Frage an Katrin Göring-Eckardt von Per G. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrter Frau Göring-Eckardt,
Seit der Wahl im August 2020 in Belarus, demonstrieren viele Menschen dort gegen den Präsidenten Lukashenko. Wir können wir in Deutschland dort die Demonstranten unterstützen? Was kann die deutsche Regierung tun? Reicht es schon, dass friedliche Demonstranten verhaftet und im Gefängnis gefoltert werden, um den UN Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen oder das UN Tribunal gegen Kriegsverbrechen in Den Haag?
Müssen erst Panzer auf Demon-stranten schiessen oder erst das Kriegsrecht ausgerufen werden, damit das Gericht in Den Haag angerufen werden kann? Wie kann Frau Merkel als Bundeskanzlerin die OSZE anrufen, um Verhandlungen zu erreichen, zwischen der Opposition mit Frau Tichanowskaya, die im Exil in Litauen ist, und Herrn Lukashenko?
Vielen Dank für ihre Antworten.
Freundliche Grüsse Per Grunenberg
Sehr geehrter Herr Grunenberg,
vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.
Frau Göring-Eckardt und die grüne Bundestagsfraktion setzen sich schon länger für die Demokratiebewegung in Belarus ein:
* Mit einem interfraktionellen Antrag haben wir zuletzt ein deutliches Zeichen, dass der Bundestag fest an der Seite der demokratischen Opposition in Belarus steht.
* Wir setzen uns für umfassende, konkrete Hilfe für die Zivilgesellschaft und für scharfe Sanktionen gegen Diktator Lukaschenka und die autoritäre Führung des Landes ein.
* Insbesondere brauchen politisch Verfolgte, Studierende und unabhängige Journalistinnen und Journalisten schnelle und wirksame Unterstützung. Wir fordern ein Ende der Gewalt, die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen. Viel zu lange hat die Bundesregierung geschwiegen. Wir erwarten, dass sie den Forderungen im Antrag nun rasch Taten folgen lässt.
* Dafür setzen wir uns auch im Haushaltsverfahren ein.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Initiativen, die die Demokratiebewegung in Belarus unterstützt, und sich zum großen Teil über Spenden finanzieren. Um nur ein paar zu nennen:
* Libereco: Im Rahmen der Solidaritätskampagne #WeStandBYyou von Libereco – Partnership for Human Rights können Gefangenen-Patenschaft für belarussische Menschenrechtsaktivisten übernommen werden.
* https://www.lphr.org/50-patenschaften-fuer-politische-gefangene-in-belarus-katrin-goering-eckardt-wird-patin-von-menschenrechtsaktivist-andrei-chapiuk/
* Für akute Soforthilfe (z.B. Finanzierung von Rechtsbeistand, medizinische/psychotherapeutische Hilfe, Ausgleich von Einkommenseinbußen aufgrund von Zwangskündigungen) hat die belarusische Demokratiebewegung zentrale Fonds eingerichtet. Libereco bietet an, die Spenden 1:1 an BY_help, einer der beiden größten Solidaritätsfonds (https://www.belarus97.pro/eng ), weiterzuleiten.
* Spenden über Libereco sind steuerlich absetzbar: https://www.lphr.org/people-in-belarus-need-our-solidarity-and-support/
* Human Rights Center "Viasna"
* #BYSOL: Diese Stiftung unterstützt vor allem Menschen, die wegen der Teilnahme an Protesten arbeitslos geworden sind: Stichting Belarus Solidarity Foundation https://bysol.org/english
* Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. (DGO) sammelt alle Angebote für Studierende, Promovierende und Wissenschaftler*innen in Belarus und bemüht sich in Kooperation mit engagierten Personen in Deutschland und Belarus um die Vermittlung von Hilfsangeboten im Wissenschaftsbereich an geeignete Adressat*innen.
Es ist wichtig, dass die Situation nicht aus öffentlichen Debatte verschwindet. Für die Demokratiebewegung ist es wichtig zu wissen, dass das Ausland sehr genau hinschaut. Wie wir aus anderen Demokratiebewegungen, ja selbst aus unserer eigenen Geschichte wissen, verhindert dieses Hinsehen der Welt, dass zum Beispiel Menschen in Gefängnissen einfach verschwinden.
Wir begrüßen es, dass innerhalb der OSZE der sogenannte Moskauer Mechanismus ausgelöst wurde, um Menschenrechtsverletzungen in Belarus auch ohne Zustimmung Lukaschenkas unabhängig dokumentieren zu können. Dies wird leider die Gewalt nicht unmittelbar stoppen können, aber hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und den internationalen Druck auf Lukaschenka und seine Schergen zu erhöhen. Leider gehörte die Bundesregierung nicht zum Kreis der siebzehn OSZE-Staaten, die die Einsetzung des Moskauer Mechanismus innerhalb der OSZE veranlasst haben.
Darüber hinaus gibt es leider auf internationaler Ebene wenige Möglichkeiten, Verantwortliche in Belarus zur Rechenschaft zu ziehen. Belarus hat weder die Europäische Menschenrechtskonvention noch das Römische Statut unterzeichnet und ist damit nicht der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte oder des Internationalen Strafgerichtshof unterworfen. Mit einem Engagement des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in der Sache ist leider nicht zu rechnen, da China, aber vor allem Russland, ohne dessen Hilfe Lukaschenka seinen Repressionskurs gegen die eigene Bevölkerung nicht durchhalten könnte, dies verhindern kann.
Immerhin – wir begrüßen, dass die Bundesregierung sich für eine Sondersitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zur Situation in Belarus eingesetzt hat, und unterstützen eine weitere Beschäftigung und genaues Beobachten der Entwicklungen durch den Rat. Umso wichtiger ist es angesichts der beschränkten Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft, dass die Sanktionen der Europäischen Union gegen die Verantwortlichen in Belarus noch deutlich verschärft und erweitert werden. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich hierfür mit Nachdruck gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten einsetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt