) ihrer Verantwortung nicht gerecht? Was tun Sie, um diese fehlenden Sterbebegleiter zu rekrutieren?
Inwieweit sind Sie bereit, Menschen, die „totkrank“ sind und Ihrem Leben ein Ende bereiten wollen, zu helfen, damit diese selbst Ihren eigenen Willen umsetzen und den eigenen Freitod aktiv gestalten können?
Vielen Dank
Christian Decker
Sehr geehrter Herr Decker,
danke für Ihre Zuschrift. Ich teile Ihre Beobachtung, dass die Zahl derer, die sich zutrauen Menschen im Sterben zu begleiten und die dafür auch die nötige Unterstützung erfahren, den Bedarf nicht deckt. Es liegt mir aber auch am Herzen, zu würdigen, was schon geleistet wird und wie viel sich entwickelt hat. Wir haben heute mehr als fünfmal so viele Hospize und Palliativstationen wie noch vor zehn Jahren und die Zahl ambulanter Hospizdienste ist von 450 auf 1500 gestiegen.
Die christlichen Kirchen verstehen es als ihre Aufgabe, den Menschen nah zu sein, für sie zu sorgen, gerade in existenziellen Situationen und natürlich am Ende des Lebens. Pfarrerinnen und Pfarrer und die Vielen von den Kirchen in diesem Bereich Angestellten tun ihren Dienst. Auch zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer engagieren sich in der Sterbebegleitung aus einer christlichen Motivation heraus, Kirchgemeinden haben Hospizgruppen gegründet usw. Es können immer noch mehr sein, natürlich. Aber zugleich ist es nicht Aufgabe der Kirchen allein, dafür zu sorgen, dass Sterbenden ein würdiger Abschied ermöglicht wird. Um einem Menschen beizustehen, muss man nicht Christin sein, oder Christ. Es ist eine Anfrage an jede und jeden einzelnen, ob er da sein kann und da sein wird, um die Hand zu halten, wenn ein Nächster den letzten Weg geht. Und es ist Aufgabe der Politik für entsprechende Rahmenbedingungen zu sorgen. Dafür zum Beispiel, dass Angehörige vom Arbeitgeber zur Pflege freigestellt werden.
Ich bleibe dabei, dass unsere Aufgabe darin besteht, durch bestmögliche Pflege und (palliativ)medizinische Betreuung, durch Zuwendung und Unterstützung bis zuletzt Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen - nicht aber durch aktive Sterbehilfe.
Mit vielen Grüßen,
Katrin Göring-Eckardt