Frage an Katrin Göring-Eckardt von Jörg H. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)
Sehr sympathisch!
Liebe Frau Göring-Eckhard,
Sie sagten: »Für mich als Christin kommt Abtreibung nicht in Frage« und »Es ist unverantwortlich, dass die Konservativen das Klonen unter dem Gesichtspunkt der Forschungsverwertbarkeit betrachten«.
Vielen Dank, daß Sie christliche Werte im Unterschied zu den Parteien vertreten und diese auch deutlich kommunizieren! Das hat Seltenheitswert!
Nun die Fragen:
1.) Was können wir "Wessies", also die Leute im Westen dazu beitragen, daß das Ost-West-Verhältnis in Deutschland wieder freundschaftlicher wird?
2.) Hat die Krise im Osten Ihrer Meinung nach auch geistliche Wurzeln? Die DDR war ein israelfeindlicher Staat und hat die terroristische PLO unterstützt, Honecker zog mit Arafat Arm in Arm durch Ostberlin, und hat Israel abgelehnt. Dieser Teil der Vergangenheit wurde im Osten nicht richtig aufgearbeitet. Schon die Bibel sagt: "Wer dich, Jakob (also Israel, die Juden) geringschätzt, der ist verflucht und wer dich segnet, der ist gesegnet"...
So war andersherum die praktische "Buße" des Westens ("Wiedergutmachung" ist natürlich eigentlich ein doofes Wort) gegenüber Israel durch Unterstützung mit Aufbauhilfe, praktischen Diensten Jugendlicher in Israel und auch militärischer Unterstützung Israels gegen die feindliche arabische Übermacht zum Segen ...
Die Nähe eines Staates und das gute Verhältnis zum jüdischen Volk hat sich - wohl in der gesamten Weltgeschichte auch nachprüfbar - zum Segen für ein Land ausgewirkt.
Was denken Sie zu diesen Zusammenhängen? Die Bibel sagt an über 50 Stellen die Rückkehr des jüdischen Volkes nach Israel voraus: "Ich zerstreue euch unter alle Völker und ich bringe euch in das Land Israel zurück" ...
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Geschichte der DDR und aktuellen Problemen? Viele Jugendliche sind rechtsextrem: also gegen Juden und Israel und anti-christlich eingestellt, so wie es die DDR auch war. Wie kann man dieses Erbe überwinden?
Viele Grüße
Jörg H.
Sehr geehrter Herr Haller,
entschuldigen Sie, dass sich meine Antwort etwas verzögert hat, aber ich bin viel im Wahlkampf unterwegs und die Zeit ist knapp. Wie kann das Verhältnis zwischen den Menschen im Osten und im Westen verbessert werden? Ein bisschen mehr Gelassenheit im Umgang miteinander, keine voreiligen Bewertungen und Verurteilungen, die Anerkennung der Leistung des anderen und die Erkenntnis annehmen, dass Menschen eben verschieden sind. Ich glaube, dass würde im Kleinen wie auch im Großen helfen die Einheit in den Köpfen weiter voranzubringen. Denn immerhin: Die Ostdeutschen haben es geschafft, einen kompletten Systemwechsel zu überstehen. Und zwar alle: die Flexiblen und Intelligenten wie die Bildungsfernen und Schwächeren. Außerdem waren nicht sie es, die die Einheit über die Sozialsysteme finanzieren wollten. Die katastrophale Entwicklung bei der Rente und Krankenversicherung begann mit dem Nichthandeln von Blüm und Kohl, aber auch mit dem Schüren von Illusionen durch Lafontaine, Dreßler und ihre Sekundanten in der SPD bis hin zu dem Schröder von 1998. Jena und Nordfriesland, Freiberg und Worms: Nicht auf Ost oder West kommt es an, sondern auf die Erkenntnis, dass vom Alten nicht alles bleiben kann und das Neue nur gemeinsam entsteht.
Natürlich wird die heutige Entwicklung in den neuen Bundesländern auch durch die Erfahrungen in der Vergangenheit beeinflusst, es sind ja dieselben Menschen, die in der DDR lebten, die die Wende initiierten und die heute in den neuen Bundesländern leben, von einer Krise würde ich aber nicht sprechen. Dasselbe trifft aber auch auf die Menschen in den alten Bundesländern zu, auch sie haben und hatten in der Vergangenheit Probleme im Umgang mit den jüdischen Mitbürgern und Israel. Ich erinnere nur an die zunehmende Kritik an der Wiedergutmachungspolitik gegenüber Israel, den "Juden" und den "Polen" in den achtziger Jahren auch durch führende westdeutsche Politiker. Aber sie haben natürlich Recht mit Ihrer Kritik am Umgang der DDR mit der Vergangenheit. In der DDR wurde von an Anfang an jede Verantwortlichkeit für die Geschichte des Nationalsozialismus an die BRD delegiert. So galten die Ursachen des Faschismus, und damit verbunden des Antisemitismus als überwunden, und die DDR wurde als ein antifaschistischer Staat gesehen. Dieser staatlich verordnete Antifaschismus, sowie die Reduktion der Geschichte des Dritten Reiches auf den antifaschistischen Widerstandskampf, haben ihren Beitrag zur Nichtaufarbeitung unserer Geschichte geleistet. Es war, wie Thierse sagte: "Man hat das Schwerbegreifliche zu ein paar Lehrformeln über den Faschismus zurechtgestutzt, andere Teile der Geschichte aber verdrängt und tabuisiert". Deutlich wird, dass im Mittelpunkt der Faschismustheorie der DDR eben nicht der Antisemitismus, die Vernichtungspolitik und damit der Holocaust stand, sondern der Gegensatz zwischen den imperialistischen Kriegstreibern und der Arbeiterklasse, die den kommunistischen Widerstandskampf führte. Durch die verordneten Geschichtsbilder war das Geschichtsbewusstsein ideologischen und politischen Zwängen unterworfen, die Geschichte wurde verstaatlicht. Das Gedenken wurde perfektioniert und ritualisiert und durch den Staat gelenkt und geleitet. Die Erfahrungen der DDR zeigen aber, dass verordnetes Gedenken sich selbst konterkariert. Es führte zu einer Sinnentleerung für viele Bürgerinnen und Bürger in der DDR. Einen unmittelbaren und alleinigen Zusammenhang zwischen den rechtsextremen Jugendlichen heute und den Umgang der DDR mit der Vergangenheit und mit Israel sehe nicht. Denn die Hintergründe für die rechtsextremen Einstellungen der Jugendlichen sind vielfältig. Wichtig ist, dass wir Politiker aufrecht in der ersten Reihe stehen und glaubhaft vermitteln: Demokratie ist wichtig und macht Spaß. Demokratie macht Spaß, wenn Jugendliche Freiräume haben, in denen sie sich entfalten und einbringen können, wenn sie ernst genommen werden und sie eine Chance erhalten ihr Leben selbst zu gestalten. Wenn Menschen, die Möglichkeit haben und dazu ermutigt werden, nicht nur aller paar Jahre zur Wahl zugehen, sondern Verantwortung zu übernehmen und mitzureden.
Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Göring-Eckardt